„Es ist erstaunlich, wie wenig die Leute über die Windradpläne wissen“

Neuer Verein möchte Bevölkerung bei der Formulierung von Einwendungen unterstützen

Das Team von Gegen-Wind Knonaueramt hat unter anderem 11000 Flyer drucken und durch Freiwillige verteilen lassen (von links): Verena Berger (Co-Präsidentin), Beat Berger (Rechnungsführer) und Erika Schäfer (Co-Präsidentin). (Bild Marcus Weiss)

Der Tisch im lichtdurchfluteten Wohnzimmer eines Wettswiler Einfamilienhauses ist mit Unterlagen übersät, drei Personen sitzen mit konzentrierter Miene in einer Runde und besprechen, welche Punkte als Nächstes abgearbeitet werden sollen. Wenige Tage erst ist es her, seit Verena und Beat Berger, in deren Zuhause wir uns befinden, zusammen mit Erika Schäfer ein 84-Seiten-Dokument an die Baudirektion des Kantons Zürich gesendet haben. Es ist die Einwendung des Vereins Gegen-Wind Knonaueramt gegen die im Richtplan festgesetzten Windenergie-Standorte in der Region. «Wir haben diesen Verein am 14. August dieses Jahres gegründet, also kurz nach der Festsetzung der Windenergie-Eignungsgebiete durch den Kanton Zürich», erklärt Beat Berger, der innerhalb des Vorstandstrios nebst der Schreibarbeit auch für die finanziellen Aspekte zuständig ist.

Gespräche mit Passanten zeigten, dass Pläne weitherum unbekannt sind

Wie aber kam es dazu, dass diese drei Privatpersonen innerhalb einer bemerkenswert kurzen Zeitspanne einen Verein mitsamt zugehörigem Internetauftritt auf die Beine gestellt, Mitstreiter gesucht und parallel auch noch eine so umfangreiche Einwendung ausgearbeitet haben? «Es klingt unglaublich, aber wir sind quasi zeitgleich unabhängig voneinander auf diese Idee gekommen», berichtet Erika Schäfer. Sie habe Leute auf der Strasse darauf angesprochen, ob sie wüssten, dass im Knonauer Amt die Errichtung von 220 Meter hohen Windkraftanlagen vorgesehen sei, und kam dabei zum Schluss, dass erstaunlich viele Einwohnerinnen und Einwohner der Region keine Kenntnis von diesen Plänen hätten. «Von etwa fünfzehn Personen, die ich gefragt habe, ob sie Bescheid wüssten, haben nur etwa zwei mit ‹Ja› geantwortet, und fast alle meinten umgehend, dass man so etwas nicht wolle im Knonauer Amt.» Es habe sich also förmlich aufgedrängt, etwas zu tun und dieser «schweigenden Mehrheit» eine Stimme zu geben, so die Co-Vereinsgründerin.

Nach ihren Erfahrungen mit der Strassenumfrage drängte es sich für Erika Schäfer förmlich auf, etwas gegen die Windräder zu unternehmen. In der Folge habe sie Kontakt aufgenommen mit Verena Berger, die unter anderem bereits mit ihrem Engagement gegen 5G-Antennen in Wettswil von sich reden gemacht hatte. Schnell sei man sich einig darüber gewesen, an einem Strang zu ziehen und miteinander eine Vereinsgründung vorzubereiten. «Es ist nicht kompliziert, einen Verein zu gründen, es braucht dazu bloss drei Personen, die Ausarbeitung von Statuten sowie ein Gründungsprotokoll», erklärt Beat Berger. Sobald der Verein offiziell ins Leben gerufen war, habe die Devise gelautet, so schnell wie möglich mit dem zugehörigen Internetauftritt online zu gehen und auf der Website Muster-Einwendungen für die Bevölkerung zur Verfügung zu stellen. «Es musste dies alles unter grossem Zeitdruck geschehen, schliesslich läuft die Frist für Einwendungen am 31. Oktober dieses Jahres ab.» Bis heute seien beim Verein bereits weit über 100 Anfragen für dessen Muster-Einwendung eingegangen.

Die grosse Sorge um Landschaft und Lebensraum von Pflanzen und Tieren

«Wir finden, dass die an die Kantone delegierte Aufgabe des Bundes zur Produktion von Windenergie vom Zürcher Regierungsrat ‹übererfüllt› werden will, um unseren Kanton als vorbildlich bei der Umsetzung der Energiewende dastehen zu lassen», formuliert Verena ­Berger den Eindruck, den die Vereinsgründer bekommen hätten. Obwohl das Knonauer Amt sehr windarm sei, werden nun die Landschaft und der Naherholungsraum geopfert und bisher hochgehaltene Grundsätze des Naturschutzes zugunsten der Produktion von ­erneuerbarer Energie beiseitegeschoben. «Der grösste Faktor für uns ist, dass die 21 Anlagen allesamt in sensiblen Gebieten wie dem Wald, geschützten Biotopen oder Wildtiervernetzungsachsen gebaut werden sollen, dabei wird es unserer Meinung nach auch zu einer massiven Störung von natürlichen ­Lebensräumen von Tieren und Pflanzen kommen», so ihr Resümee.

Erika Schäfer zeigt auf eine Karte, welche die Konfliktpunkte verdeutlichen soll, dabei sind ihre Emotionen unschwer am Gesichtsausdruck ­abzulesen. Besonders betroffen seien Greifvögel, Zug- und Brutvögel sowie Fledermäuse. Die drei Vereinsgründer betonen, dass ihre Recherchen allesamt auf offiziellen Angaben basierten, die von Bund und Kanton stammen. «Wir haben uns das alles nicht aus den ­Fingern gesogen, und wir wundern uns echt darüber, dass die verschiedenen Bundes- und Kantonsstellen so viele ­Konfliktpunkte nicht erkannt oder viel zu wenig gewürdigt haben.» Exemplarisch träten die Versäumnisse etwa auf dem Hügel Birch zwischen Bonstetten und Hedingen zutage, wo ihrem Eindruck nach für die Behörden das dortige Trinkwasserschutzgebiet kaum mehr eine Rolle spiele, wenn es um die ­Planung von Windkraftanlagen gehe. Inwieweit wären denn die Vereinsgründer in ihrem persönlichen Lebensumfeld von potenziellen Windenergie-Standorten betroffen? Verena Berger nimmt ein Foto zur Hand, das in der Nähe ihres Hauses von einer Drohne aufgenommen und mit massstabsgetreuen Visualisierungen der geplanten Windkraftanlagen in der Umgebung ergänzt wurde. «Wäre unser Garten nicht so dicht bewachsen, würden wir von Westen bis Süden elf Windräder an vier Standorten sehen, sogar jene im relativ weit entfernt ­liegenden Gebiet Chüewald bei Aesch ZH», lautet die Antwort.

«Es zeigten sich noch mehr Problembereiche als vermutet»

In die Ausformulierung ihrer auf 84 Seiten niedergeschriebenen Einwendungen haben die Gründer des Vereins «Gegen-Wind Knonaueramt» nach eigenen ­Angaben unzählige Freizeitstunden ­investiert. «Wir waren während sechs Wochen etwa acht Stunden pro Tag beschäftigt, inklusive Wochenenden», blickt Beat Berger zurück, während seine Frau gerade mit einem dicken Papierstapel in der Hand an den Tisch zurückkehrt. Es handle sich um ausgedruckte Unterlagen des Bundes, des Kantons und vieler eigener Recherchen, die sie in ­dieser Phase minutiös durchgearbeitet hätten. «Ein zeitlicher Einsatz in diesem Ausmass war nur möglich, weil alle ­Beteiligten bereits pensioniert sind», bemerken die Anwesenden. Fachliche Unterstützung beim Aufspüren der «wunden Punkte» in den Unterlagen zur Festlegung der Eignungsgebiete hätten sie sich unter anderem bei der Naturwaldstiftung IGWoW, der Stiftung Fledermausschutz und bei Freie Landschaft Zürich geholt. «Es offenbarten sich noch viel mehr Problembereiche, als wir selbst zunächst vermutet hatten», so ihr Fazit.

Beruflich haben sie verschiedene Hintergründe. Was sie eine, sei die Liebe zu Natur und Landschaft, die sie unbedingt bewahren wollten. Auf die Frage, ob sie grundsätzlich gegen die Windenergie seien, sind sich alle drei einig, dass Windkraftanlagen keinesfalls in die wenigen im Kanton verbliebenen Naturlandschaften und Naherholungsgebiete gebaut werden dürften. Deutlich zu spüren sind die Vorbehalte, die man in der Runde gegen gewisse, gemäss Angaben des Vereins in Windrädern verbauten Stoffe hat. Doch wie steht es mit persönlichen Begegnungen mit derartigen Anlagen, die ihnen nun keine Ruhe mehr lassen? «Wir kennen Windkraftanlagen aus eigener Anschauung, auf unseren Reisen in den Süden Frankreichs, nach Andalusien oder auf die Insel Kefalonia in Griechenland haben wir verschiedene Beispiele gesehen», antwortet Beat Berger. Gerade deshalb kämpfe man nun dafür, dass hier nicht dieselben Probleme entstünden, wie sie ihnen zum Teil schon in den erwähnten Gegenden von Einheimischen geschildert worden seien.

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