Von der traditionellen «Milchi» zum innovativen Käsespezialisten
Chäs Stöckli in Affoltern war und ist ein Spiegel der Gesellschaft
Stefan Stöckli stieg vor 43 Jahren in den Molkereibetrieb ein, der von seinen Eltern und seinem Bruder Hans geführt wurde. Bereits seine Kindheit war geprägt von Milchprodukten, deren Herstellung und Vertrieb. Seit über 60 Jahren, als Johann Stöckli mit seiner Frau Margrit vom luzernischen Schötz nach Affoltern zog, ist der Chäs Stöckli an der Zürichstrasse zu Hause. Damals gab es in Affoltern drei Molkereien.
Gern erzählt Stefan Stöckli aus seiner Kindheit, als die Milch von der Landwirtschaftlichen Schule mit Pferd und Wagen angeliefert wurde. Seine Eltern stellten täglich Butter, Joghurt, Quark, Käse, Pastmilch und Kaffeerahm her. Wer erinnert sich noch? Zum Kaffee gab es in Restaurants in kleine Schokolade-Becherchen abgefüllten, portionierten Kaffeerahm – literweise geliefert von Chäs Stöckli.
Auch am Sonntagmorgen war der Laden geöffnet, Kühe geben schliesslich jeden Tag Milch, und die muss verarbeitet werden. Margrit Stöckli schlug Rahm steif und die Kundschaft bezog frischen Schlagrahm für den Sonntagskaffee und Desserts. 2016 feierte Familie Stöckli das 60-Jahre-Firmenjubiläum mit einer besonderen Aktion: Die 10 Käsesorten, die zur Zeit der Gründung verkauft wurden, konnten zum Preis von 1956 erworben werden. 10 Sorten waren damals eine gute Auswahl. Heute sind es über 200 Sorten im Offenverkauf – Spiegel der Gesellschaft.
Tante-Emma-Laden
Was haben New York und Affoltern gemeinsam? Ein Flatiron Building, also ein Bügeleisengebäude. Im grünen Bügeleisenhaus beim Bahnhof Affoltern hatten damals Johann und Margrit Stöckli ihr erstes Chäs-Lädeli. In den 60-er und 70-er Jahren wurden im Laden nicht nur Milchprodukte verkauft. Neben Milchprodukten gab es Hundefutter, Strümpfe und Zahnpasta zu kaufen. Es war ein richtiger Tante-Emma-Laden. Und Milch wurde in die Haushalte ausgeliefert. Was sich KMUs oft wünschen: Die Söhne, Hans und Stefan, übernahmen nach der Pensionierung der Eltern den Chäs Stöckli.
Das Sortiment wurde von den Kundenwünschen mitbestimmt. Dies ist heute noch so und macht die Einzigartigkeit von Chäs Stöckli aus. Der persönlich geprägte Kundenkontakt von damals bewirkt auch heute noch grosse Kundentreue. Dieser Wert wird von der dritten Generation mit Michael Stöckli hochgehalten. Mit Tanja Stöckli, gelernte Detailhandelsangestellte, unterstützt ein weiteres Familienmitglied das neunköpfige Team.
Während sein Vater bei der Toni-Molkerei seine Berufslehre absolviert hatte, wählte Michael Stöckli zuerst den Beruf Elektroinstallateur EFZ. Vater und Sohn sind überzeugt, dass es wichtig ist, beruflich einen zweiten Pfeil im Köcher zu haben. Beispielsweise mit dem Umzug der Migros in die Nachbarschaft kamen berechtigterweise Existenzängste auf. Stefan Stöckli war vorbereitet, eine andere Erwerbstätigkeit auszuüben, er verfügt über den Fahrausweis Kategorie D, der erlaubt, Busse und Postautos zu fahren.
Die Aussage «Hinter jedem erfolgreichen Mann steckt eine starke Frau» stimmt auch für Familie Stöckli. Sowohl Margrit als auch Esther Stöckli lebten die traditionelle Rolle der Ehefrauen von KMU-Besitzern: eher bescheiden im Hintergrund, aber absolut kompetent und unersetzlich. Spiegel der Gesellschaft.
Sanfter Übergang
Stefan Stöckli erreicht bald das Pensionsalter. Den Übergang ins AHV-Alter gestaltet er sanft. Mit Stefan Troxler gewinnt Familie Stöckli einen würdigen Nachfolger, der mit Michael Stöckli gemeinsam die Geschicke des Unternehmens leiten wird. Bereits jetzt arbeitet der gelernte Elektromonteur nach 16 Jahren bei der Viscom Engineering AG und sieben Jahren Amstein+Walthert AG in Oerlikon mit 20 Stellenprozenten bei Chäs Stöckli mit und im Juni wird er vollzeitlich seinen Arbeitsplatz an der Zürichstrasse haben. Stefan Troxler ist seit Jahren eng mit Michael Stöckli befreundet, war dessen Trauzeuge und ist Pate des zweitjüngsten Stöckli-Sprosses. «So geht das Loslassen einfacher», strahlt Stefan Stöckli.
Was die beiden jungen Männer am Beruf schätzen? Unisono meinen Sie: «Das Probieren!» Insbesondere beim Optimieren der Abläufe und bei der fortschreitenden Digitalisierung will Stefan Troxler seine Kompetenzen einbringen. Michael Stöckli legt sein Augenmerk insbesondere auf die Qualität, es gilt nicht nur, rechtzeitig Käse zu bestellen, sondern diesen auch zu affinieren. Unter «Affinieren» versteht man grundsätzlich die fachkundige Pflege von Käse für dessen bestmögliches Heranreifen und das Vorgehen, dass der Käse in optimalem Reifegrad zum Kunden gelangt.
Saisonal
Chäs Stöckli hat besonders viel Arbeit im Winter, vor allem rund um die Festtage. Über 30 Raclettekäse-Sorten – stets aktualisiert – machen Entscheide beim Einkauf schwer. Man hat die Auswahl zwischen acht Fonduemischungen im Beutel oder fixfertig im «Chesseli», die immer frisch im Laden zubereitet werden. Online-Bestellungen zur Abholung im Laden sind möglich, sogar von Vorteil, wenn man viel Käse bestellen will. Spürt man auf dem Heimweg abends nach Ladenöffnungszeiten Lust auf ein sämiges Fondue, kein Problem: Die beliebte Hausmischung und das Träumli gibts fixfertig in verschiedenen Grössen im Fondue-Automat vor dem Geschäft. Spiegel der Gesellschaft.
Manche Kunden haben persönliche Vorlieben – wie das Stöckli-Team auch. Stefan Stöckli erzählt: «Ein Herr wünschte seinen Lieblingskäse nicht aus der gekühlten Theke. Nun wurde der Käse immer in einer Schublade für den Kunden bereitgehalten. Unter dem Namen Schubladenkäse hat er unterdessen weitere Fans gefunden und geht unter diesem Namen über die Theke.» Ein anderer Käse erhielt den Namen «Suchtkäse», denn eine Kundin behauptete, er mache süchtig.
Stefan Stöckli liebt den Aarewasser, seine Frau Le Montagnard. Michael Stöckli schwärmt für den Schwellbrunner Bergkäse, Tanja Stöckli mag den «Blüemlikäse» und Stefan Troxler den Schlossberger.
Im Winter herrscht Hochbetrieb im Laden, im Sommer können sich Stöcklis mehr Zeit für ihre Kundschaft nehmen. Der persönliche Kundenkontakt bereitet dem ganzen Team viel Freude, macht den Chäs Stöckli einzigartig und Stefan Stöckli erklärt: «Uns verbindet eine grosse Dankbarkeit mit unserer Stammkundschaft, die uns über viele Jahre die Treue hält.»