Im Zentrum steht die Freude an der Schule

Co-Schulleiterin Simone Ruckli begleitet die lernenden Kinder individuell. (Bilder Regula Zellweger)

Co-Schulleiterin Simone Ruckli begleitet die lernenden Kinder individuell. (Bilder Regula Zellweger)

Die Wabenwand bietet Raum für einen Rückzug, zum Lesen, für Gespräche und zudem einen Überblick über eines der Klassenzimmer.

Die Wabenwand bietet Raum für einen Rückzug, zum Lesen, für Gespräche und zudem einen Überblick über eines der Klassenzimmer.

Arborana, die Schule für hochbegabte Kinder in Affoltern

Wie werden hochbegabte Kinder von normalbegabten unterschieden? Sie verfügen in einem Intelligenztest über ­einen Wert, den sogenannten IQ, von über 130. Der IQ bildet einen Indexwert, der bei 68 Prozent der Bevölkerung im Bereich von 85 bis 115 liegt. Der IQ wird aus verschiedenen Komponenten gebildet, die einzeln durch standardisierte Tests erfasst werden: Sprachverständnis, logisches Schlussfolgern, visuell-räumliches Denkvermögen, Arbeitsgedächtnis und Verarbeitungsgeschwindigkeit.

Psychologische Tests messen, was sie messen wollen – eine Binsenwahrheit. Ein hoher IQ garantiert aber weder beste Schulleistungen noch späteren Erfolg im Leben. Menschen sind viel komplexer, um solche Kurzschlüsse zuzulassen.

Schule für Hochbegabte

Simone Ruckli und Monika Wenzinger leiten die Schule für Kinder mit einer Hochbegabung in Affoltern. Hier lernen Kinder, die vor der Aufnahme in die Schule durch externe, professionelle Personen getestet wurden. Dazu gehört nicht nur ein klassischer IQ über 130. Zeigt das Kind im neurodiversen Spek­trum Auffälligkeiten, werden entsprechende Fachpersonen zur Abklärung beigezogen, ebenso bei Kindern mit ­einer ausgeprägt einseitigen Begabung. Denn beispielsweise Kinder mit Autismus, ADHS, Dyskalkulie, Legasthenie, Dyspraxie oder Synästhesie können durchaus hochbegabt sein.

Das Aufnahmeverfahren beinhaltet zudem ein Kennenlerngespräch zwischen den Eltern und der Schulleitung, eine Schnupperwoche und ein Auswertungsgespräch.

Simone Ruckli ist sich bewusst, dass ein bestimmter IQ-Wert eine Möglichkeit ist, Intelligenz zu messen. Sie schätzt aber zusätzlich die Theorie der multiplen Intelligenzen von Howard Gardner. Seine Kategorien werden in der Arborana mit dem Begriff «-schlau» leicht verständlich kommuniziert: wortschlau, musikschlau, zahlenschlau, zeichnungsschlau, körperschlau, naturschlau, selbstschlau, menschenschlau und weltschlau. Beispielsweise «selbstschlau» wird gezielt mit angeleiteter Selbstwahrnehmung und Selbsterfahrungen gefördert, «menschenschlau» bedeutet, Kindern Fokus auf die Sozialkompetenzen zu legen, und «weltschlau» meint die Offenheit für grössere Zusammenhänge und das Interesse am Geschehen rundherum.

Generell gilt für die Schule: «Wir begleiten Kinder mit ausgewiesenem kognitivem Potenzial auf dem Weg hin zu einer harmonischen Gesamtpersönlichkeit. Der Weg zu einem selbstverantwortlichen, selbstbewussten und eigenständigen Lernen steht im Zen­trum. Wir arbeiten und lernen mit-, für- und voneinander.»

Lehrplan 21 und Prüfungen

Zurzeit besuchen 17 Kinder von der ersten bis zur sechsten Primarklasse die Schule für hochbegabte Kinder. Zwei Personen leiten die Schule und unterrichten gleichzeitig. Drei diplomierte Lehrpersonen, eine Lehrperson in Ausbildung, ein Praktikant und eine Fachperson für Musik arbeiten in Teilzeit, alle zusammen insgesamt mit rund 250 Stellenprozenten.

Die Schule startete 2023, beim ersten Übertritt von der Primar- auf die Sekundarschulstufe von drei Schülern wechselten zwei ins Gymnasium, einer in eine zweisprachige Sekundarschule. Es werden im Schulalltag Prüfungen durchgeführt, der Lehrplan 21 ist verbindlich. Die expliziten Stärken der Kinder werden gestärkt. Simone Ruckli erklärt: «Egal ob hochbegabt, Kinder sind individuelle Persönlichkeiten mit unterschiedlichen Bedürfnissen. Kinder mit einer Hochbegabung können sich durchaus in der Regelschule wohlfühlen. Sie haben sich Anpassungsstrategien angeeignet und können eigene Bedürfnisse zurücknehmen. Sie haben Taktiken entwickelt, wie sie mit Momenten, in denen sie sich langweilen, konstruktiv umgehen.» Sie sieht, vor welche Herausforderungen die Volksschullehrpersonen mit grossen, heterogenen Klassen gestellt sind.

Familiäre Schule

In der Arborana wird oft in Gruppen gearbeitet. Aufgrund des Wegfallens von längeren Phasen des Repetierens und Automatisierens steht vermehrt Zeit für Sonderförderung und Zusatzangebote zur Verfügung. Monika Wenzinger, die über 30 Jahre Erfahrung als Lehrperson auf Primar- und Sekundarstufe hat, erklärt: «Begabungsperlen sind zentraler Bestandteil unseres päda­gogischen Denkens und Handelns, ob als fixe Zeitgefässe im Stundenplan oder einzeln mosaikartig eingeplant.» Damit meint sie beispielsweise das sogenannte Mentorat. Dabei werden Fachpersonen mit Spezialwissen und -können eingeladen, um mit den Kindern Workshops durchzuführen. Im Moment arbeitet beispielsweise eine Theaterpädagogin mit einer Gruppe. Künstler oder Spitzensportler vermittelten bereits Erfahrungen aus ihrem Berufsalltag, und zwei Wirtschaftsfachleute liessen die Schüler eine eigene Firma gründen. Auch Eltern übernehmen solche Mentorate und bieten den Kindern einen Einblick in ihr Berufsleben. So brachte beispielsweise ein Vater den interessierten Kindern KI näher.

Der Name Arborana kommt vom lateinischen Wort Baum, Arbor. Der Baum wächst nach seinem inneren Plan, in seinem eigenen Tempo, er verästelt sich, hat seinen Rhythmus, profitiert von einem wachstumsfördernden Boden und genügend Platz zum Wachsen – unsichtbar unter und sichtbar oberhalb der Erde. Dies entspricht der Philosophie der Schule – wohlwissend, dass An-den-Ästen-Ziehen kein erhöhtes Wachstum bringt.

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