Kaum Mittel gegen Fälschungen von Unterschriften

Den Gemeinden fehlen die erforderlichen Register

Daniela Fusco, Leiterin ad interim des Einwohneramts in Affoltern. (Bild Werner Schneiter)

Die einen nennen es einen Anschlag auf die direkte Demokratie, andere sprechen von krimineller Energie, eklatantem Missbrauch und von veritablem Skandal: Seit der «Tages-Anzeiger» aufgedeckt hat, dass es beim Sammeln von Unterschriften für Initiativen zu massiven Fälschungen gekommen ist, herrscht Aufregung, welcher nun die Forderung nach wirksamen Massnahmen für sicherere Systeme folgen.

Beschaffung erfolgte auch auf illegalen Wegen

Es ist tatsächlich einfach, sich Unterschriften auf illegalem Weg zu beschaffen. Jene, die fälschen, finden Namen, Geburtsdaten und Unterschriften auf irgendwelchen Dokumenten oder Initiativen von Personen, die damals tatsächlich unterzeichnet haben. So werden die Angaben auf den Bogen einer anderen Initiative übertragen, einschliesslich Unterschrift. Dass dann die gefälschte Unterschrift für gültig erklärt wird, ist gut möglich. Professionelle Organisationen bezahlen pro Unterschrift bis zu 7 Franken 50. Ein grosser Anreiz für Fälschungen also. Wie gross der Schaden ist, kann niemand beziffern.

Klar ist, dass Gemeinden, wo Initiativbögen eingereicht werden müssen, keine Möglichkeit haben, Fälschungen ganz auszuschliessen. Sie verfügen nicht über die dazu erforderlichen Register. Laut Daniela Fusco, Leiterin Einwohneramt ad interim bei der Stadt Affoltern, werden die Daten gemäss den Vorgaben der Bundeskanzlei pro Bogen erfasst. Während Name, Vorname und Unterschrift von der betroffenen Person stammen müssen, können Geburtsdatum und Adresse von einer anderen Person auf den Bogen eingetragen werden. Bei gleichlautenden Adressen ist auch «dito» erlaubt.

Etliches ist vom Gesetz her anonymisiert

Hat jemand zwei- oder mehrmals unterschrieben, so wird das vom System gemeldet, ebenso Nicht-Stimmberechtigte, Kinder, Verstorbene oder Weggezogene, deren Namen auf Bögen figurieren. Mehr nicht, weil alles andere von Gesetzes wegen anonymisiert sein muss. Schliesslich wird der in anderen Bögen schon aufgeführte Name auf dem zu prüfenden Unterschriftenbogen mit roter Farbe durchgestrichen, leere Felder ebenso – und, falls mehrfach unterschrieben wurde, mit einem «c» versehen: Je nach Art der Korrektur wird von der Bundeskanzlei in Bern ein anderer Buchstabe vorgegeben. Bei jedem Bogen werden die Namen, die von der Gemeinde als gültig taxiert werden, mit einem Haken versehen. Dann gehen sie zurück ans Initiativkomitee, welches das Einreichen der Initiativen und Referenden in Bern unter medialer Begleitung vornimmt – vorsichtigerweise mit mehr als den erforderlichen Unterschriften.

Es sei nicht möglich, von blossem Auge festzustellen, ob die Unterschrift eigenhändig erfolgt ist. «Wir haben hier keine technischen Möglichkeiten, kein Hand- und Unterschriftenregister. Wir wissen letztlich nicht, ob das, was auf dem Bogen aufgeführt ist, von der betreffenden Person stammt», sagt Daniela Fusco. Und Stadtschreiber Stefan Trottmann ergänzt: «Man kann mit krimineller Energie auch den auf Unterschriftenbögen erforderlichen Stempel der Gemeinde/Stadt und Unterschriften fälschen.» Ob und wie oft das in Affoltern schon der Fall gewesen ist, lässt sich nicht eruieren. «Doppelte oder mehrfache Unterschriften einer Person auf einer Initiative kommen aber immer wieder vor», so Trottmann. Alle Gemeinden stützen sich beim Prozedere zu den Unterschriftenbögen bei Initiativen und Referenden auf eine Wegleitung des Bundes. So sind die im Frontartikel beschriebenen Schritte die gleichen. In mittleren und kleineren Gemeinden besteht der Vorteil, dass der Gemeindeverwaltung viele der Einwohnerinnen und Einwohner bekannt sind. «Ich kenne die Teilnehmenden einer Gemeindeversammlung, und auch die Unterschriften in Stimmcouverts bleiben oft im Gedächtnis haften», sagt Vit Styrsky, ­Gemeindeschreiber in Aeugst, wo 1420 Stimmberechtigte leben.

Missbrauch kann es geben

Das vom Bund vorgegebene System «verhebe», aber natürlich könne Missbrauch nicht gänzlich ausgeschlossen werden. «Was mit den Unterschriftenbögen nach Übergabe an die Komitees passiert, wissen wir in den Gemeinden nicht», so Styrsky.

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