Er baut Wohnungen aus alten Kühltruhen
Mike Schütz suchte für sich ein Zuhause, das er in jedes Land mitnehmen kann. Seine Lösung: Frachtcontainer
«Eines schönen Morgens im März 2019 erwachte ich früh und habe mich während des Aufstehens dazu entschieden, noch einmal etwas ganz Neues anzugehen.»
So beschreibt Mike Schütz, 52, Träger zweier Ohrringe und verschiedenfarbiger Socken, auf seiner Website den Moment, in dem er den Entschluss fasste, sein Unternehmen mit knapp 50 Mitarbeitenden zu verkaufen und fortan Häuser aus alten Hochsee-Containern zu bauen. Echt jetzt?
«Ja, echt jetzt!», sagt Schütz in seiner Werkstatt im Industriequartier von Ottenbach. Wobei... die Lust nach einem Umbruch freilich nicht just in der Sekunde über ihn hineinbrach, als er damals im März die Beine aus dem Bett schwang. In den Jahren davor war sie zu einer immer treueren Begleiterin geworden.
Offset-Drucker hatte Schütz ursprünglich gelernt und bald darauf die Druckerei seines Vaters übernommen. In den Jahren danach wuchs das Druckzentrum mit Sitz in Sellenbüren durch Partnerschaften und Zukäufe anderer Druckereien bis auf knapp 50 Mitarbeitende an. Doch die Digitalisierung hatte das Geschehen seit Jahren in eine Richtung gelenkt: Immer noch ein bisschen mehr arbeiten für noch ein bisschen weniger Geld. Man konnte zusehen, wie eine Branche am Wandel der Zeit zugrunde geht. Perspektiven, die jede Investition als wahnwitzig hätten erscheinen lassen. «Alles nicht besonders funny», bilanziert Schütz, erst recht nicht für einen wie ihn, der Gestriges gerne loslässt, um beide Hände für die Zukunft freizuhaben.
Also verkaufte Mike Schütz seine Unternehmensanteile an seinen Geschäftspartner und widmete sich ab Januar 2020 unter dem Firmennamen «Trendlounge» der Container-Idee.
Auswanderpläne führten ihn zur Container-Idee
Nun könnte sich die Frage auftun, woher ein Offset-Drucker das Fachwissen hat, um Häuser aus Kühltruhen zu bauen. Schütz sagt, er habe schon damals in der Druckerei am liebsten «knüblet und gschrüblet». Maschinen zusammen-bauen, Lüftungen flicken, Sanitär-Installationen übernehmen. So was halt. Das, sagt Mike Schütz, sei seit je her sein «Problem»: Er hat viel zu viele Interessen und Ideen und ist stets ein wenig im Verzug beim Versuch, ihnen nachzuleben.
Auch so eine Idee: Auswandern. Ungefähr im Jahr 2017, vielleicht auch 2018, muss es gewesen sein, als seine Frau und er über diese Option sinnierten. Bisher haben sie diese Pläne zwar nicht umgesetzt, aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. «Momol», findet Schütz noch heute, das müssten sie «schon mal noch gemacht haben», als stünde eine Auswanderung auf jeder halbwegs gutbürgerlichen Bucket List. Die Auswanderidee war es, die Mike Schütz damals zum Grübeln brachte: Woraus müsste ihr zukünftiges Zuhause gebaut sein, damit es finanzierbar ist, zumindest annähernd Schweizer Standard bietet und in jedes Land mitgezügelt werden kann? Bald landete Mike Schütz bei Hochsee-Kühlcontainern: Es gibt sie in Häfen problemlos zu kaufen, zudem sind sie kälte- und wärme-isoliert und können via Schiff praktisch jedes Land erreichen.
Traum vom Eigenheim, aber nur ein schmaler Streifen Land
«Wenn ich einen Floh im Ohr habe, kann ich nicht anders als ausprobieren und tüfteln», sagt Schütz. So kam es, dass er die Pläne für das eigene Container-Haus schon damals am PC zeichnete. Ab Januar 2020 baute er es im 1:1-Massstab nach. Vorerst nicht mehr als Auswander-, sondern als Musterhaus für Interessierte. Nach und nach sind in den vergangenen dreieinhalb Jahren im Auftrag von Kunden vier weitere Container-Häuser entstanden: Eines war ein zweistöckiges Büro samt Showroom und Terrasse, das nun in Horn (TG) am Bodensee steht. Die anderen drei Häuser stehen ein paar Gemeinden weiter, in Egnach (TG). Sie alle sind ebenfalls doppelstöckig und 60 Quadratmeter gross. Eines davon bewohnt die Bauherrin selbst, die anderen beiden vermietet sie als Ferienhäuser.
Vor knapp einem Monat nahm Mike Schütz in seiner Werkstatt in Ottenbach sein fünftes Haus in Angriff: Es entsteht für eine Frau aus dem Kanton Bern, die einen Streifen Bauland besitzt, der so schmal ist, dass darauf ein Haus in herkömmlicher Bauweise kaum Platz hätte.
Nun erstellt er für sie aus vier Containern ein zweistöckiges 90-Quadratmeter-Häuschen. Für Schütz ist es selbstverständlich, nur gebrauchte Container zu verwenden. «Es soll ein Upcycling-Produkt sein», sagt er. Etwas Altes soll also aufgewertet und wiederverwendet werden. (Zudem sind gebrauchte Container naheliegenderweise deutlich preiswerter als neue.)
Das 60-Quadratmeter-Haus gibts für eine Viertelmillion Franken
Die Container auf die passende Länge kürzen, die Böden entfernen, Wandausschnitte für die Fenster fräsen, die Bodenheizung verlegen, isolieren, Gipsen und später die Böden verlegen und die Sanitäranlagen oder die Küchengeräte installieren: Das macht Mike Schütz mittlerweile wieder alleine; zeitweise hatte ihn ein Bekannter unterstützt. Den Grossteil des Fachwissens bringt er selbst mit; bei Kniffligem holt er bei Fachbetrieben Rat. Für die baurechtlichen Aspekte (Baueingabe etc.), die bei einem Containerhaus nicht anders sind, hat er ein Architekturbüro engagiert. Wenn der Zeitplan aufgeht, wird er die Container im Januar nach Bern liefern und dort in ein bis zwei Tagen die Endmontage vornehmen.
Und was kostet ein solches Container-Haus? Mike Schütz sagt, für 60 Quadratmeter sei man bei etwa 250000 Franken.
Ob das nächste Projekt wieder ein Container-Haus oder eine andere handwerkliche Herausforderung sein wird, ist derzeit offen. «Hauptsache, es ist unkompliziert und macht Freude», sagt Mike Schütz. An Ideen und Interessen mangelt es ihm nicht. Und auswandern will er ja auch noch. Vielleicht endet diese Geschichte dann, wie sie angefangen hat. Indem er schreibt:
«Eines schönen Morgens im ...»