«Ein Zuschlag passt nie allen»
Von der kniffligen Aufgabe, öffentliches Pachtland gerecht zu verteilen
Ernst Lüscher war, wie er sagt, «doch sehr verwundert», als er im September der Gemeindezeitschrift «Lorzengezwitscher» entnahm, wer die frei werdenden Pachtflächen in Maschwanden erhält: Sein Sohn ist es jedenfalls nicht. Stattdessen gehört Gemeindepräsident Ernst Humbel zu den Berücksichtigten. Er erhält 180 Aren auf einem Stück Land, das sowohl als Wiese als auch als Acker genutzt werden kann. Für Ernst Lüscher ist dieser Zuschlag nicht nachvollziehbar. Er wittert bei der Entscheidungsfindung des Gemeinderats eine Ungleichbehandlung zugunsten des Gemeindepräsidenten.
Lüscher sagt, sein Betrieb erfülle drei von vier Kriterien, die gemäss Ausschreibung «vorrangig» berücksichtigt werden können: «Wir mussten zugunsten der Gemeinde Land abtreten, die Hofnachfolge an einen direkten Nachkommen oder Ehepartner ist bei uns gegeben und die ausgeschriebene Parzelle grenzt direkt an unser Land. Eine Verbesserung der Arrondierung wäre also ebenfalls gegeben. Zudem unterhalten wir bis heute kein Pachtland von der Gemeinde.»
Humbel dagegen pachte bereits Land von der Gemeinde (50 Aren Ökowiese), habe in der Vergangenheit kein eigenes Land abtreten müssen und auch die Arrondierung (also das Vermeiden von Landzerstückelungen) sei bei ihm nicht gegeben. Sein bisheriges Land befinde sich überhaupt nicht in der Nähe, sondern nördlich des Dorfes.
Humbel bestätigt auf Anfrage, dass er nur eines der genannten Kriterien erfüllt. Wobei er für den Umstand, dass die Gemeinde nur Land im südlichen Dorfteil besitzt, nichts kann.
Lüscher wundert sich: «Wieso werden Kriterien publiziert, wenn sich der Gemeinderat dann trotzdem nicht daran hält?»
Entscheidungsprozess bleibt geheim
Wie stark jedes der erwähnten Kriterien bei der Vergabe tatsächlich ins Gewicht fiel, weiss allein der Gemeinderat. Auf Anfrage nimmt Gemeindeschreiberin Chantal Nitschké zur Pachtvergabe Stellung. Fragen zum Auswahlverfahren – etwa, was unter Berücksichtigung der publizierten Kriterien für einen Zuschlag an Ernst Humbel sprach, bleiben allerdings unbeantwortet. Auf Details geht der Gemeinderat nicht ein.
Weil es für die Vergabe von Pachtländereien keine gesetzlichen Normen gebe, habe sich der Gemeinderat intensiv und in Absprache mit dem Kanton sowie dem Naturschutzbeauftragten auf die publizierten Verpachtungskriterien geeinigt. Zudem werde bei der Vergabe das bereits gepachtete Gemeindeland sowie die vorgesehene Bewirtschaftungsart berücksichtigt. «Jede Bewerbung wurde durch den restlichen Gemeinderat objektiv und ohne Berücksichtigung jeglicher Dienste der Bewerbenden zugunsten der Gemeinde vorgenommen», betont Chantal Nitschké. Es sei dem Gemeinderat ein Anliegen gewesen, dass die verpachteten Flächen nachhaltig und mit vorausschauender Planung bewirtschaftet würden: «Entsprechend wurden die Bewerbungen inhaltlich einer eingehenden Prüfung unterzogen und diejenigen Interessenten berücksichtigt, welche sich vertieft mit den vom Gemeinderat publizierten Kriterien auseinandergesetzt haben. Ebenfalls honoriert wurde die Auseinandersetzung mit den einzelnen Pachtflächen und die konkreten Vorschläge für deren Nutzung und Bewirtschaftung.» Weiter habe sich der Gemeinderat dafür ausgesprochen, grundsätzlich eher kleinere, familiäre Betriebe bei der Vergabe zu berücksichtigen, die bisher kein oder wenig Pachtland der Gemeinde zugesprochen bekommen hätten.
Aufgrund der Anzahl der Bewerbungen sei von Anfang an klar gewesen, dass nur eine Minderheit bei der Vergabe berücksichtigt werden konnte. «Es ist klar, dass nun ein Grossteil der Bewerbenden enttäuscht über den verpassten Zuschlag ist.»
In erster Linie immer noch Landwirt
Aus Lüschers Sicht hätte das Amt als Gemeindepräsident es geboten, bei der öffentlichen Vergabe von Pachtland Zurückhaltung walten zu lassen. «Auch ich hätte mich während meiner Zeit als Gemeindepräsident für neues Pachtland bewerben können», sagt er. «Doch ich habe es nicht gemacht. Das ist doch Ehrensache!»
Ernst Humbel dagegen sagt, für ihn sei von Anfang an klar gewesen, dass er sich für das Pachtland bewerbe und bei diesem Geschäft in den Ausstand trete. Daraus habe er auch kein Geheimnis gemacht. Er habe zwar geahnt, dass wohl nicht alle seine Entscheidung verstehen werden. Deshalb auf die Bewerbung zu verzichten, sei für ihn jedoch keine Alternative gewesen: «Es darf mir doch nicht zum Nachteil gereichen, dass ich mich in einem öffentlichen Amt engagiere.» Seinen Lebensunterhalt verdiene er nach wie vor als Landwirt, betont Humbel: «Eher würde ich von meinem Amt zurücktreten, bevor ich auf ein Stück Land verzichte.»
Hört man sich unter Landwirten im Dorf ein bisschen um, sind auch Stimmen zu vernehmen, die die Landzuteilung nicht ganz so problematisch sehen wie Ernst Lüscher. Auch Ueli Ehrler bewirtschaftet Land, das direkt an jene Parzelle angrenzt, die nun Humbel erhalten hat. Auch er hatte sich beworben, doch weil er bereits 220 Aren Gemeindeland bewirtschaftet, war ihm klar, dass er dieses Mal wohl nicht berücksichtigt werden kann. Den Zuschlag für die so begehrte Parzelle hätte er auch Nino Stehli gegönnt, mit dem er eine Betriebsgemeinschaft bildet. Stehli hat zwar 157 Aren Land erhalten. Mit Blick auf die Arrondierung hätte das 180 Aren grosse Grundstück, das Humbel erhalten hat, jedoch deutlich mehr Sinn ergeben. Das sei schade, sagt Ehrler, bitter wird er deswegen aber nicht: «Alles in allem dünkt mich die Aufteilung trotzdem fair.»
In Mettmenstetten entscheidet das Los
Wie lässt sich öffentliches Land gerecht verteilen – ist das überhaupt möglich? «Ein Zuschlag passt nie allen», sagt auch Martin Haab, Landwirt in Mettmenstetten und Präsident des Zürcher Bauernverbands. Er weiss von Fällen im Kanton, bei denen solche Vergaben unter Landwirten für ziemlich viel böses Blut und grobe Worte sorgten. In den meisten Fällen lege sich die Verstimmung unter den Berufskollegen aber bald wieder.
Die Gemeinde Mettmenstetten ging bei der Pachtvergabe zuletzt einen anderen Weg: Sie liess das Los entscheiden. Für Haab hat sich diese Methode allerdings nicht bewährt: Beide Male habe es einen Betrieb erwischt, dessen restliches Land überhaupt nicht in der Nähe liege. «Das macht wenig Sinn. So entstehen weite Wege, die nicht nötig wären.» Auch die Hofnachfolge sei auf diesen Betrieben nicht gegeben gewesen. Haab spricht sich nicht grundsätzlich gegen Losentscheide aus, gewisse Grundvoraussetzungen und eine Vorselektion nach diesen Kriterien scheinen ihm dabei aber sinnvoll. Und noch etwas gibt Martin Haab zu bedenken: Durch das aktuelle Direktzahlungssystem werde das Ringen um Landflächen noch verstärkt: «Die Direktzahlungen sind zu stark an die Fläche gebunden», sagt er. Wer mehr Flächen bewirtschafte, erhalte mehr Geld. «So kämpfen die Bauern um jeden Hektar». Diese Entwicklung hält er für problematisch. Besser wäre es aus seiner Sicht, wenn das Produkt oder die Arbeitsleistung mehr ins Gewicht fallen würden.