Der Auftritt eines Autors, der Eltern aus der Seele spricht
Mikael Krogerus las in der Bibliothek Affoltern aus seinem Buch und beantwortete Publikumsfragen
Er ist unkompliziert, und er scheut sich nicht, etwas von sich preiszugeben. Dies ist in etwa der erste Eindruck, den die Anwesenden am vergangenen Freitag in der Regionalbibliothek Affoltern von Mikael Krogerus gewinnen. Der Journalist und Buchautor, bekannt vor allem durch seine zahlreichen Kolumnen, hat zur Lesung aus seinem Buch «Elter werden – was Kinder mit dir machen» geladen. Doch bevor es zum Inhalt dieses Werks geht, gibt der hauptsächlich in Stockholm aufgewachsene Finne einen kleinen Einblick in seine eigene Kindheit. «Falls Sie sich über mein gestochenes Hochdeutsch wundern, dann kann ich Ihnen sagen, dass dies eine pure Überlebensstrategie von mir war, so deutsch wie möglich zu klingen, als ich im Alter von etwa neun Jahren mit meinen Eltern aus Skandinavien nach Lübeck zog», führt Krogerus aus. Spätestens, als er noch eine Anekdote aus seiner damals neuen Schule in Norddeutschland hinzufügt, die sich um den «Knust» – das Endstück eines Brotes – dreht, hat der Journalist die Sympathie des Publikums auf seiner Seite. Ohne zu wissen, worum es geht, hatte er nämlich als Bub lauthals nach diesem eher harten Rest der Backware verlangt, als seine Klasse im Chor «Ich will den Knust» anstimmte. Das Resultat für ihn war dann offenbar ein zähes Kauen, und auch sonst könnte man seine Zeit in diesem Lebensabschnitt wahrscheinlich treffend mit den Worten von Otto Waalkes «Dieser Keks wird kein weicher sein» zusammenfassen.
«Plötzlich Elternteil zu sein, ist ein Glück und ein Schreck zugleich»
Die zahlreichen Erfahrungen im zunächst fremden Land und auch seine Zeit in Dänemark auf der Hochschule der «Kaospiloten» haben Mikael Krogerus aber vermutlich zu dem Menschen gemacht, der er heute ist. Jedoch – und damit kommen wir zum wesentlichen Teil der Lesung – prägten ihn nicht weniger stark seine Erfahrungen als früher Vater eigener Kinder. «Ich bin jetzt nie mehr ‹nicht Vater›», sei es ihm durch den Kopf geschossen, als ihm im Spital das neugeborene Baby auf die Brust gelegt wurde und sich die Krankenschwester sogleich mit der Mutter des Kindes in einen anderen Raum begeben habe. Ein riesengrosses Glück und ein Schreck zugleich sei die Situation für ihn gewesen, so plötzlich Verantwortung übernehmen zu müssen für einen anderen Menschen, der zudem noch so klein und zerbrechlich gewirkt habe, dass er sich kaum zu atmen traute. Eltern zu sein heisse, die Radikalität des Moments oft ganz drastisch zu erleben und gleichzeitig sich von Idealvorstellungen verabschieden zu müssen. Ein Blick ins Publikum, das fast ausschliesslich aus Personen besteht, die selbst Eltern sind, lässt ahnen, dass seine Definition wahr sein muss. Die Gesichter sprechen Bände, ebenso manches kaum wahrnehmbare Kopfnicken. Wenn der Autor dann weiterfährt, dass es nicht darum gehe, seine Träume zu realisieren, sondern darum, das Leichte im Schweren zu finden, dann hat dies nicht mehr viel mit dem zu tun, was so manches junge Paar sich unter einer eigenen Familie vorstellt. Das gilt aber nicht nur unter dem Blickwinkel der frischgebackenen Eltern, auch auf die Kinder wird gemäss Krogerus’ Erfahrung ein beachtliches Bündel von, sagen wir, herausfordernden Situationen warten. «Erwartungshaltung wird in der Schule auf dich zukommen, man wird dich mit anderen vergleichen, und du wirst deshalb beginnen, dich zu hassen», so die düstere Prognose, die der Autor in seinem Vortrag einem fiktiven Kind mit auf den Weg gibt.
Die schönen Momente scheinen alles Schwierige aufzuwiegen
Kann man unter diesen Vorzeichen überhaupt noch den Mut haben, den Schritt in dieses Experiment namens «Leben» zu wagen? Diese bange Frage darf aber wohl trotz allem mit «Ja» beantwortet werden, denn wenn der Finne dann von den Glücksmomenten erzählt, die er als Vater auch erlebt hat, dann wird klar, dass diese so stark sein müssen, dass sich alle Beschwernisse zumindest in diesen kostbaren Minuten in Luft auflösen und einem Gefühl grosser Dankbarkeit weichen. «Habe ich es richtig verstanden, Kinder machen die Eltern glücklich?», möchte am Schluss eine Zuhörerin wissen. «Ja, so ist es, und wenn die Kinder später an sich zweifeln, dann sagen Sie ihnen, sie hätten eines in ihrem Leben richtig gemacht, denn sie machten Sie als Eltern glücklich», lautet die Antwort des Experten. Dies ist wahrlich ein versöhnliches Schlusswort, dem Mikael Krogerus dann noch anfügt: «Krisen fühlten sich immer so an, als ob sie ewig dauern würden, dies ist jedoch normalerweise nicht der Fall. Wenn man dies weiss, lebt man einfacher.»