«Auch ein Leben mit Demenz kann ein gutes Leben sein»

Christina Krebs, ehemalige Leiterin von Alzheimer Zürich, war in Affoltern mit einem ermutigenden Vortrag zu Gast

Christina Krebs bei ihrem gutbesuchten Vortrag in Affoltern. (Bild Marcus Weiss)

Dass Demenz ein Thema ist, das viele Menschen bewegt, wird am Mittwochabend vergangener Woche bereits beim Betreten der Regionalbibliothek Affoltern offensichtlich. Man steht sich im Eingangsbereich fast auf den Füssen herum, so gross ist der Andrang zum Vortrag von Christina Krebs, für den die Verantwortlichen die volle mögliche Kapazität der Räumlichkeiten ausgeschöpft haben. «Die Veranstaltung ist seit Wochen ausverkauft», erklärt Bi­bliotheksleiterin Ursula Schiesser.

Vor ihrem eigentlichen Vortrag berichtet Christina Krebs, die per Ende März 2024 als Geschäftsleiterin von Alzheimer Zürich in Pension gegangen ist, von den prägenden persönlichen Erfahrungen, von denen sie während ihres anspruchsvollen Amtes zehren konnte. «Ich hatte von Anfang an ein enorm spannendes Leben, meine Mutter stammte aus Wien, und ich bin als Kind jeweils mit meinem Bruder dreizehn Stunden lang im Zug zur dortigen Familie gefahren», blickt sie zurück. Auf diesen langen Reisen habe sie bereits im Alter von zwölf Jahren unglaublich spannende Diskussionen mit Mitreisenden führen können, was eine riesige Inspiration für sie gewesen sei. Lehramt, gleichzeitig Wirtepatent, eigene Erlebnisgastronomie, so ungefähr lässt sich ihr weiterer Werdegang zusammenfassen, der schliesslich in der Sozialarbeit seine grösste Erfüllung gefunden hat. Die längste Zeit habe sie mit gewaltbetroffenen Frauen und Kindern gearbeitet, doch mit ihrem ­Engagement bei Pro Senectute Knonaueramt sei der Umgang mit Demenz zunehmend zum Thema in ihrer beruflichen Tätigkeit geworden. «Da mein Mann Krankenpfleger ist, war mir dieses Themenfeld ohnehin nie fremd», erklärt Christina Krebs. Ihr eigenes, sehr bemerkenswertes Verdienst um dieses Thema ist schliesslich unter anderem der Aufbau von Alzheimer Zürich aus einem sehr kleinen Betrieb bis hin zu einer Organisation mit 265 Beschäftigten in unterschiedlichen Pensen.

«Wir laufen richtiggehend in eine Demenzwelle hinein»

«Ich glaube zutiefst daran, dass ein Leben mit Demenz trotzdem ein gutes Leben sein kann», diese hoffnungsfrohe Botschaft setzt Christina Krebs an den Beginn ihrer Ausführungen über den Umgang mit dieser die Grundfesten des familiären oder partnerschaftlichen Zusammenlebens verändernden Krankheit. Die Auseinandersetzung mit dem Thema sei auch darum überaus dringlich, da unsere Gesellschaft gerade ungebremst in eine regelrechte Demenzwelle hineinlaufe, was vor allem die Zahlen aus anderen Ländern zeigten. Die Vortragende berichtet von einer Mutter mit zwölfjährigen Buben, die plötzlich eine Demenzdiagnose erhalten hat. «Wie geht man als Fachperson denn ethisch damit um, einem so jungen Menschen eine derartige Diagnose geben zu müssen?» Dies sei nur eine der zahlreichen Fragestellungen, die sich in einem solchen Fall stellten. Im konkreten Beispiel sei der Patientin geraten worden, es den Kindern noch nicht zu sagen. «Wenn die Krankheit dann in zehn Jahren richtig ausbricht, werden die Kinder bereits erwachsen sein und können entsprechend besser mit der Situation umgehen», so die Begründung. Eine gesellschaftliche Herausforderung sei auch das wirtschaftlich riesige Problem, in das Familien bei der Demenzerkrankung eines mitten im Leben stehenden Elternteils geraten.

Vergesslichkeit ist nicht gleich Demenz

Die Referentin lässt ihr Publikum wissen, dass immer noch weitgehend unbekannt sei, welche Faktoren Demenz eigentlich auslösen. Die Forschung habe zwar Fortschritte gemacht, und man wisse mehr als vor zehn oder fünf Jahren, aber vieles sei immer noch rätselhaft. Was ist nun aber der Unterschied zwischen normaler Vergesslichkeit und Demenz? Ein Herr habe sie einmal gefragt, ob sie denke, dass er dement sei, er habe monatelang nach seiner Brille gesucht und sie schliesslich im Schachkästchen wiedergefunden. «Nein, Sie haben keine Demenz», sei ihre bestimmte Antwort gewesen. Wenn jemand aber nicht mehr merke, dass er die Lesebrille aufhat und deshalb nicht mehr klar in die Weite sehe, sei dies weitaus mehr ein Grund zur Besorgnis. «Auch Wechselwirkungen von Medikamenten können jedoch Symptome hervorrufen, die leicht mit Demenz verwechselt werden können», warnt die Referentin.

Typisch für Alzheimer sei unter anderem, dass man weit von sich weise, dass mit einem etwas nicht stimmen könnte. Jeder Fall zeige individuelle Züge, das heisst, wenn man eine betroffene Person kenne, dann kenne man eben eine Person mit Demenz. Dass eine demenzielle Erkrankung ganz ungeahnte Auswirkungen auf die Beziehungen zu Angehörigen haben kann, zeigt das von Christina Krebs geschilderte Beispiel eines Jazzmusikers, der sich von seinem Vater nie wahrgenommen fühlte, durch dessen Demenz aber einen späten Zugang zu ihm fand. Der Vater, der zeitlebens kein Interesse am Sohn gezeigt hatte, sei plötzlich auf dem Balkon gestanden und habe jubiliert «hier kommt mein wunderbarer Musikersohn». «Der Sohn sagte mir, man könne sich nicht vorstellen, wie froh er sei, dies erlebt zu haben.»

Die Referentin schliesst ihren Vortrag mit einigen praktischen Tipps zur Vorsorgeregelung und hebt hervor, dass dabei die entsprechenden Unterlagen von Pro Senectute eine grosse Hilfe darstellen können. Es folgen noch ausgiebige Gespräche mit ihrem beeindruckten Publikum.

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