Heiz-Wettbewerb in Hausen als Basis für internationales Hilfsprojekt

Grosses Interesse in der Ukraine an den Ideen der Energie-Tüftler

die «Torfländer Solex-Club»-Mitglieder Christoph Lüthi (2. v. l.), Technik-Unternehmer und Mittüftler Benjamin Hotz (orange Mütze) sowie (mit dunklen Mützen, von links) Jonas Huber, Marcel Schneebeli und Roli Jäger. Im Hintergrund (links) ETH-Professor und Jury-Mitglied Roland Siegwart sowie (3. v. l.) der Initiant und international erfolgreiche Tüftler Andreas Reinhard. (Bild Daniel Vaia)

die «Torfländer Solex-Club»-Mitglieder Christoph Lüthi (2. v. l.), Technik-Unternehmer und Mittüftler Benjamin Hotz (orange Mütze) sowie (mit dunklen Mützen, von links) Jonas Huber, Marcel Schneebeli und Roli Jäger. Im Hintergrund (links) ETH-Professor und Jury-Mitglied Roland Siegwart sowie (3. v. l.) der Initiant und international erfolgreiche Tüftler Andreas Reinhard. (Bild Daniel Vaia)

Designmässig noch verbesserungsfähig, aber technisch brauchbar: die auf Holzpaletten vor einem Zimmerfenster erstellte Heizung des Torfländer Solex-Clubs aus Rifferswil. Der Notstrom-Generator steckt oben im Holzkasten auf der Matratze. (Bild Daniel Vaia)

Designmässig noch verbesserungsfähig, aber technisch brauchbar: die auf Holzpaletten vor einem Zimmerfenster erstellte Heizung des Torfländer Solex-Clubs aus Rifferswil. Der Notstrom-Generator steckt oben im Holzkasten auf der Matratze. (Bild Daniel Vaia)

Kann man mit Sperrgut und Recyclingmaterial sowie einem Notstrom-Generator in kurzer Zeit ein Zimmer oder gar ein Haus beheizen? Im Rahmen der ­Initiative «Wärmestrom Ukraine 24» haben am Wochenende in Hausen Tüftler-Teams nach Lösungen gesucht. Und gefunden. Sie schafften es, die sonst ­ungenutzt verpuffte Abwärme aus ­Notstrom-Generatoren so weit zu kanalisieren, dass damit in kürzester Zeit Schulzimmer von 12,9 Grad Aussentemperatur auf über 18 Grad geheizt werden konnten. Das vom international bekannten Solar- und Technikpionier Andreas Reinhard initiierte Projekt ist bereits jetzt in ukrainischen Kreisen auf grosses Interesse gestossen.

Ganz am Anfang, so Andreas Reinhard, habe er sich die Frage gestellt, wie er angesichts des Kriegs in der Ukraine seine «eigene, lähmende Haltung» ­loswerden könnte. Da er «ein wenig ­Ahnung von Energie» habe, so Reinhard selbstironisch (der Solarenergie-Pionier baute zum Beispiel 1973 die höchst­gelegene Solaranlage in den Alpen), sei er auf die Idee gekommen, den Wettbewerb zu lancieren.

Denn nach Angaben der Wärmestrom-Initiative könnten in diesem Winter in der Ukraine wegen der Energienotlage «mehr Menschen umkommen als durch kriegerische Handlungen». So habe Russland seit Kriegsbeginn mit Bomben und Raketen 85 Prozent der ukrainischen Energieinfrastruktur zerstört.

40 Vorschläge eingereicht

Für den Wettbewerb reichten 40 Tüftler aus der Schweiz Vorschläge ein. Drei Teams wurden schliesslich für das Finale an diesem Wochenende ausgewählt. Dabei reichte die Bandbreite von einem Experten, der beruflich einen Formel-1-Rennstall in der Motorentwicklung berät, bis hin zum Torfländer Solex-Club aus Rifferswil. Dieser war bisher unter anderem dafür bekannt, mit viel technischem Können, einen Velosolex-Motor so weit «frisiert» zu haben, dass das ­Gefährt 70 km/h erreicht. «Ich finde ­Projekte, wie das Wärmestrom-Projekt, ­extrem cool», meinte dazu Christoph Lüthi, Solex-Club-Mitglied und Gemeindepräsident von Rifferswil.

Die Aufgabe der Teams am Wochenende: Die Abwärme eines zur Verfügung gestellten Notstrom-Aggregats so weit aufzufangen und umzuleiten, dass ­damit ein Schulzimmer in der Tagesschule Birke geheizt wird. Die besondere Hürde dabei: Es durften nur einfachste Hilfsmittel verwendet werden, wie sie unter anderem in Kriegsgebieten in den Trümmern zu finden sind. Die Anlagen durften keine gefährlichen Abgase oder übermässigen Lärm produzieren. Und sie müssen später selbst durch Laien installiert werden können. Einen eigentlichen Wettbewerbsgewinner sollte es keinen geben. Ziel war viel mehr, die besten Lösungen und wichtigsten Erkenntnisse miteinander zu vereinen.

Generatoren nutzen wenig Energie

Hinter der Aufgabe steht die simple Erkenntnis, dass die mit Benzin oder Diesel betriebenen Notstrom-Generatoren nur gerade 20 Prozent der eingesetzten Energie in Strom umwandeln. Die übrigen 80 Prozent entweichen als Abwärme ungenutzt in die Luft. Diese Abwärme zu nutzen, so Reinhard, sei grundsätzlich «keine Raketenwissenschaft». Anders sehe es aus, wenn man die erwähnten Hürden berücksichtigen müsse. Als prominentes Jury-Mitglied amtete Roland Siegwart, ETH-Professor für Robotik. Er habe die Idee sehr spannend ­gefunden, erklärte er gegenüber dem «Anzeiger», zumal er generell sehr an Energiefragen interessiert sei. Parallel liessen sich gleich mehrere lokale Organisationen und Firmen gewinnen, die das Projekt auf ihre Weise unterstützten, darunter Müller Müll (Sperrgut und Recyclingmaterial), die Schreinerei / Zimmerei Müller (Holzarbeiten), das Albishaus (Catering), Belimo (Messtechnik) und die Gemeinde Hausen (Scheinwerfer der Feuerwehr).

Ukraine interessiert an Lösungen

Vor Ort wurde der Wettbewerb unter anderem von Michael Roffler verfolgt, von der Vereinigung Pro Ukraina, einer ukrainischen Hilfsorganisation. Er habe bereits jetzt «hell begeisterte Reaktionen aus der Ukraine erhalten», erklärte er am Sonntag in Hausen, unter anderem von Personen aus dem Aussenministerium und der Botschaft in Wien. Man sei «extrem interessiert an Lösungen, um Energie zu gewinnen». Es habe sich gezeigt, dass das Konzept grundsätzlich funktioniere, nun gehe es darum, es zu verfeinern. Man diskutiere bereits darüber, eventuell einen Bausatz herstellen zu lassen. Roffler: «Die Ukrainer sind Improvisationskünstler, die lassen sich durch nichts unterkriegen.»

Die Wärmestrom-Initiative selber will nun möglichst schnell Schritt-für-Schritt-Anleitungen anfertigen und unter anderem als Videos über die ­sozialen Medien in der Ukraine verbreiten. An­dreas Reinhard, der in den 90er-Jahren oft beruflich in der Ukraine und in Russland unterwegs war, will nach eigenem Bekunden in erster Linie «den Schwachen helfen» – und nicht Politik betreiben. Durchaus denkbar ist, dass das Tüftler-Wochenende in Hausen die Basis für ein grösseres Projekt werden könnte. Er habe in den letzten Wochen mit vielen Firmen sowie mit Bundesämtern in Bern in Kontakt gestanden, sagte Reinhard. Und er habe viele begeisterte Reaktionen erhalten. Doch angesichts des bis dahin noch ungewissen Ausgangs des Wettbewerbs hätten viele zunächst mit einer konkreten Teilnahme gezögert.

Das könnte sich in den nächsten Tagen und Wochen ändern. Vorstellbar ist auch, dass selbst Schweizer Besitzer von Notstrom-Generatoren näheres Interesse bekunden. Denn vor nicht allzu langer Zeit wurde hierzulande noch relativ intensiv über «Strommangellagen» und «Blackouts» diskutiert.

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