Ein Ringen um komplexe Themen

Facettenreiche Podiumsdiskussion im Gemeindesaal Bonstetten

Moderator und Organisator Claude Wuillemin im Gespräch mit Nina Fehr Düsel (SVP). Rechts im Bild Jordi Serra, Rentenexperte beim VPOD.

Moderator und Organisator Claude Wuillemin im Gespräch mit Nina Fehr Düsel (SVP). Rechts im Bild Jordi Serra, Rentenexperte beim VPOD.

Die Podiums-Teilnehmenden in Bonstetten von links: Marc Bochsler (SVP), Jordi Serra (VPOD), Nina Fehr Düsel (SVP), 
Martin Haab (SVP) und Andreas Hasler (Pro Natura). (Bilder Marcus Weiss)

Die Podiums-Teilnehmenden in Bonstetten von links: Marc Bochsler (SVP), Jordi Serra (VPOD), Nina Fehr Düsel (SVP), Martin Haab (SVP) und Andreas Hasler (Pro Natura). (Bilder Marcus Weiss)

Es war eine Podiumsdiskussion mit ­konträren Standpunkten, zu der die SVP Sektion Bonstetten am letzten Donnerstag geladen hatte, dennoch, das erste Thema wurde allein aus Sicht der Partei beleuchtet. Es ging um die Abstimmungsvorlage vom 22. September über eine Änderung des Bildungsgesetzes ­betreffend Stipendien für vorläufig ­aufgenommene Ausländerinnen und Ausländer, gegen welches das Kantonsratsreferendum ergriffen wurde. «Es geht bei der Vorlage nicht um Bildung, denn diese möchten wir von der SVP natürlich», schickte Kantonsrat Marc Bochsler seinen Ausführungen voraus. In Wirklichkeit gehe es um die Finanzierung der Bildung von abgelehnten Asylbewerbern, und dies wolle seine Partei nicht mittragen, erklärte Bochsler. Er stellte die These in den Raum, dass von den 123 Millionen Menschen, die derzeit weltweit auf der Flucht sind, diejenigen, die wirklich an Leib und ­Leben bedroht seien, meist innerhalb des Heimatlandes oder in ein Nachbarland flüchten würden und nicht zu uns in die Schweiz. «Für uns sind diejenigen, die hierhin kommen, Wirtschaftsflüchtlinge», so der SVP-Politiker. Daneben kritisierte Bochsler, dass teilweise Entwicklungshilfe in Länder gezahlt werde, die sich weigerten, in der Schweiz ­abgewiesene eigene Staatsbürger zurückzunehmen. Eine Gegendarstellung oder Diskussion fand bei diesem ersten Traktandum nicht statt.

Das Dilemma Biodiversität versus Produktivität

Intensiv diskutiert wurde dagegen die Biodiversitäts-Vorlage, zu der die SVP Andreas Hasler von der Naturschutzorganisation Pro Natura als Vertreter des konträren Standpunktes geladen hatte. Hasler beschrieb die Bedeutung, die ­seine Organisation dem Thema zumisst, gleich im ersten Satz: «Die Biodiversität ist die Grundlage unseres Lebens, dies kann man auch daran erkennen, dass vier von fünf Kulturpflanzen in unserem Land auf Bestäubung angewiesen sind», mahnte der grünliberale Kantonsrat und Biologe. In diesem Fall spielten die einheimischen Wildbienen-Arten eine zentrale Rolle, deren Zahl bei 600 liege. Auch von den hundertfünfzig meist­verkauften Medikamenten hätten vier von fünf rein natürliche Inhaltsstoffe, ein prominentes Beispiel sei Aspirin. «Wir verlieren mit der Biodiversität also auch unsere Natur-Apotheke», so die eindringlichen Worte Haslers. SVP-Vertreter Martin Haab betonte, als Bauer liege ihm Biodiversität auch sehr am Herzen, aber dieser werde in der Landwirtschaft auch jetzt schon Rechnung getragen. So würden 30 Prozent der Nutzflächen für entsprechende Zwecke verwendet, das Gesetz sehe sieben Prozent vor. «Die Vorlage dreht sich aber nicht nur um Biodiversität, sondern auch um das Bauen innerhalb der Bauzonen. Die Wohnungsnot würde sich noch mehr verschärfen, weil weniger gebaut werden könnte», erklärte Haab. Es folgte eine längere ­Diskussion darüber, ob sich der Artenverlust verlangsamt habe oder aber ­ungebremst weitergehe. Um zu verdeutlichen, wie dramatisch sich die Situation für bestimmte Tierarten darstellt, nannte Andreas Hasler die Feldlerche, deren Population zwischen 1990 und 2017 auf unter 10 Prozent zurückgegangen sei. Martin Haab warnte derweil davon, dass die Nahrungsmittelproduktion sehr wohl unter der Ausweitung der Biodiversitätsflächen leide. «Wir werden in diesem klimatisch schwierigen Jahr auf 45 Prozent herunterfallen, mit der ­Initiative wären wir bald bei 40 Prozent», prognostizierte der Landwirt und Politiker. Mehr Nahrungsmittel-Importe aus anderen Ländern brächten der ­Umwelt nichts, denn dort sei Biodiversität teilweise gar kein Thema. Das kaum zu durchbrechende Dilemma bei diesem Thema ­wurde bei der Podiumsdiskussion ­offensichtlich.

Ist der Kompromiss bei der beruflichen Vorsorge fair?

Beim letzten Traktandum, der Reform der beruflichen Vorsorge, diskutierte SVP-Vertreterin Nina Fehr Düsel mit Jordi Serra, Geschäftsführer der Pensionskasse beim VPOD. Während Fehr Düsel für den nach ihren Worten sehr fairen Kompromiss warb, der zahlreiche Teilzeitbeschäftigte besser dastehen ­lasse als bisher, bezeichnete Serra die Reform als unausgegoren. Es wurden immer wieder Zahlen herumgereicht und Detailfragen kontrovers diskutiert, aber am Ende blieb manches nebulös. So etwa die Frage, ob eine Mehrheit der Arbeitnehmer, die ihren Lohn von mehreren Arbeitgebern erhalten, von der ­Reform profitieren würde. Klar besser dastehen würden gemäss Nina Fehr ­Düsel über 50-jährige Arbeitnehmende wegen der Plafonierung der Alters­beiträge. Wer unter dem Strich gewinnt oder verliert, wird wohl weiter für ­Gesprächsstoff sorgen.

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