Selbstregulierung als Schlüssel
Wenn Kinder ihr Verhalten regulieren können, haben sie bestmögliche Voraussetzungen, motivierte, erfolgreiche Erwachsene zu werden. Im Referat zur Erziehung in der Konsumgesellschaft erfuhren Eltern, wie sie die Selbstregulierung stärken können und welche Stolpersteine immer wieder im Weg stehen.
Die Pädagogin und Elternbildnerin Christelle Schläpfer sprach in ihrem Inputreferat am Elternbildungsmorgen in der Wettswiler Schulanlage Aegerten zum Thema Erziehen in einer Konsumgesellschaft. Zu Beginn nahm sie auf, welche Schlagworte den anwesenden Eltern zum Thema Konsum einfielen: «Kauf – Genuss – Geschenke – Geld – Sucht – Sinneseindrücke, auch durch Medien – Gruppendruck – Überfluss – Freude – Enttäuschung – Belohnung – Verzicht. Kinder müssen lernen, Dinge wertzuschätzen. Die Kinder spiegeln auch das eigene Verhalten, was den Umgang mit Konsum sehr herausfordernd macht. Wir wollen nachhaltig agieren, leben aber in einer Konsumgesellschaft; deshalb sind wir häufig ambivalente Vorbilder. Kinder haben oft Abwehrreaktionen, wenn Eltern etwas gebraucht kaufen wollen. Konsum wird oft als Wiedergutmachung eingesetzt, wenn wir zu wenig Zeit haben.»
Vernachlässigen und verwöhnen
Christelle Schläpfer: «Beim Thema Konsum heisst das Zauberwort Selbstregulierung. Denn unser Wohlstand ist auch eine grosse Herausforderung. Das hängt auch mit der omnipräsenten Werbung zusammen, die zielgerichtet auf unsere Kinder zugeschnitten ist. Wir gehen nicht mehr zum Angebot, sondern das Angebot kommt zu uns – marken- und statusorientiert. Damit hängt auch zusammen, dass Verwöhnung und Vernachlässigung zwei Seiten derselben Medaille sind.»
Ausgrenzung oder Cybermobbing
Eine spezielle Herausforderung für Eltern in der heutigen Konsumgesellschaft sei, dass Kinder immer Beispiele finden, dass «die Anderen etwas auch haben». Es könne passieren, dass Kinder ausgegrenzt werden, wenn sie beispielsweise kein Handy haben. Oft werde dabei vernachlässigt, dass Whatsapp erst ab 16 Jahren genutzt werden dürfe, Instagram, Facebook und andere soziale Medien erst ab 13 Jahren. Christelle Schläpfer: «Je mehr Eltern nachgeben, desto schwieriger wird es für die anderen Eltern. Kinder werden jedoch nicht öfter ausgegrenzt, wenn sie etwas nicht haben. Nehmen wir das Beispiel Whatsapp, wo die Nutzung sehr eng begleitet werden muss. Es kann zum Abmachen genutzt werden, jedoch auch für Cybermobbing. Wobei die Nachteile einer unkontrollierten Nutzung oft überwiegen.»
Es kann auch falsch gelobt werden
Zentral sei es, dass Eltern mit den Kindern am Selbstwert arbeiten, dass sie sich von den Eltern bedingungslos angenommen und geliebt fühlen, egal wie sie sich verhalten. Selbstwert sei nicht mit Selbstvertrauen zu verwechseln, welches durch Lob und Erfolg gestärkt wird. Ganz wichtig sei es dabei, dass Kinder für Alltägliches nicht belohnt würden. Denn äussere Belohnung führe zur Verdrängung der inneren Belohnung – dies gelte übrigens auch für Boni bei Managern. Wer etwas für eine äussere Belohnung mache, sei erwiesenermassen weniger lang motiviert. Christelle Schläpfer: «Erfolg führt im Körper zu Dopaminausstoss, der die Motivation steigert, was wieder zu Erfolg führt. Wenn wir die Kinder für Alltägliches wie Hausaufgaben oder Zeugnisse belohnen, hemmen wir den durch den Erfolg hervorgerufenen Dopaminausstoss, was die Motivation schwächt und im Endeffekt Konsum fördert. Dies gilt auch für Lob. Wir sollten dem Kind primär sagen, dass es stolz auf sich sein kann und nicht, dass wir stolz auf es sind. Dadurch wird die Motivation gestärkt, sich selber etwas zu beweisen, und nicht den Lobenden und damit die innere Motivation.»
Kinder brauchen Grenzen
Wenn Eltern durch nachhaltige Erziehung die Selbstregulierung der Kinder stärken, führt dies zu erhöhter Frusttoleranz, besserer Impulskontrolle, Sozialkompetenz, besserem Zeitmanagement, mehr Kreativität und Reflexionsfähigkeit. Nur wer den Kindern liebevoll Grenzen setze, unterstütze das Kind optimal in seiner Selbstregulierung. Das Gehirn sei erst mit über 20 Jahren ausgewachsen. Die Stärkung der Selbstregulierung sei deshalb kein Sprint, sondern ein Marathon. Christelle Schläpfer: «Viel ist aber auch Charakterfrage. Es gibt Kinder mit einer stärkeren Veranlagung zum Sparen und andere geben sich schneller dem Genuss hin. Für diese Kinder ist es besonders wichtig, dass sie sparen lernen – beispielsweise mit einem Sparschwein. Wenn die Kinder einen Beitrag zu Anschaffungen leisten müssen, lernen sie beispielsweise, dass alles seinen Preis hat. Dieses Geld kommt von Geburtstagsgeschenken oder vom Taschengeld. Für die Ämtli und Hausarbeiten soll im Haushalt niemand bezahlt werden, auch die Kinder nicht.»
Mediennutzung statt Medienkonsum
Für Kinder sei es heute insbesondere wichtig, dass sie einen gesunden Umgang mit Medien lernen. Medien sollen genutzt, aber nicht konsumiert werden. Der zentrale Mechanismus dabei sei, dass Medien nicht zur Belohnung oder Bestrafung eingesetzt werden. «Denn damit wird dem Medium noch mehr Wichtigkeit zugeschrieben. Die Mediennutzung wird mit dem Kind vereinbart und es werden Konsequenzen vereinbart, wenn das Kind sich nicht an die Abmachung hält. Wenn das Kind sich nicht an die Abmachung hält, hat es sich beispielsweise entschieden, 24 Stunden auf Medien zu verzichten», erläuterte Christelle Schläpfer. Die Abmachungen zum Medienkonsum seien mit viel Achtsamkeit zu treffen. Für gewisse Medien sei eine abgemachte Zeit sinnvoll, für andere Medien eine Sendung. Wenn das Kind dann frustriert sei, müsse die Abmachung durchgesetzt und dabei Verständnis für den Frust des Kindes gezeigt werden. Denn so lerne das Kind am besten, sich selber zu regulieren.
Beliebter Elternbildungsmorgen
Der Elternbildungsmorgen der Primarschulen Bonstetten, Stallikon und Wettswil und der Sek Bonstetten-Wettswil bot neben spannenden Inputreferaten auch viel Zeit für den Austausch der Eltern unter einander. Diese Gelegenheit wurde von den Eltern rege genutzt. Sie tauschten sich über die verschiedenen Referate aus und reflektierten den eigenen Umgang mit ihren Kindern. Die Elternräte der Unterämtler Gemeinden organisierten zahlreiche Referate, bei denen es primär um den Mikrokosmos Familie ging und wie die Ressourcen des Systems Familie gestärkt werden können. Eltern sollen Neues lernen, um die oft herausfordernden Situationen des Alltags besser meistern zu können.
120 Eltern nahmen am Anlass teil und mehr als 20 Kinder wurden in der Kinderhüeti betreut, damit sich die Eltern voll auf die angebotenen Referate konzentrieren konnten. Die anschliessende Umfrage unter den Eltern zeigte, dass die Vorträge hervorragend angekommen sind und das Angebot auf viel Zuspruch stiess. Zudem konnten die Eltern Wünsche anbringen, zu welchen Themen sie im kommenden Jahr Inputreferate besuchen wollten.