«Der Knie ist ein Traum, ein sehr stressreicher Traum»
Mit dem Auftritt im Zirkus Knie reiht sich Marc Haller in einen illustren Kreis Schweizer Comedy Stars ein, wie Giacobbo-Müller, Ursus und Nadeschkin oder René Rindlisbacher. Während im Zirkuszelt alles einfach von der Hand zu gehen scheint, muss sich Marc Haller einem strapaziösen Artistenleben stellen.
Marc Haller empfängt den «Anzeiger» in seinem Wohnwagen: «Bitte Schuhe draussen ausziehen, das macht man im Zirkus so, vor allem wenn es wie jetzt in Strömen regnet.» Dann zeigt er voller Stolz sein kleines Reich, das im Innenraum erstaunlich grosszügig wirkt. In der Nasszelle kommt jedoch ein mulmiges Gefühl auf, als der Boden plötzlich immer schräger wird. «Sofort nach vorne», ruft Marc und erklärt dann: «Wir sind nur ein Wochenende in Schaffhausen. Da habe ich die Stützen hinten nicht herausgedreht. Mich als Leichtgewicht hält das locker, aber für zwei braucht es die Stütze.» Nachdem sich der Wagen wieder in die Horizontale begeben hatte, begann ein erleichtertes, herzhaftes Gelächter. «Comedy entsteht in der Situation. Gut möglich, dass diese Geschichte einmal in ein Programm einfliesst, bei dem die Tücken des Zirkus’ im Zentrum stehen», erklärt Marc Haller.
Zauberei ist in der Manege schwierig
«Im Zirkus Knie zu spielen, war ein Traum für mich, seit ich mich erinnern kann. Ich kenne den Knie seit Kindsbeinen und für mich war er immer der Grösste und ich wusste, dass ich einmal hier spielen wollte», erklärt Marc Haller. Er war bei Salto Natale und konnte dort Manegenerfahrung sammeln. Durch einen dieser Auftritte wurde er dann auch für den Zirkus Knie entdeckt. Auf die Rolle vorbereitet wurde Marc vom bekannten Clown Roli des Zirkus Conelli. Marc Haller: «Ich arbeite mein halbes Leben auf der Bühne. Die Manege ist jedoch etwas ganz anderes. Sie ist rund und Zauberei funktioniert meistens so, dass man nur von einer Seite zusehen darf. Ich musste deshalb Tricks entwickeln, die komplett winkelunabhängig funktionieren. Es ist ein bisschen wie Strassenkunst. Zudem haben wir vor der Tournee nur zwei Wochen Probe, um das Zusammenspiel zu perfektionieren – für meine Comedy war dies besonders schwierig, da wir ohne Publikum geprobt haben und ich erst bei der Premiere erfuhr, ob meine Beiträge funktionieren.»
Improvisieren, wenn etwas nicht funktioniert
Marc Haller hat gesamthaft sieben Auftritte. Von 150 Minuten muss er rund 30 Minuten tragen. Seine Aufgabe ist es, einen Roten Faden ins Programm des Zirkus Knie zu bringen. Marc: «Es ist nicht meine Show; ich will einfach eine Farbe dieses wundervollen Gesamtkunstwerks sein.» Dieses Jahr kommen besonders viele technische Komponenten in der Show zum Einsatz. Diese können, müssen aber nicht funktionieren. Denn durch Transport, Witterung, Auf- und Abbau kann immer eine Störung eintreten. Dann muss Marc improvisieren. Wenn er seine Arbeit gut macht und spontan improvisiert, merkt das Publikum jedoch gar nicht, wenn etwas länger gedauert oder nicht funktioniert hat.
Marc Haller hat ein halbes Jahr an seiner Show für den Zirkus Knie getüftelt, mit seinem Requisitenbauer, Martin Bohnert, aus Hedingen: «Er ist der einzige Requisitenbauer der Schweiz, der selber Zaubererfahrung hat und deshalb meine Ideen und Visionen versteht. Wir konzipieren die Tricks zusammen, er tüftelt und setzt sie baulich um.»
Zirkus kann brutal sein
Für die Nachmittagsshows – an denen viel mehr Familien mit Kindern teilnehmen – lässt Marc einige Gags für Erwachsene weg und baut stattdessen Kindertricks ein. In ihrer eigenen Show auf der Bühne haben Künstler Zeit, Gags aufzubauen. «Zirkus ist sehr schnell und kann bedrohlich wirken. Ich muss das Publikum in Sekundenschnelle abholen, um sie für meine Show zu begeistern. In diesem Umfeld noch eine gute Geschichte zu erzählen, ist nicht einfach. Und ich habe auch immer grosses Lampenfieber. Denn ich muss das Publikum bei jedem meiner Teilauftritte von Neuem abholen und der Geräuschpegel nimmt sofort zu, wenn ich sie nicht in meinen Bann ziehe.»
Ein besonderes Highlight ist für Marc die Zusammenarbeit mit Maycol, dem jüngsten Sohn der Zirkusdirektorin Géraldine Knie: «Er ist fünf Jahre alt, hochprofessionell und spielt wie alle bis zu drei Shows am Tag. Vor unserem Auftritt legt er meine Requisiten zurecht und mahnt mich, nicht zu spät zu kommen. Er hat auch immer Lust auf die Shows, was ich für einen Fünfjährigen für äusserst bemerkenswert erachte. Mit seinem Charme und seinem Gefühl für Stimmungen könnte einmal ein Clown von internationalem Format aus ihm werden.»
Wohin mit dem Adrenalin?
Eine weitere Herausforderung ist es für Marc, nach der Abendshow zur Ruhe zu kommen: «Das Adrenalin von den Shows muss im Körper abgebaut werden, deshalb ist in den ersten Stunden nach der Show nicht an Schlaf zu denken. Oft bin ich bis nach zwei Uhr wach, muss am Morgen aber trotzdem aufstehen. Nach zwei Jahren Corona bin ich aber unglaublich dankbar, dass ich wieder arbeiten kann.» Zudem vermisst er seine Familie. Wenn er frei hat, fährt er deshalb möglichst oft zu ihnen nach Affoltern. Er hat aber auch einen grossen Wohnwagen, damit Frau und Tochter ihn besuchen können: «Gerade meine Tochter liebt das Leben im Wohnwagen – für sie ist es ein grosses Abenteuer und natürlich ist sie stolz auf ihren Papa.»
Die Zeit im Zirkus ist für Marc Haller auf verschiedenen Ebenen bereichernd: «Wir haben Leute aus der ganzen Welt, die hier spielen. Es sind beispielsweise zahlreiche Ukrainer und Russen hier und der Konflikt findet einfach nicht statt. Sie arbeiten, lachen und leben zusammen. Die Hierarchien sind sehr durchlässig und Menschen aus allen Kulturen leben und arbeiten selbstverständlich zusammen. Es ist immer wieder schön zu sehen, dass globale Kulturverständigung möglich ist – im Kleinen wie im Grossen. Im Knie haben alle Kulturen Platz, auch weil der Umgang miteinander einfach wertschätzend ist.»
Zur Sache
Dies bietet der Knie 2023
Auch dieses Jahr bietet der Zirkus Knie eine gut ausbalancierte Mischung aus atemberaubenden Akrobatik-Nummern, den eindrücklichen Pferdenummern der Familie Knie – die dieses Jahr mit dem erst fünfjährigen Maycol Knie und seinem Pony ergänzt werden – und auch ein Weltrekord ist dabei. Wenn zehn Motorräder gleichzeitig in einer Kugel aus Stahlgitter fahren, stockt auch den abgebrühtesten Zuschauenden der Atem.
Besonders eindrücklich sind die Licht- und Wassereffekte, die dieses Jahr ästhetisch neue Massstäbe setzen. Wer ein Ausflugsziel für die ganze Familie oder eine Idee für ein Date sucht, kommt beim Zirkus Knie voll auf seine Kosten. (sals)
Der Zirkus Knie gastiert vom 6. Mai bis 4. Juni in Zürich und vom 17. bis 19. November in Zug. In den Abendshows in Zürich werden Marc Hallers Auftritte durch den Deutsch-Zürcher Stand-up-Comedian Kaya Yanar ergänzt. Weitere Infos unter www.knie.ch.