«Schon 41 Stunden liegen ausser Reichweite»

38-Stunden-Woche: In Gewerbekreisen regt sich Widerstand gegen die Pläne der Stadt Affoltern

Thomas Naef leitet die Mobiliar Generalagentur Affoltern, zudem präsidiert er den AGV Bezirk Affoltern. (Bild Livia Häberling)

Thomas Naef leitet die Mobiliar Generalagentur Affoltern, zudem präsidiert er den AGV Bezirk Affoltern. (Bild Livia Häberling)

Vor ein paar Wochen führte Thomas Naef, Geschäftsführer der Mobiliar ­Generalagentur Affoltern, ein Bewerbungsgespräch für eine offene KV-Position. Für die Bewerberin war es nach dem Lehrabschluss und einem Jahr Reiseauszeit die erste Stelle. Naef, so erzählt er es, erkundigte sich, ob sie zu ihrer Anstellung konkrete Wunschvorstellungen habe. Die Frau habe gelächelt. Und geantwortet: «Ein 80-Prozent-Pensum bei vollem Lohn, zwei, lieber drei Tage Home-Office und eine bezahlte Weiterbildung pro Jahr.» Voilà!

«Wahnwitzig» nennt Thomas Naef diese Forderungen, als er die Anekdote erzählt. «Ich bin aufgestanden, habe der Frau alles Gute gewünscht und sie zur Tür begleitet. Die Generation Z ist definitiv auf dem falschen Dampfer!»

Naef: «Modische Zeiterscheinung der Linken»

Doch dieser matte Dampfer (mit den Jahrgängen 1995 bis 2010), der nach Thomas Naefs Befürchtungen ­eines Tages den mühevoll erarbeiteten Wohlstand der Schweiz versenken wird, nimmt Kurs auf die Arbeitswelt. So ­abwegig eine tiefere Wochenarbeitszeit bei vollem Lohn in seiner Generalagentur heute ist, so realistisch ist sie anderswo. Etwa bei der Stadt Affoltern. Ab April 2024 soll sie für 350 von 500 Mitarbeitenden gelten.

Als Präsident des Arbeitgeberverbands (AGV) Bezirk Affoltern entgingen ihm die Pläne des Stadtrats selbstredend nicht. An einem Freitag las er erstmals davon, am darauffolgenden Montag klingelte sein Telefon ein Dutzend mal, ebenso viele E-Mails erreichten ihn. Alles besorgte Mitglieder, die sich wunderten, wie sie aus selbst erwirtschafteten Mitteln je annähernd solche Arbeitsbedingungen finanzieren sollen.

Die Realität bei den KMU im Bezirk sei eine ganz andere, sagt Naef: «In etlichen Handwerksbetrieben ist die 43- oder 42-Stunden-Woche noch der Normalfall. Bereits eine 41-Stunden-Woche liegt für sie aus finanziellen Gründen momentan ausser Reichweite.» Die Betriebe müssten diese Zusatzkosten, die durch tiefere Arbeitszeiten und mehr Personal entstehen, auf die Kundschaft abwälzen. Das öffne die Preisschere zur Konkurrenz im Ausland noch mehr und reite die Schweizer Wirtschaft «in massive Probleme», ist Naef überzeugt. «Es darf nicht sein, dass die Stadt sich durch den Einsatz von Steuergeldern eine Vorreiterrolle sichert, mit der Betriebe, die ihr Geld selbst erwirtschaften, bei Weitem nicht mithalten können.» Der Arbeitgeberverband des Bezirks Affoltern lehne die 38-Stunden-Woche, die Naef als «modische Zeiterscheinung der Linken» bezeichnet, klar ab.

E-Mails sollen den Stadtrat umstimmen

Zum Verband zählen rund 65 Unternehmen mit mindestens je 30 Angestellten. Gemeinsam will man nun Gegensteuer geben, um das Ansinnen abzuwenden. «Noch besteht Hoffnung, dass sich der Stadtrat nochmals Gedanken macht», sagt Naef. Vergangene Woche hat er an die Mitglieder eine E-Mail verschickt. Darin legt er ihnen den Sachverhalt ausführlich dar und fordert die Unternehmen auf, aktiv zu werden – also in die Tasten zu hauen und ihren Unmut über die Pläne per E-Mail beim Stadtrat zu deponieren. Insbesondere wolle man damit klar kommunizieren, «dass man als Stimmbürger von Affoltern ein allfälliges Budget mit der 38-Stunden-­Woche an der Gemeindeversammlung bekämpfen» werde. Schützenhilfe mit seiner Idee erhält der AGV BezirkIm Affoltern vom Gewerbeverein Affoltern, der mit Hedingen ­zusammen rund 150 Mitglieder zählt. Auch unter ihnen (es sind kleinere Betriebe bis zirka 15 Angestellte) ist mittlerweile ein ähnliches E-Mail im Umlauf. So sollen auch sie sich bei der Stadt ­Affoltern melden und sich zu den Plänen äussern, die der Vereinspräsident René Ammann als «Schlag ins Gesicht der KMU» bezeichnet. Der Weg über Geld und eine 38-Stunden-Woche hält er für falsch: «Sinnvoller wäre es, ein gutes Arbeitsklima zu schaffen. Hört man doch viel Gegenteiliges.» Aber fremdes Geld lasse sich nun mal leichter ausgeben als selbstverdientes. Wie Naef befürchtet Ammann, dass die Einführung der 38-Stunden-Woche das lokale Gewerbe in Zugzwang bringen würde. Sollten die Pläne ohne Steuererhöhung zudem nicht finanzierbar sein, würden die KMU doppelt getroffen.

Die Stadt Affoltern bestätigt auf ­Anfrage, dass bei ihr bereits E-Mails eingegangen sind. Wie viele es sind, beziffert Erika Stanger, Mitarbeiterin Präsidiales, nicht näher. Sie schreibt von «einigen» Zusendungen.

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