Verkehrslotsen für Amphibien in Hedingen
Seit Mittwoch sind Freiwillige gut organisiert für Frösche, Kröten, Molche und Feuersalamander im Einsatz. Entscheidend für den Start der Amphibienwanderung sind die Temperatur in der Nacht und die Feuchtigkeit.
Abby Yee kommt aus Mexico City und wohnt jetzt mit ihrem Partner Kaj Owen in Hedingen. Es ist ihr ein Anliegen, hier Menschen kennen zu lernen und sich zu integrieren. So meldete sie sich bei Regula Schmidt, welche die Verkehrslotsen-Aktion für Amphibien organisiert. Am vergangenen Mittwoch erhielt sie abends um neun eine Einführung von Regula Schmidt und ihrem Mann Urs Bircher. Und entdeckte als Erste einen Molch auf der Strasse. Die Laichzüge bergen vielerlei Gefahren, überfahrene Amphibien auf Strassen sind dafür ein sichtbares Zeichen. Zäune sind eine einfach ausführbare Sofortmassnahme, aber damit ist es nicht getan. Die Tiere wollen über die Strasse zu ihren Laichgewässern gelangen. Deshalb braucht es Personen, die ihnen dabei helfen.
Verantwortungsbewusste Organisation
Die rund 25 freiwilligen Helfer kommen während etwa sieben Wochen in drei Schichten zum Einsatz. Die einzelnen Helfer investieren einen bis zwei Abende oder Morgen pro Woche in den Amphibienschutz. Die Gemeinde hat an der Frohmoosstrasse bereits die Amphibienzäune eingerichtet und Vertiefungen im Boden mit Eimern und Deckeln bestückt. Regula Schmidt lobt die Zusammenarbeit mit der Gemeinde.
Abby Yee leuchtet mit einer Taschenlampe und trägt eine Warnweste. Die Sicherheit der Helfer hat oberste Priorität. Helfer dürfen nur zu zweit unterwegs sein, eine Person arbeitet, die andere ist für die Sicherheit zuständig. Bereits um 17 Uhr waren von der ersten Abendschicht die Deckel von den Eimern hinter dem Zaun entfernt worden. Die zweite Schicht startet um 21 Uhr. Regula Schmidt zeigt Abby Yee, wie sie erst das Protokollblatt ausfüllen muss: «Zuerst die Lufttemperatur messen.» Mit rund sechs Grad war der Abend relativ warm. Und schon entdeckt Abby Yee den dicken Bergmolch auf der Strasse und nimmt ihn sachte auf. Er ist noch unbeweglich, scheint aber gesund zu sein. Er wird in den Eimer gelegt – und einige Zeit später beim Weiher in die Freiheit im Wasser entlassen.
Beeindruckende Zahlen
Nun schreitet die kleine Gruppe langsam die Frohmoosstrasse hinauf und sucht auf der Strasse und entlang dem Zaun. Leider findet sich noch kein Tier in einem der Eimer. Im Verlauf des Spaziergangs erläutern die beiden Biologen Abby Yee Wissenswertes zu den Tieren und den Schutzmassnahmen: «Amphibien verbringen nicht ihr ganzes Leben im Wasser, den grössten Teil leben sie ausserhalb von Gewässern. In Hedingen überwintern sie auf der einen Seite der Frohmoosstrasse mehrheitlich im Waldgebiet und wandern im zeitigen Frühjahr zur Paarungszeit zu den Gerhauweihern. Spätestens dort werden die Tiere gezählt und das Ergebnis wird protokolliert. 2021 wurden 4005 Tiere protokolliert, 20 Prozent weniger als im Vorjahr. 46 Prozent waren Grasfrösche, 43 Prozent Erdkröten und 11 Prozent Bergmolche. Je neun Feuersalamander und Fadenmolche wurden gefunden. Während der letzten Jahre trockneten die Weiher aus, bevor die Kaulquappen sich fertig entwickeln konnten. Deshalb wurden zwei der drei Weiher saniert und mit einer Folie gegen den Wasserverlust geschützt.»
Helfen macht Freude
Wie sich Amphibien auf ihren Wanderungen orientieren, ist nur teilweise geklärt. Es gibt Arten, die eine stärkere Bindung an ihr Geburtsgewässer zeigen und solche wie die Pionierarten, die etwas flexibler sind und auch vom Angebot von neu entstandenen oder geschaffenen Laichgewässern profitieren, weil hier der Feinddruck auf die Larven am geringsten ausfällt. Zielgenau erreichen sie ihr Laichgewässer auch über grössere Distanzen, so hat man zum Beispiel bei markierten Erdkrötenweibchen Tiere gefunden, die bis zu fünf Kilometer weit gewandert sind.
Bei idealen Wetterbedingungen kommt es manchmal zu Super-Abenden mit über tausend gesammelten Tieren. «Da kann es schon mal spät werden», lacht Regula Schmidt. Es gibt immer auch lustige Momente beim Einsammeln der Tiere. Auf den Rücken von Weibchen klammern sich paarungsbereite Männchen und lassen sich zum Teich tragen. Zumeist befinden sich die Männchen in der Überzahl, weil die Weibchen nur alle zwei bis drei Jahre zum Laichen erscheinen. Der Umklammerungsreflex ist bei den Männchen in der Paarungszeit stark ausgeprägt, sodass sie ziemlich alles umfassen, was sich bewegt.
Gefahrvolle Wanderung
Todesgefahr lauert nicht nur von Autos und Fussgängern. Fressfeinde nutzen die Gelegenheit. Deshalb werden die Eimer über den Tag geschlossen, man will beispielsweise den Feinden die Amphibien nicht quasi auf dem silbernen Tablett servieren. Zudem sind die Eimer auch Fallen für Kleinsäugetiere wie Mäuse.
Problematisch für Amphibien und viele weitere Kleintiere sind Schächte aller Art, in welche die Tiere stürzen können. Hohe Randsteine wirken für die Tiere wie ein Leitsystem, direkt auf einen Gully zu. Zudem suchen Amphibien Schutz in der feuchten Kühle – wo sie aber keine Nahrung finden und in die ARA geschwemmt werden. Was tödlich endet, wenn keine Ausstiegshilfen positioniert sind. Urs Bircher hob deshalb auch den Gullydeckel an und kontrollierte das schwarze Netz, eine Krallmatte, wo Amphibien den senkrechten Ausstieg schaffen.
Regula Schmidt und Urs Bircher ist es ein Anliegen, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren. Die Aktivitäten sollen vom ganzen Dorf getragen werden. Urs Bircher unterhält dazu die Webseite aphedingen.webflow.io/. Regula Schmidt lädt auch regelmässig Schulklassen für eine Führung am späten Abend ein. Die Feuerwehr übernimmt dann die Gewährleistung der Sicherheit der Kinder.
Unterschiedliche Massnahmen
Ideal wäre eine Strassensperre zur Zeit der Laichwanderung – in Hedingen bis jetzt kein Thema. Das Biologenpaar betont: «Das von uns betreute Amphibienlaichgebiet ist von nationaler Bedeutung.» Hier gilt bestimmt: «Lokal handeln, regional und national wirken.» In Maschwanden wird die Tambrigstrasse ab dem 16. Februar jeweils von 18.30 bis 5.30 Uhr gesperrt für maximal zwei Monate (siehe «Anzeiger» vom 18. Februar). «Generell werden die Sperrgründe mit wenigen Ausnahmen gut verstanden und akzeptiert. Zumal die Sperrungen befristet sind», so Isabelle Rüegg, Mediensprecherin der Baudirektion des Kantons Zürich. Initiiert hat die Sperrungen Harald Cigler, der kantonale Beauftragte für Amphibienschutz im Knonauer Amt. Er erntet nicht immer Lob dafür. Für ihn ist zwar für die früh ziehenden Amphibien die Sperrung keine schlechte Lösung. Idealer wären hier mehrere Unterführungen, so genannte Kleintierdurchlässe, denn auf dieser Strassenstrecke wechseln das ganz Jahr über Tiere, auch beispielsweise Igel und andere Kleinsäuger.
Rund 20 Jahre lang wurden zwischen Obfelden und Maschwanden Zäune gesetzt und die Tiere wurden eingesammelt. Alle brachte man zum selben Gewässer, aber wie sich bei nächtlichen Kontrollgängen während der Strassensperrzeiten gezeigt hat, wollten nicht alle Amphibien dorthin. So konnte zum Beispiel beobachtet werden, wie einige Erdkröten weiter zu den Weihern im Riedgebiet zur Lorze oder zu Gartenweihern im Siedlungsraum Maschwanden weiterzogen. Dank der Strassensperrung kann man besser beobachten, wie und wohin die einzelnen Arten ziehen.
Es gäbe noch viel zu tun, und einige Leute wie Harald Cigler engagieren sich auch mit der Schaffung von Teichen und anderen amphibienfreundlichen Anlagen. Auch tritt beispielsweise die Ringelnatter wieder häufiger auf. Sie sorgt wiederum für ein natürliches Gleichgewicht bei manchen Amphibienarten wie etwa bei den Wasserfröschen.
Abby Yee konnte bereits nach dem ersten Abend die Amphibien unterscheiden und kennt den Arbeitsablauf in den drei Schichten. Am anderen Morgen konnten übrigens drei Grasfrösche und zwei Erdkröten eingesammelt werden – und ein Dachs wurde gesichtet. Abby Yee freut sich bereits heute auf den von der Gemeinde finanzierten Pizza-Abend für alle Helfenden. Man kann nicht genug wertschätzen, was im ganzen Bezirk an Freiwilligenarbeit für die Natur geleistet wird.