«Die Schliessung ist eine Katastrophe!»

Das nahende Ende von Haas Shopping in Ottenbach löst bei treuen Kundinnen Betroffenheit aus

Eine langjährige Kundin beim Durchstöbern des Sortiments. (Bild Livia Häberling)

Eine langjährige Kundin beim Durchstöbern des Sortiments. (Bild Livia Häberling)

Rita Wicki kam jeweils extra aus dem Luzernischen nach Ottenbach.

Rita Wicki kam jeweils extra aus dem Luzernischen nach Ottenbach.

«Minus 70 Prozent?» – eine Kundin muss im Parterre des Haas Shopping zweimal nachrechnen, um den neuen Preis zu eruieren – sie wirkt selber etwas ­ungläubig, wie günstig der Gartenschmuck nun ist. Im Zwischengeschoss lässt derweil manch ein Ehemann den womöglich letzten Kleidereinkauf über sich ergehen.

Seit bekannt wurde, dass die aktuelle Betreiberin das Haas Shopping in Ottenbach dichtmachen muss, sind die Regale in der alten Ottenbacher Fabrik wieder deutlich umgarnter als auch schon. Der Räumungsverkauf ist voll im Gang, vor der Kasse bilden sich Schlangen. Es ist das letzte umsatzmässige ­Aufbäumen eines Betriebs, der für den Bezirk über die Jahrzehnte zu einer ­Institution geworden ist. Für die Verkäuferinnen dürften es bittersüsse Stunden sein: Wer weiss, wie es den Lauf der Dinge verändert hätte, wenn der Kundschaft das Geld in all den harzigen ­Monaten und Jahren zuvor ähnlich ­locker in der Tasche gelegen hätte.

Die Kleiderbügel gibts gratis dazu

Rita Wicki war am Mittwochmorgen rechtzeitig da, um mühelos einen Parkplatz zu finden. Ihr Ehemann trägt ­gerade die erste Tasche mit Errungenschaften zum Auto. Ein paar Hosen und drei Shirts, eine Ladung Kleiderbügel gabs gratis obendrauf. Das Personal hat keine Verwendung mehr für sie.

Seit 20 Jahren zählt Wicki sich zu den Creasphere-Kundinnen. Sie kaufte Stoff zum Nähen, aber auch Kleidung oder ­Geschenkartikel. Für «die gute Ware», die sie in Ottenbach erhielt, war die 70-Jährige zuletzt auch bereit, die 20-minütige Autofahrt von Hitzkirch in Kauf zu nehmen. Davor hatte sie in der Creasphere-Filiale in Fahrwangen eingekauft, die bereits geschlossen ist. «Ich bedauere die Schliessung sehr», sagt Wicki, «ich habe die Beratung echt geschätzt.» Sie denkt auch an jene Mitarbeitenden, die momentan vor einer ungewissen Zukunft stehen. «Den Job zu verlieren, ist ein Schock!» Dann macht sich Wicki ein zweites Mal auf die Pirsch. Diesmal im Erdgeschoss, wo sich im besten Fall bereits das eine oder andere Weihnachtsgeschenk erstöbern lasse.

Der Schock kam mit der E-Mail

Hinter einem Regal findet eine andere Kundin klare Worte zur Situation: «Die Schliessung ist eine Katastrophe!», sagt die Bonstetterin, die es bevorzugt, ohne Namen aufzutreten. Seit ihrer Kindheit – und die liegt bei der 73-Jährigen ein paar Jahre zurück – habe sie im «Haas» gefunden, was anderswo nicht erhältlich war. Wieder falle damit ein Standort dem Onlinehandel zum Opfer, «dabei möchte man gewisse Produkte anfassen können, bevor man sie kauft. Zum Beispiel Stoff.»

Als sie Anfang Woche per E-Mail von der Schliessung erfuhr, war sie derart schockiert, dass ihr prompt ein Schimpfwort entfuhr: «Nani, Scheisse sagt man nicht!», habe der Enkel getadelt.

Ein Ort der Inspiration

Ebenfalls am «Dureschnoigge» ist an diesem Mittwochmorgen Lucia Kälin aus Obfelden. Sie hat sich im Ausverkauf bereits ein Sommerkleid geschnappt, nun darf es gerne noch etwas Stoff sein. Sie wird die besondere Fabrik-Atmosphäre im Haas Shopping vermissen. Für ihre monatlichen Stoff-Einkäufe wird sich die 60-Jährige bald anderweitig orientieren müssen. Genauso wie Paula Camenzind, die von Küssnacht angereist ist. Die 64-Jährige hatte seinerzeit ­Damenschneiderin gelernt. Nachdem das Nähen während Jahren etwas in den Hintergrund geriet, rückte es seit ihrer Frühpensionierung wieder in den Vordergrund. «Die Stoffabteilung des Haas Shopping war mit seiner Weitläufigkeit und der grossen Auswahl auch ein Ort der Inspiration.»