Höhepunkt im Jagdkalender

Im November und Dezember finden im Knonauer Amt die Gesellschaftsjagden statt – ein Augenschein

Die Treibenden (von links), Hermann Bättig, Andy Faoro und Fabian Kraxner unterwegs zu ihren Posten – unterstützt von den emsigen Vierbeinern. (Bilder Sandra Isabél Claus)

Die Treibenden (von links), Hermann Bättig, Andy Faoro und Fabian Kraxner unterwegs zu ihren Posten – unterstützt von den emsigen Vierbeinern. (Bilder Sandra Isabél Claus)

Das Jagdbläser-Trio posaunt mit dem Horn zum Jagdaufbruch.

Das Jagdbläser-Trio posaunt mit dem Horn zum Jagdaufbruch.

Am Donnerstag vergangener Woche, im Morgengrauen, steigt die Spannung, als die kurz bevorstehende Treibjagd mit Jagdhörnern angeblasen wird. Die ­Temperaturen bewegen sich knapp im Plusbereich. Es ist trocken. Paul Erni, Wildhüter und Obmann des Jagdreviers Affoltern, begrüsst die eng beieinanderstehende, mit Leuchtwesten ausgerüstete Jagdgesellschaft und übergibt zügig an Jagdaufseher, Jean-Marc Zachary Krähenmann. Als Jagdleiter ist er für die Jagd sowie für die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften verantwortlich. Er verweist auf den Jagdablauf und macht auf die strengen Sicherheits­bestimmungen aufmerksam. Dann geht es los!

Die Gruppe teilt sich auf in Jagende, Treibende und verschiedene Helfende, die für die Signalisierung mit Warnschildern im Jagdgebiet sowie das leibliche Wohl der Anwesenden zuständig sind. Die Jägerinnen und Jäger suchen ihre vorher genau definierten Posten im zu bejagenden Waldabschnitt auf. Die Treibenden teilen sich in zwei Gruppen auf und positionieren sich in einem Abstand von 20 bis 30 Metern im Wald. Zum vereinbarten Zeitpunkt ertönt ein Ton aus den Jagdhörnern. Die Jagd beginnt.

Plötzlich schiesst ein Reh durch die Treibenden hindurch

Die Menschenkette setzt sich in Bewegung, langsam, meist in Sichtweite, immer in Hörweite voneinander. «Hoi, hoi, hooiii», tönt es von den Treiberinnen und Treibern. Dies nicht nur, um das Wild von Weitem aufzuscheuchen, sondern auch als Orientierung für Jagende und Mittreibende. Denn es ist wichtig, den Wald möglichst in einer Linie zu durchkämmen. Der Weg führt die Treiberinnen und Treiber durchs Dickicht des Affoltemer Unterholzes, über teils hüfthohe Brombeerhecken und durch dichte Stechpalmen-Wäldchen. Plötzlich, aus dem Nichts, schiesst ein Reh zwischen zwei Treibenden hindurch. «Reh nach hinten, Reh nach hinten», schreien diese und warten angespannt. Doch es ertönt kein Schuss. Das Reh war zu clever oder zu schnell für die Jagenden.

Diese verbringen die meiste Zeit mit Warten. Sie lauschen den Waldgeräuschen und den lauten Rufen der Treibenden. Und frieren. Nach ungefähr einer Stunde hallen drei Töne aus den Jagdhörnern. Die erste Jagdrunde ist vorbei. Es folgt eine nächste, bevor sich alle Beteiligten am Ausgangspunkt treffen und Erlebtes rapportieren. Es wurden Wildtiere gesichtet, ein Fuchs wurde geschossen. Nun findet der Aser, das Mittagessen im Freien, statt. Die Gesellschaftsjagd ist, anders als die Einzeljagd, ein geselliges Erlebnis. Es gehört zur Tradition, dass Jäger aus anderen Revieren eingeladen werden.

Auf der Beliebtheitsskala der Bevölkerung fungieren die Jägerinnen und Jäger selten auf den obersten Rängen. Dies wird deutlich, als eine Autolenkerin mit ausgestrecktem Mittelfinger an der Jagdgruppe vorbeifährt. «Wir sind keine schiesswütige, blutrünstige ­Meute. Die Jagd ist nur ein kleiner Teil unserer Aufgaben», betont Jäger Janis Johannsen. Übers Jahr verteilt investieren die Jägerinnen und Jäger viel Zeit in die Hege der Natur und der Wildtiere. Sie kümmern sich während der Heusaison um Rehkitze und bei Verkehrsunfällen um verletzte Tiere. Im Kanton Zürich rücken Jäger zu jeder Tages- und Nachtzeit jährlich zirka 4100-mal zu Wildunfällen aus. Sie ­überwachen die Wildbestände laufend, ­melden Krankheiten und setzen sich mit verschiedenen Akteuren wie Land­wirtinnen, Waldbesitzern und Förstern zur Erhaltung von Lebensräumen ein. Mit der Jagd schliesslich wird Wild­schäden in der Landwirtschaft und im Wald entgegengewirkt. Im Kanton Zürich verpachtet der Kanton das Jagdrecht alle acht Jahre an eine Jagdgesellschaft. Die Rechte und Pflichten der Zürcher Jägerschaft sind gesetzlich bis ins kleinste Detail geregelt. Der Jagdkodex ist darüber hinaus eine wichtige Richtschnur. Jedes Jahr muss ein Treffsicherheitsnachweis auf dem Schiessstand erbracht werden.

Ein Reh und zwei Füchse hat es erwischt

Am Nachmittag steht die Jagd in einem ausgedehnten Waldstück auf dem Plan. Es werden ein Reh und ein Fuchs geschossen. Alle Abgänge werden auf Krankheiten untersucht und im Jagdbuch registriert. Im Kanton Zürich erstreckt sich die Jagdsaison jeweils ab dem 2. Mai bis 31. Dezember. Anders wird dies in sogenannten Patentkantonen gehandhabt. Da müssen die Jäger ein staatliches Jagdpatent lösen und dürfen dann während nur weniger Wochen im Herbst auf dem Kantonsgebiet (mit Ausnahme der Jagdbanngebiete) jagen. Wie bei der Revierjagd sind die kantonalen Abschussquoten pro Wildtierart pro Saison vom Kanton klar ­geregelt.

Mittlerweile neigt sich der Jagdtag dem Ende zu und die Gesellschaft verschiebt sich in die warme Jagdhütte. Nach einem Apéro versammeln sich die Jagdbeteiligten nochmals draussen, wo die Strecke verblasen wird, sprich den erlegten Tieren die letzte Ehre erwiesen wird. Zwischen zwei Feuern ruhen das Reh und die zwei Füchse auf Tannen­ästen, ihrem letzten Bett. Sie liegen auf ihrer rechten Körperseite. Dies, damit das Herz einfacher gegen den Himmel steigen kann. Begleitet wird dieser Abschied mit für das Reh und die ­Füchse unterschiedlichen Signalen aus den Jagdhörnern. Den Schützen wird feierlich ein sogenannter «Bruch», meist ein Fichtenzweiglein, vom Jagdleiter mit den Worten «Weidmannsheil» überreicht. Zum Schluss kündigt Paul Erni an: «Jetzt kommt das Signal ‹Jagd vorbei›. Ein Zeichen nicht nur für uns Menschen, sondern auch für die Tiere.»

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