Eine Gruppierung will Tatsachen schaffen

Serie Biodiversität (3/5): wie mit dem Netzwerk Biodiversität Säuliamt eine neue politische Kraft entstand

Soll im Bezirk Affoltern mehr Geld für die Biodiversität fliessen? In vier Gemeinden hatten die Stimmberechtigten bereits die Wahl. (Bild Alex Spichale/CH Media)

Soll im Bezirk Affoltern mehr Geld für die Biodiversität fliessen? In vier Gemeinden hatten die Stimmberechtigten bereits die Wahl. (Bild Alex Spichale/CH Media)

Kurz vor 20 Uhr kam es in der Turn-halle Schachen in Hedingen zum Showdown. 190 Stimmberechtigte waren an jenem Dezemberabend anwesend, und an ihnen lag es nun: Wollten sie jetzt, und zwar genau jetzt, die Hand heben, der Einzelinitiative ihres Mitbürgers Beat Kessler zustimmen und damit 240 000 zusätzliche Franken für die Biodiversität freigeben? Oder wollen sie die Forderung mit einem Nein bachab schicken?

Beide Male schnellten mehrere dutzend Arme nach oben, es wurde denkbar knapp. Am Schluss machten acht Stimmen den Unterschied ... und liessen die Befürworterinnen und Befürworter klatschen und jubeln. Damit hatte Hedingen sein Budget für den Natur- und Artenschutz soeben um eine Viertelmillion Franken aufgestockt (notabene entgegen der Empfehlung des Gemeinderats, der die Auffassung vertreten hatte, dass bereits genug getan werde).

Hedingen war im vergangenen Herbst nicht die einzige Gemeinde, die über zusätzliches Geld für die Biodiversität abstimmte. In Ottenbach wurden 150 000 Franken gefordert, in Bonstetten 200 000 und in Hausen 250 000 Franken. In zwei dieser drei Gemeinden mit Erfolg: In Ottenbach sprachen sich die Stimmberechtigten für den Gegenvorschlag des Gemeinderats aus, einen Rahmenkredit über 120 000 Franken für die Jahre 2024 bis 2027. Und auch in Hausen machte der Gegenvorschlag das Rennen; wodurch die Gemeinde ihr jährliches Biodiversitätsbudget unbefristet um 30 000 Franken aufstockt.

Ein Parallel-Netzwerk aus Privaten entsteht

Eingereicht wurden die Initiativen von Einzelpersonen. Dahinter aber stand eine Gruppierung von Personen, welche sich in den Monaten davor zum «Netzwerk Biodiversität Säuliamt» zusammengefunden hatten. Dazu gehören auch Vertreter der privaten Naturschutzvereine wie des Vereins Naturnetz Unteramt (VNU), des Natur- und Vogelschutzvereins Bezirk Affoltern (NVBA) sowie Mitglieder von Naturschutzkommissionen oder von Parteien.

In einem internen Strategiepapier wird der Zweck folgendermassen beschrieben: «Im ‹Netzwerk Biodiversität Säuliamt› treffen sich Menschen aus verschiedenen Ortschaften und aus bestehenden Gruppierungen aus dem Knonauer Amt, die sich für Schutz und Förderung der Biodiversität einsetzen wollen. Das Netzwerk bündelt Kräfte, die sich für die Biodiversität im Säuliamt einsetzen, es ermöglicht gegenseitige Unterstützung und den Austausch von Erfahrungen, es bietet Know-how und Ideen, es plant gemeinsame Aktionen und führt sie durch.»

In anderen Worten: Der Zweck deckte sich grossflächig mit dem, was gewisse Kreise sich ursprünglich vom Naturnetz Knonauer Amt erhofft hatten. Neben Christa Reichwein federführend beim Aufbau der neuen Gruppierung: Marina Gantert. Sie sagt: «Als ich merkte, dass ich mich beim Naturnetz Knonauer Amt nicht einbringen kann, habe ich nach einem anderen Weg gesucht, um mich im Bezirk für die Biodiversität starkzumachen und möglichst zeitnah Verbesserungen zu bewirken.»

Zwei Netzwerke, die koexistieren, statt Kräfte zu bündeln

Bevor die Einzelinitiativen im Herbst 2023 vor die Stimmberechtigten kamen, nahm das neue Netzwerk Biodiversität mehrmals in Artikeln in der Öffentlichkeit Stellung. Rund um das Wirken des Naturnetzes Knonauer Amt blieb es währenddessen ruhig. Zu den Einzelinitiativen hat es sich in der Öffentlichkeit nicht geäussert. Mit anderen Worten: Es gab nun zwei Netzwerke, die parallel nebeneinander existierten und eigene Ziele verfolgten: Eines, das von den Gemeinden getragen wird und eines von Privatpersonen.

Marina Gantert sagt, vor der Gründung des «Netzwerk Biodiversität Säuliamt» im Herbst 2022 habe sie erneut den Kontakt zu Johannes Bartels und Nathanaël Wenger vom Naturnetz Knonauer Amt gesucht, die Idee mit den Einzelinitiativen vorgestellt und so nochmals einen Anlauf für eine Zusammenarbeit genommen: «Ich habe mir erhofft, dass wir am gleichen Strick ziehen und dass sie unser Vorhaben unterstützen.» Sie sah darin für beide Seiten eine klassische Win-win-Situation: «Es wäre für mich zum Beispiel denkbar gewesen, dass die Standortförderung Kurse aufgleist, die die Gemeinden mit den Geldern aus der Initiative hätten einkaufen können.» Doch auch dieses Mal sei sie aufgelaufen, sagt Gantert. Wie in den Monaten zuvor, als sie versucht hatte, sich beim Naturnetz Knonauer Amt einzubringen.

Im März 2023 nahm das Naturnetz Knonauer Amt gegenüber den Initianten des Netzwerks Biodiversität Säuliamt auf Wunsch schriftlich Stellung zu den Initiativen: In dem von Wenger und Bartels unterzeichneten Schreiben heisst es: Als Naturnetz (das im Wesentlichen von den Gemeinden getragen wird) könne man sich grundsätzlich nicht in die demokratischen Prozesse einer Gemeinde einmischen. Es sei den Gemeinden beziehungsweise ihren politischen Organen und Initiativen überlassen, die Prioritäten, Ziele und Engagements zur Biodiversitätsförderung zu definieren.

Für Marina Gantert war das einmal mehr eine verpasste Chance. Erneut nahm sie das Naturnetz Knonauer Amt, das aus ihrer Sicht eigentlich eine treibende Kraft zugunsten von Natur und Biodiversität sein sollte, als Bremse wahr.

Naturnetz in der Bredouille wegen finanzieller Abhängigkeit

In der Sache habe man dem Anliegen der Initianten fraglos zugestimmt, entgegnen Johannes Bartels und Nathanaël Wenger. «Natürlich sind Bestrebungen für mehr Biodiversität in unserem Sinn.» Trotzdem habe das Rollenverständnis ein Engagement ausgeschlossen: «Es ist nicht die Aufgabe des Naturnetzes, öffentlich Druck zu machen und den Gemeinden zu sagen, was sie politisch unternehmen sollen», sagt Bartels. «Das Tempo der Massnahmen ist eine politische Frage, die nicht der Standortförderung obliegt.» Eher sei es umgekehrt; also dass die Standortförderung Aufträge von ihrer Trägerschaft erhalte.

Trotzdem sei man nicht untätig geblieben. So habe das Naturnetz Knonauer Amt für die Gemeinden einen runden Tisch organisiert, um sich zu den Initiativen auszutauschen. Dort habe es für Gemeinden, die einen Gegenvorschlag ausarbeiten wollten, die Möglichkeit gegeben, sich bei einem Fachberater Empfehlungen einzuholen. Denn der Initiativtext habe auch inhaltliche Schwächen gehabt. Etwa, dass die Gemeinden bei einem Ja gezwungen gewesen wären, das gesprochene Geld innert des vorgegebenen Zeitraums auszugeben, was tendenziell eher Strohfeuerprojekte begünstigte als nachhaltig wirksame Massnahmen.

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