«Schlafend» mit dem «Spurassistenten» gefahren

Bezirksgericht: 23-Jähriger wegen verschiedener Delikte verurteilt

Das Bezirksgericht Affoltern von aussen. (Archivbild Werner Schneiter)

Nach der Vorstellung des Verfahrensablaufs und aller Beteiligten meint der Schweizer Angeklagte auf die Frage des Gerichtspräsidenten Peter Frey, wie es ihm gehe: «Gut, noch gut.»

Tatsächlich werden ihm einige Delikte der letzten drei Jahre vorgeworfen und auch eine Vorstrafe, welche widerrufen (vollzogen) werden soll, da die neuen Delikte innerhalb der Probezeit von zwei Jahren stattgefunden haben: Bei einem «Beschleunigungstest» mit einem Boliden von 0 auf 140 km/h ausserorts wurde der Angeklagte von seinem Cousin gefilmt, um damit zu prahlen. Bei einer Überschreitung von +60 km/h (auf dem Film ist die Tachonadel zwischen 150 und 180 km/h sichtbar) liegt eine schwere Verkehrsverletzung vor mit einer erheblichen Gefahr für den Mitfahrer und Verkehrsteilnehmer. Dieser Film gilt als Beweismittel aus dem Handy des Cousins und ist rechtlich anerkannt.

Bei einem ebenfalls gefilmten Beschleunigungstest (mit einem anderen Boliden) von 97 km/h innerorts liegt derselbe Tatbestand nur ein Jahr später schon zum zweiten Mal vor.

Ein weiterer Film zeigt den Angeklagten im Islisbergtunnel am Steuer schlafend und auf die Seite gedreht, um zu beweisen, dass hier der «Spurassistent» am Werk sei. Seine Behauptung, er hätte aus dem Augenwinkel die Spur jederzeit sehen können, glauben nicht alle (das gilt als vorschriftswidrige ­Fahrweise).

Bei einem Abbiegemanöver, welches über einen Veloweg führt, hat der Angeschuldigte den Fahrradfahrer übersehen, der nur durch eine Notbremsung eine Kollision verhinderte. Mit der flachen Hand schlug der Geschockte auf die Windschutzscheibe, worauf der Angeklagte ausstieg und dem Fahrrad ­einen Schubs gab, darauf fielen Fahrer und Velo auf den Boden, das Fahrrad wurde beschädigt. Der Angeklagte hat sich später beim Fahrer entschuldigt und auch die Reparaturkosten dafür bezahlt. Dieser Privatkläger ist ebenfalls anwesend, obwohl für ihn die Sache längst erledigt ist, liegt hier eine «Tätlichkeit» vor, welche weiterhin in der Anklage verbleibt. Der Angeschuldigte ist selbstständig und Inhaber einer eigenen Firma. Er beschäftigt Angestellte und auch einige Male seinen kosovarischen Cousin (der «Filmregisseur»). Hier liegt eine Beschäftigung von Ausländern ohne Arbeitserlaubnis vor. Dies konnte aufgrund des Chats auch auf dem Handy nachgewiesen werden.

«Ich hatte den Kopf nicht eingeschaltet»

Der Angeklagte anerkennt seine Schuld in allen Punkten und erklärt sich diese Delikte seiner Jugend geschuldet. Mit Jahrgang 2001 hat er einen Reifeprozess gemacht, was ihm auch ein externes Gutachten bescheinigt. Sein auf unbestimmte Zeit entzogener Fahrausweis muss er nun mit allen Prüfungen wieder erlangen. Auch hat er dieses Jahr geheiratet, ist selbstständig erwerbend und hat sich von der «Bolidenszene» verabschiedet. Somit gibt es gute Voraussetzungen für eine bessere Zukunft. In den Plädoyers des Staatsanwalts als auch des amtlichen Verteidigers wird deswegen auf den Widerruf der Vorstrafe verzichtet zugunsten einer etwas längeren Probezeit.

Wie üblich, hat der Angeschuldigte jetzt das letzte Wort: Er entschuldigt sich beim Privatkläger und seinem Fehlverhalten im Verkehr. «Ich hatte den Kopf nicht eingeschaltet.»

Das Urteil nimmt zwar auf die Lebenssituation Rücksicht, muss jedoch auch die geltenden Normen der Strafen entsprechen. Wegen qualifiziert grober und mehrfacher Verletzung von Verkehrsregeln, Sachbeschädigung, wegen mehrfacher Beschäftigung von Ausländern ohne Bewilligung und Tätlichkeiten kassiert der Mann 18 Monate Freiheitsstrafe. Das liegt drei Monate unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Probezeit beträgt drei Jahre, die Busse 600 Franken. Dazu kommen eine widerrufene Vorstrafe von 900 Franken sowie Gerichtskosten und Gebühren – mit Ausnahme der amtlichen Verteidigung.

Urteil DG 230 004 vom 9. Juli 2024,

noch nicht rechtskräftig

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