Auch Bonstetten gönnt sich tiefere Steuern
An der Gemeindeversammlung fand eine Mehrheit, die Gemeinde könne sich durchaus eine Senkung leisten
Schon der Aufmarsch der motorisierten und zu Fuss oder mit dem Velo zum Gemeindesaal im Rainli kommenden Bonstetterinnen und Bonstetter lies erahnen, dass es wohl zu einer Rekordbeteiligung an der Generalversammlung kommen könnte. Drinnen wurden noch eilig die letzten verfügbaren Stühle aufgestellt. Tatsächlich: 291 Stimmberechtigte registrierte dann die flugs von vier auf fünf erweiterte Stimmenzählermannschaft. Diese sollten den Abend lang dann auch genug zu tun bekommen. 291 von 3646 potenziell stimmberechtigten Personen aus Bonstetten – das war eine stolze Zahl: «Das ist eine super Aussicht. Das macht Freude», strahlte Gemeindepräsidentin Arianne Moser vom Podium. Sie leitete die turbulente mit zahlreichen Abstimmungen gespickte Versammlung in den folgenden drei Stunden.
«Hohes Vermögen, tiefe Ausgaben»
Um es vorwegzunehmen: Das wichtigste Traktandum kam zum Schluss. Dies, weil sich eine Mehrheit im Saal eine Änderung der Tagesordnung gewünscht und drum den Punkt Budget und mit ihm das Steuerthema quasi als Schlussakkord ans Ende der Traktandenliste gesetzt hatte. Das von Arianne Moser präsentierte Budget 2025 rechnet mit einem Gesamtaufwand von 31,971 Millionen Franken. Dem stehen 31,677 Millionen Franken an Einnahmen gegenüber, was zu einem Aufwandüberschuss von 294000 Franken führt. Rechnerisch – weil nie klar ist, was im nächsten Jahr beispielsweise an Investitionen kommen wird. Beitragen zu den Einnahmen sollen die Steuererträge der natürlichen Personen. Bei einem Steuerfuss von 93 Prozent wie bisher komme man auf 14,757 Millionen Franken an Einnahmen. Das reiche, weil es auch sonst noch einen Ertrag von 17,214 Millionen Franken gibt, rechnete Arianne Moser vor. Aufgrund mehrerer Indikatoren zeigte sie auf, dass Bonstetten beispielsweise bei den Verwaltungskosten und der Bildung noch eine der günstigsten Gemeinden im Kanton Zürich sei: «Und die günstigste Gemeinde im Bezirk.» Auch sonst sehe es gut aus: «Bonstetten hat ein vergleichsweise hohes Vermögen und ein tiefes Ausgabenlevel.»
Damit gab sie auch schon den Startschuss zu der Diskussion über die Senkung des Steuerfusses, die die Rechnungsprüfungskommission (RPK) und auch die örtliche SVP schon im Vorfeld gefordert hatten. «Es gibt keine Katastrophe, wenn Sie den Steuerfuss auf 91 Prozent senken», sagte die Gemeindepräsidentin. «Aber wir vom Gemeinderat wollen auf der vorsichtigen Seite sein und das Geld lieber erst einnehmen und dann ausgeben.» «Böse Zungen behaupten, wir hätten Steuern auf Vorrat eingenommen», konterte Thomas Fischer, der Präsident der RPK. Und: «Es liegen noch zwei Prozent Senkung drin.» Einen speziellen Auftritt legte der frühere Gemeindepräsident Frank Rutishauser hin. Er bezichtigte die Versammlungsleiterin des Gesetzesbruchs, weil diese die Budgetzahlen der nächsten vier Jahre nicht ausreichend präsentiert habe, erinnerte an seine Amtszeit von 2013 bis 2018 und forderte eine drastische Steuersenkung um 10 Prozentpunkte auf 83 Prozent: «Das einzige, was wächst in Bonstetten, ist der Verwaltungsapparat», sagte er. Finanzpolitisch sei eine Zehn-Prozentpunkte-Senkung für Bonstetten kein Problem. Bei diesen Ausführungen platzte einem Zuhörer der Kragen: «Ich brauche keine Schulstunden. Sie reden zu viel!», schimpfte er, bekam dann zu hören, dass er einen Ordnungsantrag auf Schluss der Debatte stellen könne. Dem stimmte eine Mehrheit zu, nahm sich damit allerdings auch selbst das Recht auf weitere Wortmeldungen. Bei den nachfolgenden Abstimmungen erhielt der Vorschlag der RPK um eine moderate Senkung von 2 Prozentpunkten 179 Ja-Stimmen, die beiden anderen Vorschläge der Gemeinde (91 Prozent) und des Ex-Gemeindepräsidenten (83 Prozent) hatten dagegen keine Chance.
Sammelstelle für Wertstoffe
Schon an den vorangegangenen Traktanden zeigten die Bonstetter und Bonstetterinnen grosses Interesse an der direkten Volksdemokratie. So wurde intensiv darüber diskutiert, ob und wie sinnvoll die Renovierung des Dachs des Gemeindesaals samt dem Bau einer grossen Photovoltaikanlage zum jetzigen Zeitpunkt sei. Gemeinderat Roger Schuhmacher hatte eingangs das Projekt, für das im Jahr 2025 immerhin 800000 Franken budgetiert sind, vorgestellt: «Das Gebäude mit dem Jahrgang 1964 hat strukturell und optisch schon bessere Tage gesehen», erklärte er. Nach eingehender Diskussion erklärte sich das Stimmvolk einverstanden mit der Planung. Einverstanden waren die Bonstetterinnen und Bonstetter im Saal auch mit den Plänen des Gemeinderates, in der Dorfstrasse 1 eine zentrale Sammelstelle für die wichtigsten Wertstoffe zu erstellen. Diese soll an zwei Halbtagen (Mittwochnachmittag und Samstagmorgen) geöffnet und betreut sein. Die Kritik an diesen Plänen bezog sich mehrheitlich auf die Sorge der Anwohnerinnen und Anwohner vor zu viel zusätzlichem Verkehr und die Einwände von Einwohnerinnen und Einwohnern des Ortsteils Schachen, die die bisherige Lösung mit dem Ökomobil tendenziell besser finden. Viele Leute, das wurde an dem Abend aber auch deutlich, sind ganz zufrieden mit der Möglichkeit, die Wertstoffe direkt in Affoltern abgeben zu können. 168-mal wurde ein Ja gezählt und 106-mal ein Nein. Das Volk hatte so also dem dazugehörigen Kreditbegehren von 420000 Franken zulasten des Gebührenhaushaltes Abfallwirtschaft und der Schaffung einer 40-Prozent-Stelle für die Betreuung zugestimmt.
Traktandum zurückgezogen
Zudem wurde mit vereinzelten Gegenstimmen eine zusätzliche Vollzeitstelle für den Bereich Werke genehmigt. Gemeinderat Bernhard Blümel hatte zuvor eindrücklich die angespannte Situation im Werkhof erläutert. Diese Stelle werde dringend benötigt, um den Service für die Einwohnerinnen und Einwohner erhalten und verbessern zu können. Dies habe hauptsächlich mit der Wasserversorgung zu tun, ein kantonaler Inspektionsbericht habe schon im Sommer 2023 Mängel aufgezeigt und eine möglichst rasche Behebung gefordert, heisst es dazu im Bericht des Gemeinderates.
Gar nicht zur Diskussion kam wegen Differenzen mit der RPK ein Antrag für einen Kredit in Höhe von 710000 Franken für die Anbindung der Aussenbauwerke an die ARA Birmensdorf.
Am Ende winkten den leicht erschöpften Teilnehmerinnen und Teilnehmern ein später Apéro samt Mandarinen, Samichlaussäckli und Bier zur Stärkung für den nächtlichen Heimweg.
Lochenweiherprojekt steht vor dem Aus
Das ambitionierte Projekt des Gemeinderates Bonstetten, den Lochenweiher in der Nähe des Gartencenters zu einem Badeplatz um- und auszubauen, ist möglicherweise schon vor dem effektiven Planungsstart und einer eigenen Volksabstimmung beendet.
Denn an der Gemeindeversammlung war zunächst von verschiedener Seite Kritik an dem Projekt geäussert worden. Gemeindepräsidentin Arianne Moser verwies zwar darauf, dass das Projekt Lochenweiher als solches nicht traktandiert sei und deshalb auch nicht darüber abgestimmt werden könne. Was das Stimmvolk aber konnte und dann auch grossmehrheitlich machte, war, den Betrag von 120000 Franken für die weiteren Planungen des Projektes aus dem Budget zu streichen. Dazu gab es Beifall, was zu einem disziplinarischen Aufruf an die Klatschenden führte. Arianne Moser kündigte noch vor der Abstimmung an: «Der Gemeinderat wird in einer seiner nächsten Sitzungen darüber befinden, wie man weitergeht.» (fh)