Flaschenschläger muss drei Jahre ins Gefängnis
Obergericht erhöht Gesamtstrafe für siebenfach vorbestraften Schweizer
Im Oktober 2020 kam es in Affoltern erst zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen zwei Gruppen mit insgesamt acht Beteiligten. Als zwei Männer im Alter von damals 20 und 21 Jahren bei der anderen Gruppe um Zigaretten baten, eskalierte die Situation. Der eine verabreichte dem Privatkläger einen Fusskick gegen Schläfe, Kinn und Hals und trat nach, als sich das Opfer am Boden befand. Als es sich erheben wollte, zog ihm der andere eine halb volle Wodkaflasche über den Kopf. Das Opfer erlitt dabei ein Schädel-Hirn-Trauma, eine Rissquetschwunde am Hinterkopf sowie eine Verletzung am Knie.
Im Rahmen der Verhandlung am Bezirksgericht Affoltern Anfang Mai 2022 räumten die beiden Angeklagten den Sachverhalt teilweise ein. Sie führten aber Erinnerungslücken ins Feld, hervorgerufen durch starken Alkoholkonsum. Die Verteidiger sprachen von Notwehr der Angeklagten, von widersprüchlichen Zeugenaussagen. Sie verlangten Freisprüche vom Vorwurf der qualifiziert schweren Körperverletzung und plädierten für eine Verurteilung wegen einfacher Körperverletzung. Der Staatsanwalt forderte für den Flaschenschläger eine 40-monatige Gefängnisstrafe, für den anderen eine solche von 17 Monaten. Das Bezirksgericht Affoltern erkannte auf versuchte schwere Körperverletzung/Angriff und verurteilte den Flaschenschläger zu 34 Monaten Gefängnis, sechs davon unbedingt. Der Fusskicker erhielt eine solche von 28 Monaten, wovon ebenfalls sechs Monate zu vollziehen sind (der «Anzeiger» hat darüber berichtet).
Im Berufungsverfahren vor Obergericht stand nun der Flaschenschläger, der sieben zum Teil einschlägige Vorstrafen aufweist. So ist er in Zürich im Frühjahr 2024 wegen Raufhandels und einfacher Körperverletzung zu zehn Monaten Gefängnis verurteilt worden – als Zusatzstrafe zu einem Strafbefehl vom Juni 2022 wegen Verstosses gegen das Waffengesetz und wegen grober Verletzung von Verkehrsregeln. Dafür kassierte er 60 Tage unbedingt, die er per Fussfessel verbüsst hat. Vor Obergericht verlangte der Staatsanwalt, der in Berufung ging, eine Zusatzstrafe von 46 Monaten – auch unter dem Hinweis, dass der Beschuldigte während der Probezeit delinquiert hat. Er habe mit der Flasche gegen den Kopf geschlagen, das Opfer habe sich am Boden liegend nicht gewehrt. Die Wucht des Schlages illustriere die zerborstene Flasche. Im Nachverhalten habe der Mann die Taten bagatellisiert, sei in vielen Einvernahmen nicht geständig gewesen und habe nur phasenweise gewisse Zugeständnisse gemacht. Das Bundesgericht befürworte in solchen Fällen mit einschlägigen Vorstrafen eine Straferhöhung von bis zu 50 Prozent, vorliegend rechtfertige sich eine solche von gegen 40 Prozent, führte der Staatsanwalt aus. 46 Monate seien in diesem Fall angemessen. Er verwies auch auf eine Vorstrafe, für die der Beschuldigte wegen Raubes eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen erhalten hat. «Das war krass falsch, da hätte man eine Gefängnisstrafe aussprechen müssen», ist der Staatsanwalt überzeugt. Klar für ihn: «Bedingt oder teilbedingt kommt jetzt nicht mehr infrage.»
Leben «um 180 Grad gekehrt»
Seit den Taten habe er sein Leben «um 180 Grad gekehrt», beteuerte der beschuldigte Schweizer vor Obergericht. Er habe sich von «alten» Kollegen distanziert und bewege sich in einem anderen Umfeld. Er habe eine 100-Prozent-Anstellung, betreibe laufend Weiterbildungen, konsumiere keine Drogen mehr und trinke nur mässig Alkohol. Schulden zahle er regelmässig ab. «Wenn ich ins Gefängnis muss, werde ich arbeitslos, alles geht da kaputt», sagte der junge Mann und beteuerte: «Es tut mir leid, ich bereue alles zutiefst und hoffe, dass ich eine Strafe in Halbgefangenschaft verbüssen kann.»
Ihn vor einem Gefängnisaufenthalt bewahren, wollte auch seine Verteidigerin. Sie plädierte für eine Zusatzstrafe von 24 Monaten zu den 12 Monaten, die er in Zürich erhalten hat. Von diesen 12 Monaten seien deren zwei per Fussfessel schon vollzogen worden. Dies alles bei einer Probezeit von vier Jahren. Die Verteidigerin bekräftige das, was ihr Mandant zuvor schon gesagt hatte: dass er sich seit nunmehr zweieinhalb Jahren nichts mehr zuschulden habe kommen lassen, dass er sich stabilisiert und das Leben in den Griff bekommen habe, bewiesen auch seine Schuldenrückzahlungen.
Sie verwies auch auf die Länge des Verfahrens: Der Vorfall in Affoltern liegt nunmehr vier Jahre zurück. Seine Resozialisierung sei aus eigener Kraft erfolgt, eine Gefängnisstrafe würde alles zunichtemachen. Das Gericht müsse seine nachweisbaren Bemühungen honorieren, so die Verteidigerin.
Das passierte dann nicht in ihrem Sinne. Das Obergericht verurteilte den Mann zu einer Gesamtstrafe von 36 Monaten Gefängnis, als Zusatzstrafe zur Verurteilung in Zürich – abzüglich 36 Tage U-Haft. Die Strafe wird vollzogen. Der Verhandlungsleiter machte klar, dass vorliegend eine teilbedingte Strafe nicht mehr infrage kommt. Nicht nur wegen der Vorstrafen (dazu zählt auch ein Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz), sondern auch wegen der Schwere der Tat. So sei das Opfer wehrlos auf dem Boden gewesen. Reiner Zufall, dass da nicht mehr passiert sei. Das Bundesgericht habe in ähnlichen Fällen auch schon von versuchter Tötung gesprochen. Das Geständnis falle hier nicht stark ins Gewicht. «Aber die Reue nehmen wir Ihnen ab», so der Verhandlungsleiter. Die Genugtuung setzte das Obergericht bei 1500 Franken fest; 1300 Franken hat er dem Opfer bereits zukommen lassen. Die Gerichtskosten von 3000 Franken werden zu vier Fünfteln dem Beschuldigten auferlegt, derweil die Anwaltskosten einstweilen auf die Gerichtskasse genommen werden. Auf eine Prozessentschädigung wird nicht eingetreten. Offen ist, ob eine oder beide Parteien das Urteil am Bundesgericht anfechten.
Urteil vom 4.11.24, Geschäftsnummer SB 230 429-O, noch nicht rechtskräftig