Die Geschichte des Postautos neu erforscht

«Neujahrsblatt 2025» der Gemeinnützigen Gesellschaft des Bezirks Affoltern

Zwei «Kraftwagen» der Postverwaltung werden in den frühen 1920er-Jahren am Bahnhof Affoltern nach Ankunft aus Bremgarten-Ottenbach und Sihlbrugg-Hausen entladen. Hier erfolgte der personalintensive Umlad der Postsendungen von der Bahn auf die Automobilpost. (Bild Ortsmuseum Affoltern)

Zwei «Kraftwagen» der Postverwaltung werden in den frühen 1920er-Jahren am Bahnhof Affoltern nach Ankunft aus Bremgarten-Ottenbach und Sihlbrugg-Hausen entladen. Hier erfolgte der personalintensive Umlad der Postsendungen von der Bahn auf die Automobilpost. (Bild Ortsmuseum Affoltern)

Am 1. Juli 1920 wurde ein langersehnter Traum wahr: Endlich konnte die erste Postautolinie mit drei auf ehemaligen Armeelastwagen aufgebauten Omnibussen eingeweiht werden. Die örtliche Prominenz hat sich in Hausen vor der Post versammelt. Von nun an verkehrten täglich drei Kurse zwischen Sihlbrugg und Bremgarten. (Bild Archiv Gemeinde Hausen)

Am 1. Juli 1920 wurde ein langersehnter Traum wahr: Endlich konnte die erste Postautolinie mit drei auf ehemaligen Armeelastwagen aufgebauten Omnibussen eingeweiht werden. Die örtliche Prominenz hat sich in Hausen vor der Post versammelt. Von nun an verkehrten täglich drei Kurse zwischen Sihlbrugg und Bremgarten. (Bild Archiv Gemeinde Hausen)

Zum Jubiläum eine bisher unbekannte Geschichte: Vor 200 Jahren wurde die Gemeinnützige Gesellschaft des Bezirks Affoltern (GGA) von Conrad Melchior Hirzel ins Leben gerufen. Zum Start in ihr Jubiläumsjahr publiziert sie nun ein besonders informatives «Neujahrsblatt», das die bisher weitgehend unbekannte Geschichte der Automobilpost im Säuliamt erzählt, deren Gründung sie damals auch mitgetragen hat. Fredi Räber, der sich seit Jahrzehnten mit der Thematik befasst, hat die spannende Geschichte erforscht, Erstaunliches zutage gefördert und das umfangreiche Werk ehrenamtlich niedergeschrieben und gestaltet.

Oft einzige Verbindung zur Aussenwelt

Wer heute im Knonauer Amt das Postauto benutzt, macht sich keine Gedanken darüber, was hartnäckige Pioniere und weitsichtige Vordenker dazu bewogen hat, eine Automobilpost einzurichten. Das Postauto scheint wie von selbst einfach da zu sein.

Am 1. Juli 1920 ist erstmals ein fahrplanmässiger «Kraftwagen der Oberpostdirektion» von Sihlbrugg via Affoltern nach Bremgarten gefahren. Das Buch versetzt die Leserschaft zurück in die Zeit vor und nach dem Ersten Weltkrieg. Seit 1864 gab es im Knonauer Amt zwar eine Bahnlinie, die aber fast unvorstellbare sechs Jahrzehnte lang ohne leistungsfähige Verknüpfung mit den abseits liegenden und somit wirtschaftlich benachteiligten Ortschaften blieb. Der Kontrast zwischen der Stadt mit ihren Tramlinien und weiten Teilen der Landschaft ohne Verkehrsmittel war gewaltig. In einem Kraftakt schlossen sich die Säuliämtler Gemeinden zusammen und erwirkten einen Vertrag mit der Post, um die Postkutschen endlich durch ein leistungsfähiges Verkehrsmittel zu ­ersetzen. Dank Gemeinsinn und ­Konsensfähigkeit gelang es, als Ersatz für langersehnte und nie verwirklichte Eisenbahnlinien die «Kursgruppe Affoltern» mit Remisen in Hausen und Bremgarten zu gründen. Schon ab 1930 wurden von lokalen Postautohaltern betriebene Zweiglinien geschaffen. Bis weit über den Zweiten Weltkrieg hinaus blieb das Postauto von nun an für die meisten Säuliämtler Dörfer die einzige Verbindung zur nächsten Bahnstation, zum Arbeitsort, zur Stadt, zum Markt, zur Aussenwelt.

Wirtschaftliche Bedeutung und kulturelle Einbettung

Das «Neujahrsblatt 2025» ruft in Erinnerung, dass unsere teilweise einzigartigen Postwagen noch meist in der Region konstruiert und hergestellt worden sind und bildet auch die jüngeren Epochen ab, in denen oft ganz neue Herausforderungen gemeistert werden mussten. Das Postauto war immer Teil unserer sich stets verändernden Arbeits-, Kultur- und Sozialgeschichte und entwickelte sich eingebettet in gesellschaftliche Veränderungen und abhängig von politischen Entscheidungen weiter. Seit den 1980er-Jahren hat sich das Liniennetz, von Kanton und Gemeinden gezielt gefördert, massiv weiterentwickelt. Unser Postauto hat sich vom einstigen Hoffnungsträger in eine Art Perpetuum Mobile verwandelt, einen scheinbar selbstverständlichen, tatsächlich aber unverzichtbaren Pulsgeber der modernen Mobilität.

Zum Schmökern, zum Schmunzeln, zum Nachschlagen

In 13 Kapiteln präsentiert Fredi Räber eine vielseitige, aber doch kompakte Gesamtschau, die unterhaltsam geschrieben und gestaltet ist. Grossformatige Bilder, ergänzt mit aktuellen Inputs oder anregenden Kommentaren, sorgen für Abwechslung, sodass sich das Werk trotz seiner inhaltlichen Fülle vorzüglich zum wiederholten Schmökern eignet und nicht unbedingt in einem Zug vom Anfang bis zum Ende gelesen werden muss. Hintergrundinformationen, anschauliche Grafiken und Tabellen ­erleichtern das Verständnis für Zusammenhänge und zeitliche Abfolgen. ­Genüsslich servierte Anekdoten und erheiternde Auszüge aus ersten Betriebsreglementen laden dazu ein, gewissen Unvollkommenheiten der heutigen Zeit gelassener und humorvoller zu begegnen.

Mehrdeutig widmet der Autor das Buch «denjenigen, die uns weiterbringen». Seien es die Schöpfer der ersten Postautolinien, sei es der heutige ZVV, sei es das Fahrpersonal: Unser öffentliches Verkehrsnetz ist ein Werk von vorausschauenden Mitbürgerinnen und Mitbürgern, denen wir letztlich die heutigen Selbstverständlichkeiten unserer Mobilität verdanken.

Neujahrsapéro der GGA: Archivperlen aus der Postautogeschichte

Die Gemeinnützige Gesellschaft des Bezirks Affoltern lädt am 2. Januar zum traditionellen Neujahrsapéro ein (Spital Affoltern, Haus Rigi, Melchior Hirzel-Weg 40) und bietet die Möglichkeit, Bekannte und Freunde aus der Region zu treffen und mit ihnen auf das neue Jahr anzustossen. Der Anlass beginnt um 16 Uhr mit Willkommensgrüssen des GGA-Vorstands und der Redaktionskommission. Der Autor wird die Gäste anschliessend anhand ausgesuchter Archiv- und Fotoperlen in anregenden Gedanken zu autopostalischen Zeitsprüngen verführen.

Die hochwertig gestaltete «Neujahrsblatt»-Jubiläumsausgabe – mit 112 Seiten wesentlich umfangreicher als sonst – wird für 30 Franken zum Kauf angeboten. Bisherige und künftige ­«Neujahrsblätter» kosten weiterhin 10 Franken. Wie immer kann auch das diesjährige «Neujahrsblatt» bei der Buchhandlung Scheidegger in Affoltern bezogen werden. Dort ist ausserdem am 5. Februar ein ausführlicheres, vertiefendes Referat des Autors geplant.

Redaktionskommission 
Gemeinnützige Gesellschaft Affoltern

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