In sechs Wochen leistete sie 120 unbezahlte Überstunden

Recherchen zu den Arbeitsbedingungen im Affoltemer «Prizeotel» zeigen Missstände auf

Die Arbeitsbedingungen in Hotels sind häufig sehr hart. (Symbolbild zvg)
Die Arbeitsbedingungen in Hotels sind häufig sehr hart. (Symbolbild zvg)

Neben dem Bahnhof Affoltern wurde im Juli das «Prizeotel» eröffnet. Es ist der Nachfolgebetrieb des «Holiday Inn», das bis Anfang 2021 Gäste beherbergt hatte. Dazwischen war das Gebäude während der Pandemie als Impfzentrum genutzt worden.
Das «Prizeotel» gehört zur internationalen Hotelkette Radisson. Betrieben wird es im Franchise-Modell, und zwar vom Luzerner Immobilienunternehmen Amanthos AG. Es bietet Zimmer im tieferen Preissegment und Sitzungs- oder Tagungsräume an. Im Säuliamt hat das neue Hotel in den ersten Betriebs­wochen positives Echo ausgelöst. Die Standortförderung Knonauer Amt etwa hat Ende September dort ihren «Immo-Zmorge» durchgeführt. Und der Arbeitgeberverband Bezirk Affoltern war in einer E-Mail an die Mitglieder voll des Lobes: «Das Hotel macht einen sehr guten Job», schwärmte der Präsident und teilte die Vorzugs-Konditionen mit, die der Verband für Unternehmer und ­Firmen aus der Region hatte aushandeln können.

Angelockt mit leeren Versprechen
Recherchen des «Anzeiger» lassen die Geschäftstätigkeit des «Prizeotel» nun in einem anderen Licht erscheinen. Sie geben Einblick ins Innere eines wenig strukturierten Betriebs, der es mit den Arbeitsbedingungen und dem Arbeitnehmerschutz zumindest einzelner Mitarbeitender nicht allzu eng nahm: Drei ehemalige Mitarbeiterinnen erheben gegen die Betreiber des «Prizeotel» teils erhebliche Vorwürfe. Zu ihrem Schutz werden ihre richtigen Namen nicht genannt. Ein grosser Teil ihrer Vorwürfe ist allerdings belegt. Mit Chat-Protokollen, Zeitabrechnungen, Verträgen oder anderen Dokumenten.

Alle drei Frauen sind nicht in der Schweiz aufgewachsen. Sie sind gut ausgebildet, haben im Ausland studiert. Doch der Einstieg in die Berufswelt hierzulande gestaltete sich schwierig: Sie sprechen entweder gar kein Deutsch oder nur einige Sätze. Im «Prizeotel» wurden sie ursprünglich im Bereich Housekeeping, also in der Zimmerreinigung angestellt. Gemeinsam ist ihnen, dass sie mit Versprechen nach fairen Arbeitsbedingungen angelockt wurden, die sich bald in Luft auflösten. 

Spesen aus eigener Tasche bezahlt
Alle drei Frauen erzählten gegenüber dem «Anzeiger», es habe im Hotel keine Schichtpläne gegeben. Zwei von ihnen sagten, nach den Ruhetagen, die ihnen gesetzlich zustehen, hätten sie fragen müssen. 
Alle drei Frauen wurden nach wenigen Wochen wieder entlassen. Einer wurde unter anderem «beharrliche ­Arbeitsverweigerung» vorgeworfen, nachdem sie den Arbeitsplatz verlassen hatte, um wegen Beschwerden zum Arzt zu gehen, wie sie sagt. Obwohl sie ein Zeugnis vorweisen konnte, wurde sie wenige Tage später fristlos entlassen. Eine andere wurde an der eigenen Haustüre dazu gedrängt, die Kündigung zu unterzeichnen, die jedoch nicht korrekt datiert war. Ob das Hotel die Mitarbeiterin tatsächlich noch während der Probezeit oder erst danach entlassen hat, ist strittig. Beide entlassenen Frauen haben bis heute nicht den vollen Lohn ausbezahlt erhalten.

Die dritte Frau schuftete von Mitte Juli bis Ende August sechs Wochen im «Prizeotel». Ihre Schichten dauerten häufig 11 bis 12 Stunden. Einmal arbeitete sie 16 Tage am Stück. Ihr Rapport  weist total 374 Arbeitsstunden aus. Insgesamt leistete sie während dieser Zeit 120 Überstunden. Weiter berappte die Frau zudem fast 700 Franken Spesen aus ihrer eigenen Tasche. Einmal  etwa für Bettlaken, von denen es offenbar zu wenige gab. Ein Arbeitsvertrag war der Frau mehrmals versprochen, aber nie ausgehändigt worden. Nach sechs Wochen waren ihre Dienste nicht länger erwünscht. Zunächst erhielt sie gar keinen Lohn, später nur einen Teil dessen, was ihr zustünde.

Was die Frauen während ihrer Zeit im "Prizeotel" erlebt haben, lesen Sie hier.