Im Bann von Glurak, Pikachu und Co.
Christof Suter und Ize Halilovic aus Mettmenstetten bauen mit Anime-Sammelkarten ein Onlinegeschäft auf
Schulhöfe sind eine Durchreiche für Spielzeug-Trends: So manches Gadget taucht dort scheinbar aus dem Nichts auf, gilt dann für einige Wochen oder Monate als DAS Ding – und noch bevor es auf der weihnachtlichen Wunschliste des Durchschnittskinds notiert ist, ist es wieder out. So zumindest ging es in den späten 90er- und frühen Nullerjahren etwa dem Tamagotchi (ein Spielzeug-Ei mit Bildschirm), dem Furby (ein elektrobetriebenes Plüschtier) oder der Diddl-Maus. Anders lief es mit Pokémon: Die japanische Fantasy-Serie wurde damals auch in der Schweiz als Gameboy-Spiel verkauft und im Fernsehen ausgestrahlt. Rasch schlichen sich die Kreaturen reihenweise in die Herzen der Kinder und von dort in Form von Sammelkarten in ihre Hosentaschen.
Auch Christof Suter (33) und Ize Halilovic (32) aus Mettmenstetten waren Fans: Der Hype mit den Karten fiel mitten in ihre Schulzeit. «Ich habe die Serie im Fernsehen geschaut und bin notfalls nach Hause gerannt, um sie nicht zu verpassen», erinnert sich Ize Halilovic. Er sagt, die Charaktere, also die männliche Hauptfigur Ash und seine «Pokémon» genannten Fantasiewesen (abgeleitet von «Pocketmonster») haben ihn fasziniert. Christof Suter ging es ähnlich: Auch er beschäftigte sich in seiner Freizeit leidenschaftlich mit den japanischen Anime-Figuren, schaute die Serie, kaufte die Karten – und brachte sich so ganz unverhofft nützliches Wissen für sein Berufsleben bei, wie er heute lachend resümiert: «Den Satz des Pythagoras haben wir vergessen, aber die 151 Pokémon-Namen können wir noch immer auswendig aufzählen.»
Wie ein Lollipop für Erwachsene
Aus diesem Wissen haben die beiden Freunde nun ein Geschäft gemacht: Denn Pokémon ist bis heute populär und hält sich weltweit eine treue Fangemeinde. Die Schulkinder von damals sind inzwischen erwachsen und haben die finanziellen Mittel, um Geld auszugeben für Fanartikel. Etwa für Sammelkarten. Und zu sammeln gibt es immer etwas Neues, schliesslich haben sich auch die Pokémon-Figuren in den vergangenen Jahrzehnten weiterentwickelt und mit ihnen die Spielkarten. Diese sind nicht nur begehrt, ihr Wert ist in den vergangenen knapp 30 Jahren gestiegen: «Eine Box mit Pokémon-Karten, die in den 90er-Jahren 130 Franken kostete, ist heute bis 30 000 Franken wert», erklärt Ize Halilovic.
Auch er und Christof Suter sammeln die Karten bis heute. Der Moment, wenn das Päckchen aufgerissen ist und sich zeigt, welche Karten darin sind, hat für die beiden nichts an Magie eingebüsst. Und das Gefühl erst, wenn eine besonders seltene oder noch fehlende Karte darunter ist! Solche Momente seien «einfach genial», schwärmt Ize Halilovic, und Christof Suter sagt: «Es ist, wie wenn ein Kind einen Schleckstängel erhält.»
Als die beiden also im Dezember 2023 wieder einmal zusammensassen, sagte Christof Suter zu seinem Freund: «Wir kaufen ständig diese Karten ein. Weshalb verkaufen wir sie eigentlich nicht selbst?» Es war die inoffizielle Geburtsstunde von «Mr. Mali», ihrem eigenen Onlineshop. Einige Wochen später machten die beiden nämlich ernst, erledigten den nötigen Papierkram, um gemeinsam eine Firma zu gründen, und bereits im März trafen aus Japan die ersten Produkte ein. Im Frühling ging der Shop online.
Zu finden sind dort allerlei Pokémon-Fanartikel – von Plüschtieren bis zu Sammelkarten – aber nicht nur: «Mr. Mali» bietet auch Produkte aus anderen Serien wie etwa aus «Dragon Ball» oder «Yu-Gi-Oh!». Zudem gibt es im Shop auch eine Retro-Ecke: etwa mit Gameboys samt passenden Spielen oder Nintendo-Konsolen. Diese erstöbern die beiden auch mal an Flohmärkten, um sie in ihrem Lager in Mettmenstetten zu reparieren.
Zum Dank ein Kärtchen samt Bonbon
«Es läuft gut», bilanzieren die beiden Gründer. Zwischen 100 und 170 Besucherinnen und Besucher aus der ganzen Schweiz verzeichnen sie inzwischen täglich auf ihrer Website. Manche kaufen nur für wenige Franken ein, andere geben auch mal mehrere hundert Franken im Shop aus. Und sie alle erhalten im Päckchen ein handgeschriebenes Kärtchen und ein Dankeschön-Bonbon. Oder auch mal einen gratis Schlüsselanhänger oder ein paar Sticker zusätzlich. «Wir betreiben unseren Shop mit Liebe und möchten, dass unsere Kunden das spüren», sagt Christof Suter.
Noch arbeiten beide Vollzeit; Christof Suter im Aussendienst und Ize Halilovic im Bereich Logistik. Den Kartenshop betreiben sie nebenher in der Freizeit. Inzwischen sind auch andere Familienmitglieder eingespannt; Christof Suters Ehefrau hilft tagsüber mit dem Einpacken und mit dem Versand, und auch sein Vater bringt ab und zu eine Ladung zur Post, damit die Fans ihre Objekte der Begierde so rasch wie möglich in den Händen halten.
Mehr als 550 Bestellungen sind seit der Gründung von «Mr. Mali» eingegangen. Bald gehen die Dankeskarten aus. «Wir müssen dringend nachbestellen», sagt Christof Suter. So soll es schliesslich weitergehen.