«Überleben ist nicht erholsam»
Nabil El Nadeim ist ausgebildeter Survival-Guide – und ab 18. Oktober in der SRF-Sendung «Abenteuer Wildnis» zu sehen
Nach einer halben Stunde bei morgendlichen acht Grad und Wind füllt sich, etwas abseits eines Waldweges in Mettmenstetten, eine olivfarbene Kunststofftasse. Nicht etwa mit Brennnesseltee oder einer Kräutermischung, sondern: mit Kaffee! Nabil El Nadeim, 38, hat das Pulver eigens an die Feuerstelle mitgebracht, wie er das auch bei seinen Kursen zu tun pflegt. «Ein kleiner Luxus für die Teilnehmenden», sagt er, «aber auch der einzige.»
Bei Nabil El Nadeim ist Genügsamkeit Teil der Dienstleistung. Er bietet ein- und mehrtägige Überlebens-Workshops an. Wer bei ihm bucht, will es nicht anders, will runter vom Sofa und rein in den Überlebensmodus. Will für ein paar Stunden raus aus dem Überfluss und rein in den Verzicht.
Ohne Znacht ins «Bett»
Aufgewachsen ist Nabil El Nadeim in Affoltern. Als Kind verbrachte er viel Zeit in der Natur. Mit seiner Familie war er oft am Wandern, zudem war er Mitglied in der Pfadi Säuliamt. Später, als Erwachsener, zog er sich mit seinen Kumpels ab und zu für ein Wochenende in die Natur zurück, schlief mit ihnen draussen. So richtige Survival-Wochenenden seien das aber noch nicht gewesen, sagt er grinsend. Damals habe der Fokus eher auf der sozialen Komponente gelegen. Zusammensitzen beim einen oder anderen Bier. So richtig gepackt hat ihn die Natur vor etwa sechs Jahren. Da begann er, sich intensiver mit Wildkräutern zu beschäftigen – und war fasziniert, was die Natur alles bietet. «Dieses Wissen, das in unserer Kultur schon fast verloren gegangen ist, möchte ich weitergeben», sagt er. Bald darauf meldete sich Nabil El Nadeim für eine einjährige Ausbildung als Überlebenstrainer (Survival-Guide) an. Nach seiner Lehre als Polymech und dem Studium im Bereich Automation war das nun eine Weiterbildung, die er aus privatem Interesse besuchte. Nur für sich.
Inzwischen ist aus dem Hobby ein berufliches Standbein geworden. Neben seinem 90-Prozent-Pensum als Systemadministrator bietet Nabil El Nadeim Kurse an, darunter auch mehrtägige Survival-Trainings.
An seinem Platz in Mettmenstetten sind in der Nähe der Feuerstelle noch mehrere «Shelter» zu sehen, die vom August-Kurs übrig geblieben sind. Es sind Asthütten in der Form eines Zeltes. «Regen macht nass, Wind kühlt aus und auch Hitze setzt dem Körper zu», weiss Nabil El Nadeim. Schutz zu finden, habe im Überlebenstraining deshalb erste Priorität. Und so tragen die Teilnehmenden nach Kursbeginn jeweils als Erstes Äste zusammen. Vier Stunden dauert es gut und gerne, bis das provisorische Dach über dem Kopf steht. «Überleben ist nicht erholsam», sagt er. Zur Kurserfahrung gehört auch, im Wald nach Essbarem zu suchen. Im Sommer, wenn die meisten Kurse stattfinden, wären neben Wurzeln etwa Beeren oder Früchte eine Nahrungsquelle. Zur Realität gehört allerdings auch, dass diese Suche aufwendig ist und Nahrung im Überlebenssetting nicht oberste Priorität hat. «Am ersten Abend essen wir meist nichts», sagt Nabil El Nadeim. Am zweiten Abend steuert er zu den gesammelten Wildkräutern eine Kartoffel oder etwas Reis bei. Falls nötig, reicht er dazwischen mal einen Farmerstängel.
«Die meisten Kursteilnehmenden haben eine realistische Vorstellung davon, worauf sie sich einlassen», sagt Nabil El Nadeim. Nur in Ausnahmefällen passiert es, dass abends im Shelter, geplagt von Hunger, Rückenweh und stechfreudigen Insekten (notabene den einzigen satten Gestalten im Lager), der eine oder andere den Entschluss fasst, dass es mit der authentischen Überlebenserfahrung jetzt auch mal gut sei.
Ganz ohne Smartphone gehts nicht
Nabil El Nadeim sagt, die vergangenen Jahre hätten ihn achtsamer gemacht, dankbarer auch: «Für mich ist es etwas vom Schönsten, mich im Wald umzusehen und zu erkennen, was die Natur uns gibt.» Im Wald findet er Ruhe, als Ausgleich zum oft hektischen Alltag. Ein Sprichwort hat er besonders verinnerlicht: «Geh täglich mindestens 20 Minuten in den Wald. Und wenn du dazu keine Zeit findest, dann geh eine Stunde.»
Zeit im Wald ist für Nabil El Nadeim auch Zeit ohne Smartphone. In den Kursen hat er es zwar dabei, für den Notfall und um das Wetter im Auge zu behalten. Ansonsten soll es möglichst wenig präsent sein. Etwa abends, wenn für die Teilnehmenden für einmal nicht Netflix angesagt ist, sondern «Wildnis-TV», wie er das Lagerfeuer nennt. In diesem Kreis und ohne Ablenkung durch Handy und Co. ergäben sich oft interessante, teils auch intensive Gespräche.
Abseits der Feuerstelle geht es für die meisten Teilnehmenden dann allerdings doch nicht ganz ohne Smartphone. Alleine schon für die Erinnerungsfotos bringen es nahezu alle mit in den Kurs. Abenteuer Überleben: Für die meisten ist das ein emotional und körperlich freier Fall mit weich gepolstertem Auffangnetz.
Ab heute ist er bei SRF zu sehen
Vor Kurzem waren Nabil El Nadeims Survival-Kenntnisse nun noch in einem anderen Setting gefragt: Er begleitete die zweite Staffel von «SRF bi de Lüt – Abenteuer Wildnis». In dieser Sendung versuchen sich drei Teams, acht Tage lang in der Schweizer Natur durchzuschlagen – mit nur wenigen Hilfsmitteln. Hält die Gruppe durch, winken 2000 Franken.
Als Experte gab er den drei Teams beim Start Tipps zur Auswahl ihrer Hilfsmittel und besuchte sie im Laufe der Tage mehrmals in ihren Camps. «Es war ein mega Erlebnis!», sagt er zu den Dreharbeiten. So unterschiedlich wie die drei Gruppen waren – zwei Frauen, ein Vater mit Kindern und vier Brüder –, so unterschiedlich sei auch die Hilfestellung gewesen, die sie gebraucht hätten. Ob die Kandidatinnen und Kandidaten durchgehalten haben, ist ab heute auf SRF zu sehen.
«SRF bi de Lüt – Abenteuer Wildnis», heute Freitag, 18. Oktober, 20.10 Uhr, auf SRF oder in der Mediathek auf srf.ch. Infos zu Nabil El Nadeims Kursen auf www.survival-skills.ch