Das Bezirksgericht als Theaterbühne
Renitenter Architekt wegen mehrfacher Drohung angeklagt
Als der 63-jährige Architekt aus dem Kanton Zug mit Rucksack, aber ohne Anwalt, das Bezirksgebäude in Affoltern betrat, begann auch schon seine Schimpftirade – erst recht, als er von zwei Kantonspolizisten gebeten wurde, den Rucksack zu öffnen. Nun, ihre Anwesenheit während der Verhandlung beruhigte sowohl das Gerichtspersonal als auch den Gerichtsreporter, der im Laufe seiner langjährigen Tätigkeit eine veritable Premiere erlebte. Denn man wähnte sich während rund einer halben Stunde eher in einem schlechten Theaterstück als in einer Gerichtsverhandlung.
Der Frust kam nach dem Kauf eines Betonmischers
Vorab aber, was dem Mann vorgeworfen wird: Gemäss Anklage hat er vor rund einem Jahr in einem Baumarkt in Affoltern zwei Angestellte nach dem Kauf eines Betonmischers massiv bedroht. Er werde vorbeikommen, dann seien aber alle tot, sagte er einer Mitarbeiterin, die er damit natürlich massiv in Angst versetzte. Er wiederholte seine Drohung: «Wenn Sie mich jetzt telefonisch verbinden, komme ich vorbei, dann sind Sie tot! Tot! Tooot!»
Kurz darauf rief er erneut an und beschimpfte eine andere Angestellte erneut massiv: «A ... löcher» und andere nicht zitierbare Ausdrücke soll er durch den Hörer posaunt haben. Und zu schlechter Letzt soll er gedroht haben, dass er wegen «dieser Scheissmaschine» den Baumarkt abfackeln werde.
Wegen mehrfacher Drohung und versuchter Nötigung beantragt die Staatsanwaltschaft eine bedingte Geldstrafe von 150 Tagessätzen à 100 Franken (15000 Franken) mit einer dreijährigen Bewährungsfrist sowie 3000 Franken Busse. Auch die Kosten von knapp 3000 Franken sollen zu seinen Lasten gehen.
Vor Gericht zeigte er sich schon bei der Befragung durch den Gerichtspräsidenten als renitent. Die Befragung lief immer wieder aus dem Ruder: «Warum fragen Sie? Sie haben ja alles schriftlich, herrgottstärnesiech namal» entrüstete er sich.
«Sie haben mich durch die ganze Schweiz gejagt»
Dem Vorsitzenden warf er vor: «Sie haben mich durch die ganze Schweiz gejagt, nun soll ich Ihnen noch die Beine küssen?» Er polemisierte gegen den ihn seinerzeit befragenden Polizisten, für ihn der Tschugger. Und die beiden im Gerichtssaal anwesenden Kapo-Leute titulierte er als «Trachtenverein». Er habe alles geschrieben und gesagt, und er müsse das jetzt nicht noch einmal wiederholen. Er wurde mehrfach sehr laut und erhob sich vom Stuhl. Die ausländischen Angestellten des Baumarktes hätten ihn gar nicht verstanden, aber schlecht beraten, ja gar provoziert. Niemals habe er diese bedroht, sicher nicht wegen einer Maschine für 250 Franken, sagte er und fragte nach einer Tonbandaufnahme im Rahmen der polizeilichen Einvernahme. «Wo sind diese Beweise? Diese fehlen hier vollständig», beteuerte er mehr als einmal, sprach von Stasi-Methoden und polizeilichem und staatsanwaltschaftlichem Machtmissbrauch – davon auch, dass hier gelogen und betrogen werde – mit Fangfragen und anderen «miesen Methoden». Dann wieder will er sich nicht mehr an die Telefonanrufe erinnern, räumte aber ein, wegen besagter Provokation durchs Personal «eventuell» ein unpassendes Wort verwendet zu haben. «Diese Anklage ist bireweich, die Leute haben einen Gehirnfehler, alles Rechtsverdreher», posaunte er in den Saal. Dem Vorsitzenden, dessen Geduld ziemlich strapaziert wurde, fiel er immer wieder ins Wort; drei Tage habe er für «diesen Mist» investieren müssen. Er werde das Urteil auf jeden Fall weiterziehen, kündigte der wütende Mann an und liess seine Faust mehrmals aufs Pult sausen. «Hooligans lässt man laufen, ich bin hier das Opfer», liess er den Vorsitzenden noch wissen. Bei der Befragung zu seiner Vorstrafe aus dem Jahr 2017 (pflichtwidriges Verhalten bei Unfall) für den damals ermittelnden Staatsanwalt nur ein Wort übrig: «Drecksack.»
Dann erhob sich der Mann. «Mein Zug fährt jetzt», sagte er barsch und lief aus der laufenden Verhandlung. Der Gerichtspräsident konnte ihm immerhin noch mitteilen, dass das Urteil nun schriftlich eröffnet werde.