Eine juristische Instanz, die um den Frieden feilscht
Zu Besuch bei Hansueli Rickli, dem dienstältesten Friedensrichter im Bezirk Affoltern
Eine juristische Instanz, die aber nicht juristisch urteilt, sondern in Verhandlungen Lösungen sucht – und sozusagen um den Frieden feilscht: Friedensrichterämter entlasten Gerichte. Besuch beim dienstältesten Friedensrichter im Bezirk, Hansueli Rickli, in Affoltern.
Die Räume im Hotel Löwen in Affoltern wurden zu klein, und der Vermieter meldete andere Bedürfnisse an. Seit ein paar Jahren ist Friedensrichter Hansueli Rickli an der Büelstrasse 11 domiziliert – als Nachbar der Feuerwehr und nur einen Steinwurf vom Bezirksgericht entfernt. Er amtet im Bezirkshauptort seit dem 15. Mai 1996 als Friedensrichter und ist somit der dienstälteste im Bezirk Affoltern. Hier handelt es sich um ein 45-Prozent-Pensum. «Ein guter Mix zwischen meiner Tätigkeit als Inhaber einer Marketing- und Technikfirma und dem Job als Friedensrichter, den ich noch bis zu den Neuwahlen in vier Jahren ausüben werde», fügt Rickli bei. Friedensrichterinnen und Friedensrichter sind jeweils für sechs Jahre gewählt.
Hansueli Rickli empfängt in einem grösseren Raum, der bestückt ist mit einem runden Tisch und zwei weiteren Sitzgelegenheiten. Laptop und Beamer ermöglichen ihm, im Verlauf einer Verhandlung mit den Streitparteien eine mögliche Lösung, einen Vergleich etwa, direkt auf die Leinwand zu projizieren. Dabei überlässt es Hansueli Rickli dem Anwalt einer Partei schon mal, selber an den Worten zu feilen – falls es kompliziert wird. «Das kann bei Arbeitszeugnissen der Fall sein, wo es oft nur um Worte geht», sagt er. Aber wirklich kompliziert ist es nur bei etwa 10 Prozent der arbeitsrechtlichen Fälle.
Auch mit Humor
In Verhandlungen kommt ihm seine jahrelange Erfahrung zupass. Dazu gehört auch die Schaffung einer lockeren Atmosphäre, zu der bei Verhandlungsbeginn auch das Anbieten eines Kaffees gehört. «Harzt es dann im Rahmen der Verhandlung, so trenne ich die Parteien, damit der Anwalt mit seinem Klienten in einem separaten Raum unter vier Augen reden kann – und ihn womöglich in diskretem Rahmen ermuntert, etwas nachzugeben», hält Hansueli Rickli fest. Das geht dann vielleicht eine Weile hin und her; der Friedensrichter versucht, Lösungsvorschläge zu kreieren und herauszuhören, wie stark Parteien bereit sind, um Frieden zu erreichen und sich damit den Gang ans Gericht zu ersparen. «Wir märten oder feilschen sozusagen um den Frieden. Schliesslich sage ich: Wollen Sie wirklich in dieses hässliche Gebäude mit Stacheldraht ennet der Strasse»», lacht der Friedensrichter, der in seinen Verhandlungen auch mal auf Humor setzt. Wenn er die Parteien empfängt, so geht das immer einher mit dem Hinweis, wonach es bei der Verhandlung nicht um Rechtsprechung gehe, sondern um eine allseits befriedigende Lösung – sei das bei Forderungsklagen, bei Arbeits- oder Erbrechts- oder Unterhaltsklagen, bei Nachbarschaftszwists oder anderen Streitigkeiten.
Drei Phasen
Der Friedensrichter, die Friedensrichterin sind zwar juristische Instanz, urteilen aber nicht juristisch. Sie schlichten und machen eine Art Mediation. Diese «Vorrunde» ist vor einem Gerichtsgang grundsätzlich obligatorisch. Einem Vergleich folgt eine Verfügung, die auch als Urteil gilt. Findet sich keine Lösung, so erteilt das Friedensrichteramt die Klagebewilligung für die gerichtliche Auseinandersetzung. Hansueli Rickli nennt drei Phasen einer Verhandlung bei ihm: Erstens die sogenannte «Kropfleerete», die den Frust zum Verschwinden bringen soll. Zweitens versucht er, Missverständnisse darzustellen und aus dem Weg zu räumen. Und drittens folgt der Blick nach vorne: Der Gang zum Gericht mit weiteren Monaten der Ungewissheit – oder der Konflikt ist beim Verlassen des Büros beigelegt.
Bis 2000 Franken in eigener Regie
Wer vom Friedensrichteramt vorgeladen wird, muss persönlich erscheinen. Verweigert eine Partei die Entgegennahme der Vorladung, kann diese polizeilich überbracht werden. Ein Friedensrichteramt kann Forderungen einer Partei bis 2000 Franken in eigener Regie entscheiden – zustimmen oder ablehnen. Ein schriftliches Urteil gibt es aber meist nur, wenn die Gegenpartei nicht erscheint. Bei Forderungen bis 5000 Franken ist die Instanz berechtigt, einen Urteilsvorschlag zu unterbreiten. Falls der abgelehnt wird, erteilt der Friedensrichter die Klagebewilligung fürs Gericht. Verweigert eine Partei die Annahme der Postsendung mit dem Urteilsvorschlag gilt dieser trotzdem als angenommen, und der Urteilsvorschlag wird nach Ablauf der Frist rechtskräftig.