Der Bürglen: Für Werber ein harter Brocken

Sommerserie «Hoch hinaus»: Vom augenzwinkernden Versuch, den höchsten Berg im Bezirk populärer zu machen

Spektakulär unspektakulär: der höchste Punkt der Albiskette, des Säuliamts und von Hausen – der Bürglen.  
(Bilder Daniel Vaia)

Spektakulär unspektakulär: der höchste Punkt der Albiskette, des Säuliamts und von Hausen – der Bürglen. (Bilder Daniel Vaia)

Höher als der «Uetzgi», aber (noch) kein Tourismusmagnet: der Bürglen von Heisch (Hausen) aus gesehen.

Höher als der «Uetzgi», aber (noch) kein Tourismusmagnet: der Bürglen von Heisch (Hausen) aus gesehen.

Der Üetliberg wirbt mit dem Label «Top of Zurich». Das Knonauer Amt lockt mit «auf der Sonnenseite». Und der Bürglen (siehe Box) macht auf sich aufmerksam mit ...? Der wer?

Genau da fängt das Problem an: Der Bürglen ist kein Begriff, werbemässig nahezu ein Nichts. Oder anders gesagt: Wenn man mit dem Bürglen «hoch hinaus» will, muss man weit unten anfangen. Ganz weit unten!

Ein kleiner Test: Man frage in seinem Umfeld, wer oder was der Bürglen ist. Wetten, dass über die Region hinaus niemand etwas mit dem Begriff anzufangen weiss? «Ist es ein Verb: Man bürgt für jemanden, aber nur halbherzig?» «Is it a sausage?» «Les citoyens y fêtent-ils le 1er août?» Alles falsch. Kein Wort aus der Juristensprache, keine Wurst und es hat auch nichts mit Bürgern und dem 1. August zu tun. Der Bürglen ist mit 915 m ü. M. der höchste Berg des Bezirks Affoltern. Dazu der höchste Berg der Albiskette. Und nebenbei auch noch der Hausberg von Hausen am Albis.

Zum Vergleich, der Uetliberg, Stolz jeder Stadtzürcherin und jedes Stadtzürchers, kommt gerade mal auf 871 Meter, ist als nur ein Högerli im Vergleich zum Bürglen. Dennoch ist der «Üetzgi» (er hat sogar einen Übernamen) weit über die Kantonsgrenze hinaus ein Begriff und zieht sommers wie winters die Massen an.

Das soll sich hiermit ändern! Wir wollen mit dem Bürglen touristisch hoch hinaus.

Na ja, sagen wir: höher als bisher.

Den Bürgen-Gopfridstutz hinauf

Erste konkrete Massnahme: Wir machen uns selber ein Bild vor Ort vom Bürglen. Rein in die Wanderschuhe und rauf den Berg. Vom Albispass her gehts mal nidsi, mal obsi, und ganz am Schluss steil rauf auf den Top of Albiskette, den Bürglen. Keuchend oben angekommen, wird man entschädigt mit ... nun, wie soll man sagen, eigentlich ... fast gar nichts! Links Bäume, rechts Bäume, Aussicht null, zwei Bänkli, ein Wegweiser und ein grosser Stein, auf dem eine Tafel darauf hinweist, dass man hier den höchsten Punkt der Albiskette erreicht hat. Immerhin, wenn man dem Wegweiser folgt, sieht man nach ein paar Schritten auf den Türlersee hinab. Ausser von Mitte Frühling bis Mitte Herbst, dann verdecken Bäume und Blätter weitgehend die Sicht. Und von Mitte Herbst bis Mitte Frühling ist es oft unten oder oben neblig, sodass man auch nicht viel sieht.

Das ist ... bescheiden. Und es ist sogar frustrierend, wenn man sich erinnert, welche Strapazen man dafür in Kauf genommen hat. Vor allem der letzte Aufstieg zum Höhepunkt ist ein zwar ungefährliches, aber giftig-steiles Stück Weg. Eigentlich müsste er Bürglen-Gopfridstutz* heissen!

Kurz, ein Selbstläufer ist der Bürglen nicht. Er ist «spektakulär unspektakulär»! Oder um eine Verbindung zum Säuliamt herzustellen: «Saumässig unspektakulär.»

Diese Feststellung ist zwar ehrlich, aber werbetechnisch ziemlich unsexy. Wobei, Social-Media-mässig liess sich insofern etwas daraus etwas machen, als man die Wege hinauf zum Bürglen mit grossen Tafeln für tendenziell ohnehin gelangweilte Social-Media-Nutzerinnen und -Nutzer sperrt, in dem man davor warnt, dass man sich oben ins Koma langweilen könnte. Aber Negativ-Publicity ... besser nicht.

Um das Problem des Bürglen symbolisch zu verdeutlichen, stelle man sich einen Laden vor, in dem alle Schweizer Berge als dreidimensionale Modelle ausgestellt sind, zwecks touristischer Vermarktung: Das Matterhorn wäre dann in einer mit rotem Samt ausgeschlagenen, hell erleuchteten Vitrine als zentraler Blickfang zu bewundern. Daneben, ebenfalls kunstvoll angestrahlt, in einer fast genauso grossen Vitrine, Eiger, Mönch und Jungfrau. Ja, sogar der «Uetzgi» hätte einen rechten Standplatz. Der Bürglen dagegen würde ganz weit hinten im Laden auf einem nicht beleuchteten Regal vor sich hin stauben, gleich neben der Backoffice-Tür («Zutritt nur für Personal»).

Säuliamt-Spitze oder Mount Bürglen?

Beginnen wir also von ganz vorn. Da das Wort Bürglen alles Mögliche bedeuten kann, braucht es zunächst einen Zusatz, der das Wort zu einem geografischen ­Begriff macht. Bürglenberg? Säuliamt-Spitze? Top of Hausen? Irgendwie international müsste es tönen. Piz Bürglen vielleicht? Oder wie wärs mit: «Mount Bürglen»? Tönt bedeutsam, international und doch zurückhaltend. Gekauft!

Das ändert aber noch nichts daran, dass der Mount Bürglen nicht sonderlich attraktiv ist – schon gar nicht im Vergleich zum nahegelegenen Albishorn (mit Restaurant) und dem ebenso nahen Aussichtsturm Hochwacht, zwei Orte mit herrlicher Fernsicht. Was also tun mit Konkurrenten, die man nicht schlagen kann? Man kauft sie bzw. integriert sie. In diesem Fall verweist man auf die überlegene Konkurrenz – und zweigt ein wenig vom Glanz ab. Und so lautet die Lösung: «Mount Bürglen – näbedra isch’s no schöner!» Kurz, witzig, einprägsam.

Das Ganze liesse sich kulinarisch noch unterstützen, in dem man in regionalen Restaurants künftig anstelle eines Hamburgers einen «Hambürgler» anbietet. Dieser würde sich – das Säuliamt lässt grüssen – durch drei zusätzliche, knusprig gebratene Speckstreifen von einem normalen Hamburger unterscheiden. Wer’s gerne deftiger mag, dem sei ein «Mount Hambürgler» empfohlen, ein Hambürgler mit einem zünftigen Berg-Coleslaw-Krautsalat. Und die Vegetarierinnen und Vegetarier gehen leer aus? Keineswegs, für sie gäbe es den «Häppy Säuli Hambürgler»!

 

* Der Bürglen

Der Bürglen wird, je nach Quelle, auch Bürglenstutz genannt. So wird er auch auf der Hinweistafel oben auf dem Bürglen bezeichnet. Streng sprachlich gesehen ist das nicht korrekt. Ein Stutz bezeichnet im Schweizerdeutschen einen steilen Hang und somit eine Fläche – und nicht einen bestimmten Punkt.

Apropos, Stutz hat umgangssprachlich auch die Bedeutung von Franken. Wieso also nicht einen Bürglenstutz schaffen, einen Schoggi-Einfränkler, den man Schulkindern vor den Sommerschulferien zusammen mit einem Brötchen abgibt. Aus Marketingsicht ist die Investition klein, schafft früh eine Kundenbindung und stärkt den Bürglersinn ... Pardon, Bürgersinn.

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