Visitationen in Gemeinden enden nicht mehr mit einem Jass
Einblick in die Bezirksratsarbeit – kontrolliert wird mit einem Handbuch mit 27 Kapiteln
Die Beaufsichtigung von Gemeinden und öffentlich-rechtlichen Körperschaften ist eine Kernaufgabe des Bezirksrates. Er wird von Amtes wegen vom Statthalter präsidiert und besteht aus zwei weiteren Mitgliedern. In früheren Jahren endete die Visitation bei einer Gemeinde oft mit einem gemütlichen Jass, der bis in die Nachmittagsstunden dauerte. «Ja, das war einmal, das ist aber seit vielen Jahren nicht mehr so. Der Bezirksrat wird aber von der Gemeinde nach der Visitation jeweils zum Zmittag eingeladen, auf freiwilliger Basis», sagt Statthalter Claude Schmidt. Die politischen Gemeinden, die Schulgemeinden und öffentlich-rechtliche Körperschaften werden alle zwei Jahre visitiert – durchorganisiert und gemäss einem Visitationshandbuch, das 27 Kapitel umfasst.
«Verwaltungen leisten gute Arbeit»
Davon kommen pro Visitation jeweils fünf bis sieben Themen aufs Tapet: Einmal kann es die Kontrolle über das Friedhofs- und Bestattungswesen sein, die Einwohnerkontrolle, Cybersicherheit /Datenschutz oder ein anderes Mal die Gemeindearchive, Kindertagesstätten oder die Finanzen. Die Sozialhilfebehörden werden ebenfalls alle zwei Jahre visitiert. «Zu viert teilen wir uns auf und besuchen dann Abteilung für Abteilung – mit Frageformularen», erklärt Claude Schmidt. Es geht darum zu sehen, wie die Verwaltung arbeitet, ob die Arbeit bewältigt werden kann und diese gesetzlichen Vorgaben genügt. Der Visitation folgt die Schlussbesprechung mit dem Gemeindepräsidenten oder der Gemeindepräsidentin, dem Gemeindeschreiber oder der -schreiberin, manchmal mit dem gesamten Gemeinderat. Alles wird protokolliert mit einem Beschluss, wo allfällige Mängel und Empfehlungen aufgelistet sind. «In aller Regel gibt es keine oder wenige Beanstandungen; die Verwaltungen im Säuliamt leisten gute Arbeit», fügt Claude Schmidt hinzu, schiebt aber nach: «Natürlich finden wir immer mal etwas – zum Beispiel eine Bestattungs- und Friedhofsverordnung aus dem Jahr 2005, die einer Revision bedarf.» Der Behörde wird eine Frist gesetzt – oder der Bezirksrat fragt dann nach zwei Jahren wieder nach, ob der Mangel behoben ist. Liegt etwas Gravierendes vor, wird nach einem Jahr eine ausserordentliche Visitation durchgeführt – mit Anweisungen im kurzen Takt, wie im Falle eines Zweckverbandes, der – wie Flur- und Unterhaltsgenossenschaften und Rechnungsprüfungskommissionen, Fürsorgebehörden, Spitex und Heime – in die Zuständigkeit des Bezirksrates fällt. Dieser kann mit Anordnungen und Weisungen versuchen, Mängel zu beheben: Kontrollieren, bis es klappt. Aber er kann kein Personal entlassen oder Mandate entziehen. Theoretisch wären Ordnungsstrafen möglich. «Aber das machen wir nicht», so Claude Schmidt. Auch Zwangsverwaltungen sind möglich. Diese kommen aber selten vor. Letztmals war das in Ottenbach der Fall, als der damalige Gemeindepräsident als Sachwalter der reformierten Kirchgemeinde eingesetzt werden musste. Heute stehen die reformierten Kirchgemeinden unter Aufsicht der Bezirkskirchenpflege.
Anlaufstelle für Unzufriedene
Der Bezirksrat dient auch als Aufsichtsbeschwerdeinstanz für Bürgerinnen und Bürger. Ihre häufigsten Vorwürfe: Ich werde nicht ernst genommen, die Behörde unternimmt nichts, sie hat ihre Arbeit nicht sauber gemacht oder verweigert das Gespräch. Da sind bisweilen auch persönliche Animositäten im Spiel. «In solchen Fällen bitten wir die betroffene Behörde um eine Stellungnahme», sagt Claude Schmidt. Immer wieder werden Entscheide von Gemeinde und Schule, mit denen die einen oder anderen nicht einverstanden sind, mit Rekurs angefochten. Bei Stimmrechtsrekursen (Gemeindeversammlungen, Urnenabstimmungen) wird zum Beispiel bemängelt: falsche oder keine Infos, auch in Beleuchtenden Berichten; an der Gemeindeversammlung nicht korrekt über Anträge abgestimmt. Es kommt immer wieder vor, dass Bezirksratsbeschlüsse ans Verwaltungsgericht weitergezogen werden. «Ernsthaft bedroht worden sind wir noch nie, am Schalter beschimpft aber schon. Das muss man akzeptieren», so der Statthalter.
Keine personelle Aufstockung nötig
Der Bezirk Affoltern ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Eine grössere Bevölkerung generiert zwar mehr Arbeit, personell überfordert ist der Bezirksrat nach Schmidts Worten aber nicht. Neben ihm reichen die beiden Mitglieder (derzeit Ruth Früh und Rolf Kuhn) aus, um die Arbeit zu bewältigen, weil ja auch vieles durch Bezirksratsschreiberin Eliane Potratz vorbereitet wird. Bisweilen kann sich der Bezirksrat im Bedarfsfall Hilfe von einer ausserordentlichen Bezirksratsschreiberin oder eines -ratsschreibers aus dem Kanton holen. «Wenn schon, dann müsste man allenfalls die Pensen unserer beiden Bezirksräte erhöhen, die derzeit bei 13 beziehungsweise 15 Prozent liegen», erklärt Claude Schmidt.
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