«Ich bin heute zum ersten Mal Loopings geflogen»
Sommerserie «Hoch hinaus», Teil 9: Andrew Eledge lernt auf dem Flugplatz Hausen das Segelfliegen
Es ist Sonntagnachmittag auf dem Flugplatz Hausen, wegen der Ferienzeit geht es gemächlich zu und her, kaum eine Menschenseele ist zu sehen. Am Horizont aber, nahe der Albiskette, zeichnen sich in der Luft die feinen Konturen eines Segelflugzeugs ab, das gerade in Richtung des kleinen Flugplatzes einschwenkt. Eine Minute später ist es so weit, das filigran wirkende Luftfahrzeug setzt endgültig zur Landung an, korrigiert noch ein letztes Mal seinen Kurs. Ein kurzes Quietschen der Reifen, und der lautlos dahingleitende «Vogel» hat auf der Landebahn aufgesetzt, rollt nun in beachtlicher Geschwindigkeit am Betrachter vorbei nach Westen. Die bereitstehenden Helfer setzen zum Spurt an, müssen sie doch mithelfen, das ausgerollte Segelflugzeugs von der Piste zu schieben, damit diese baldmöglichst wieder für weitere Flugzeuge frei ist.
Beim ersten Schnupperflug brauchte es einen starken Magen
Beim Segelflugzeug angekommen, lernen wir die Besatzung kennen, sie grüssen aus dem geöffneten Cockpit, die verglasten Hauben sind bereits zur Seite weggeklappt. Es handelt sich um den Segelfluglehrer Matthias Zimmermann aus Lenzburg und seinen Flugschüler Andrew Eledge. «Ich bin in meiner Heimat, den Vereinigten Staaten, bereits zugelassener Motorflug-Pilot», schickt der Flugschüler den Erklärungen zu seiner Motivation voraus. «Alles, was fliegt und fährt, fasziniert mich. Ich bin auch ein begeisterter Spotter», so der 27-Jährige. Warum aber nun Segelfliegen? «Ich hatte Neugier für diese Art des Fliegens und wollte etwas Neues ausprobieren», lautet die Antwort. Ein Kollege habe ihm von diesem Flugplatz und dem Verein Skylark erzählt, und so sei er in Kontakt getreten. «Sie boten mir einen Schnupperflug an, ich sass vorne als Passagier, hinter mir der Fluglehrer», erinnert er sich. «Es war sehr windig, und mir ist richtig schlecht geworden. Einen so stürmischen Flugtag habe ich seither nicht mehr erlebt.» Dennoch, die Begeisterung war bei dem Amerikaner, der seit zwei Jahren in Zug lebt und dort als Steuerberater für US-Bürger tätig ist, nach diesem Erlebnis geweckt.
Nach einem kurzen «Fotoshooting» bereiten sich der Flugschüler und sein Lehrer bereits wieder auf eine nächste Übungsrunde vor. «Was für Aussenstehende wie ein Rucksack aussieht, ist übrigens der Fallschirm für Notfälle», erklärt Andrew Eledge und deutet auf seinen Rücken. Falls etwa durch eine Kollision mit einem anderen Segelflugzeug das Leitwerk am Heck abgetrennt würde, wäre das Fluggerät nicht mehr steuerbar, und man könnte sich nur noch mittels Fallschirm retten. «Es ist eigentlich unmöglich, den Fallschirm am Boden zu vergessen, denn der Sitz im Flugzeug ist so gebaut, dass ein Platznehmen ohne das Fallschirmpaket total unbequem wäre, man müsste dann den Hohlraum im Rücken mit einem Kissen ausstopfen», fügt der Flugschüler an.
Die lange Checkliste steht am Anfang jedes Fluges
Wie wird der Start nun vonstattengehen? «Grundsätzlich ist zu sagen, dass wir hier immer per Flugzeugschlepp mithilfe eines Motorflugzeugs starten. Ein sogenannter Windenstart, bei dem das Segelflugzeug mit einem Seil in die Luft gezogen wird, wäre am Flugplatz Hausen wegen des gleichzeitigen Betriebs mit Motorflugzeugen zu gefährlich», stellt Fluglehrer Matthias Zimmermann klar. Andrew Eledge zückt derweil seine Checkliste, die vor jedem Start durchgegangen werden muss. Nicht weniger als siebzehn Punkte sind darauf vermerkt, beispielsweise «Bremsklappen ein/verriegelt» oder «Funk eingeschaltet/Frequenz ok». Nun gilt es, im Flugzeug Platz zu nehmen, möchte man meinen. Doch beim Segelfliegen ist vieles Handarbeit, und so muss das Luftfahrzeug zuerst zum Pistenende geschoben werden, wo es dann vom Schleppflugzeug in Empfang genommen wird.
An dieser Stelle angelangt, wird das Segelflugzeug zur Piste hin ausgerichtet und der sogenannte «Kuller» (auch Heckrolli genannt) abgenommen. Dieses zusätzliche Fahrwerk ist nur zum Manövrieren am Boden gedacht, da das im Flug einziehbare Heckrad nicht lenkbar ist und so ein Drehen des Flugzeugs nur mit Mühe möglich wäre. «Den Kuller vor dem Start wegzunehmen, ist enorm wichtig, weil durch das zusätzliche Gewicht am Heck die Nase des Segelflugzeugs auf gefährliche Weise nach oben gezogen würde», erfährt der Besucher. Nun wird das Schleppseil eingehängt, und die Besatzung nimmt in ihren Sitzen Platz. Als die Hauben geschlossen und alle angeschnallt sind sowie auch die Checkliste abgearbeitet ist, zeigt ein «Daumen nach oben», dass die Reise losgehen kann. Der Motor des Schleppflugzeugs heult auf, das Schleppseil spannt sich, und Sekunden später sieht man das Gespann scheinbar in Zeitlupe auf der Piste dahingleiten, vom Boden abheben und in Richtung Westen verschwinden.
«Beim Fehlermachen lernt man oft am meisten»
Als der Segelflieger mit dem Namen «Lindenberg» nach rund zwanzig Minuten wieder auf dem Boden aufsetzt und Schüler und Lehrer von ihrem erneuten Flug berichten können, steht dem angehenden Segelflug-Piloten die Begeisterung ins Gesicht geschrieben: «Es war wieder ein sehr instruktiver Flug, ich habe viel ausprobieren können und dadurch enorm dazugelernt», so Andrew Eledge. Auch sein Fluglehrer nickt zustimmend und ergänzt: «Was man in der Schulung macht, ist auch, das Extreme auszuprobieren. Wir waren beim Anflug deutlich zu tief, aber man muss Fehler machen lassen, bevor man eingreift. Nur so lernen die Schüler, wie es sich anfühlt, wenn etwas nicht mehr nach Plan läuft.» Welches war denn das tollste Erlebnis heute? Der Flugschüler zögert nicht lange mit seiner Antwort: «Wir sind zum ersten Mal Loopings geflogen, das war zwar ein bisschen unangenehm in der Bauchgegend, aber es hat riesigen Spass gemacht.»