Konsequent an einem Strang ziehen

Kleine Häuser, ob «tiny» oder «small», stossen auf Interesse – Fortsetzung des ersten Beitrags

Marc Lüllmann (von links), Seraina Häcki-Bruhin und André Häcki im Wohnzimmer des Small House, aufgenommen von der Galerie im ersten Obergeschoss. (Bild Marcus Weiss)

Marc Lüllmann (von links), Seraina Häcki-Bruhin und André Häcki im Wohnzimmer des Small House, aufgenommen von der Galerie im ersten Obergeschoss. (Bild Marcus Weiss)

«Richtige» Tiny Houses gibt es neuerdings auch auf dem Albispass, rund einen Kilometer von der Grenze zum Säuliamt entfernt. (Bild Marcus Weiss)

«Richtige» Tiny Houses gibt es neuerdings auch auf dem Albispass, rund einen Kilometer von der Grenze zum Säuliamt entfernt. (Bild Marcus Weiss)

Der grösste Trugschluss sei, dass die Leute meinten, es sei günstig, so zu wohnen. «Für uns als Familie wäre es auch möglich gewesen, auf diesem Grundstück ein Mehrfamilienhaus zu bauen und dann auch noch Wohnungen zu vermieten», führt Seraina Häcki aus. Dennoch habe man sich als Familiengemeinschaft für den Bau von den drei kleinen Holzhäusern, die sich alle im Familienbesitz befinden, entschieden. «Das alles war nur möglich, weil wir alle einverstanden waren und konsequent an einem Strang gezogen haben», resümiert die Co-Bauherrin. Jeder sei Fachmann auf seinem Gebiet, und so habe man sich gegenseitig helfen und das Ganze zum Erfolg bringen können.

Es gibt Tiny Houses und Small Houses

«Vor Kurzem gab es im Schweizer Fernsehen ja einen Dokumentarfilm über Tiny Houses, und da könnte man sich fragen, warum sie uns nicht auch ins Visier genommen haben», meint André Häcki, und liefert gleich die Erklärung dazu: «Es handelt sich bei unseren Häusern nicht um Tiny Houses, denn als solche gelten nur Gebäude mit maximal 40 Quadratmetern Nettowohnfläche. Wir verfügen hier aber über das Doppelte, nämlich 82 Quadratmeter. Daher wäre der Name Small House zutreffend.» Drei Zimmer auf drei Stock­werken, dies würde nach Wohnungs-Massstäben als 3 1/2-Zimmer-Wohnung gelten, erklärt der Hausbesitzer und ergänzt, man müsse in der heutigen Zeit froh sein, wenn man mehrstöckig gebaut habe. «Die Ausnützungsziffern für Grundstücke gehen tendenziell hoch in der Schweiz, und da könnte es ungemütlich werden für ein Tiny House mit nur einer Ebene.» Wäre es theoretisch möglich, dieses Gebäude ab- und an einem anderen Ort wieder aufzubauen? «Nein, bei diesem Haustyp wäre dies wirtschaftlich nicht zu empfehlen, da baut man besser neu an einem anderen Ort», antwortet Marc Lüllmann. Seine Firma entwickle aktuell aber einen Haustyp, der problemlos demontierbar ist. Was aber bereits auf dieses Haus zutreffe, sei die Tatsache, dass die Materialien zu 95 bis 97 Prozent re­cy­cel­bar sind. Das Gebäude bestehe zur Hauptsache aus europäischem FSC-Fichtenholz, das in Estland vorgefertigt wurde, auf Wunsch (und mit entsprechenden Mehrkosten) sei auch eine Ausführung aus Schweizer Holz möglich. Falls man sich als Paar zu einer Familiengründung entschliesse, könne die Galerie zugunsten eines Kinderzimmers geschlossen werden, was zwar eine Einbusse an Grosszügigkeit, aber auch einen besseren Lärmschutz für die Räume in den Obergeschossen mit sich bringe. Umbau-Optionen dieser Art sind für Seraina und André Häcki aber kein Thema mehr, ihre Kinder sind bereits erwachsen und mit 20 Jahren ausgezogen, um ihren Eltern den Traum vom kleinen Haus zu ermöglichen. Was ist das Fazit für Seraina und André Häcki nach einem Jahr im Small House? «Wir sind absolut happy, dass wir dieses tolle Projekt realisieren konnten», antwortet André Häcki, und seine Frau fügt an: «Es gibt nichts, was wir rückblickend anders machen würden, wir fühlen uns einfach nur wohl und geniessen das einmalige Wohnerlebnis.»

Die Bauvorschriften geben den Rahmen vor

«Richtige» Tiny Houses mit einer Nettowohnfläche bis 40 Quadratmeter sind bislang eine Seltenheit im Amt. Was sind die Regeln?

Um einen Überblick zu geben, welche baurechtlichen Vorschriften bei der Erstellung von Tiny Houses im Knonauer Amt gelten, wurden für diesen Beitrag fünf möglichst unterschiedliche Gemeinden angefragt, ob sie bereit wären, einen entsprechenden Fragenkatalog zu beantworten. Dies gestaltete sich komplizierter als zunächst erwartet. In manchen Gemeinden ist die Arbeitsbelastung im Baudepartement offenbar sehr hoch, teilweise schien auch durchzuschimmern, dass man mit dieser Materie bislang noch wenig Berührungspunkte hatte und man nicht mit vorschnellen Aussagen bei eventuellen späteren Baueingaben behaftet werden wollte. Es können nun die Antworten von Affoltern und Wettswil einander gegenübergestellt werden, beide Gemeinden haben sich dankenswerterweise die Mühe gemacht, sich eingehend mit dem Fragenkatalog zu befassen.

Auf die Frage, ob es in der jeweiligen Gemeinde möglich wäre, auf einem normalen Grundstück im Wohngebiet ein Tiny House zu errichten, antworteten sowohl die Stadt Affoltern als auch Wettswil mit einem «Ja». Was aber müsste dabei beachtet werden? Hier heisst es vom Bezirkshauptort: «Abstände, Gebäudehöhe, Ausnützungsziffer und Energievorschriften müssen, wie bei den übrigen Gebäuden auch, eingehalten werden. Die Stadt Affoltern hat zwecks haushälterischen Umgangs mit dem Boden auch eine Mindest­ausnützungsziffer bei den dichteren Wohn- und Zentrumszonen festgelegt.» Die Gemeinde Wettswil verweist auf die baurechtlichen Grundlagen. Damit sind unter anderem das in der heute gültigen Form aus dem Jahr 1975 stammende Planungs- und Baugesetz des Kantons Zürich (PBG) sowie die gemeindeeigene Bau- und Zonenordnung (von Juni 1995) gemeint. Auf die Frage, ob es auf dem Gemeindegebiet bereits Gebäude gebe, die in die Kategorie der «Tiny Houses» fallen, antwortet der Affoltemer Stadtschreiber Stefan Trottmann, es seien keine expliziten Beispiele bekannt. Dylan Oppido, stellvertretender Abteilungsleiter Bau und Infrastruktur bei der Gemeinde Wettswil, nennt die Überbauung Im Wiesengrund 10a-j, bei der es sich um zusammengebaute Tiny Houses handle. Entsprechende Anfragen von Bauwilligen hat es in Affoltern offenbar schon gegeben, in Wettswil ausschliesslich bei der genannten Überbauung.

«Ein einzelnes Tiny House benötigt nie einen Schutzraum»

Dass sich die Bewilligungsfähigkeit ­eines Tiny House auf die bestehenden Bauvorschriften abstützt, geht aus den Antworten beider Kommunen deutlich hervor. Analog dazu verhält es sich offenbar auch bei den Regeln zur Gestaltung: «Es gelten die üblichen Gestaltungsvorschriften in der jeweiligen ­Bauzone», lässt die Stadt Affoltern wissen, und die Gemeinde Wettswil vermeldet, die Gestaltung habe sich gemäss Paragraf 238 PBG einzuordnen, sei aber trotzdem zonenspezifisch. Im besagten Paragrafen ist unter anderem zu lesen, dass eine befriedigende Gesamtwirkung erreicht werden muss, was auch für Materialien und Farben gilt. Die Frage, ob eine eventuell vorhandene Schutzraumpflicht ein Hindernis darstellen könnte, beantwortet die Stadt Affoltern mit ­einem «Nein». Von Wettswil heisst es: «Das ist eine Frage der Einzugsgebiete (ab wie vielen Schutzplätzen ist ein Schutzraumbau vorgeschrieben?). Ein einzelnes Tiny House benötigt aber nie einen Schutzraum. Es kann im Normalfall eine Ersatzabgabe geleistet werden. Eine Überbauung mit vielen Tiny Houses könnte allenfalls einen Schutzraum ­erfordern.»

Wie würden Einsprachen aus der Nachbarschaft behandelt, die sich zum Beispiel auf den Standpunkt stellten, dass solche Gebäude die Umgebung entwerten? «Das Baurekursgericht würde wohl anhand eines Augenscheines die Einordnung und Wirkung beurteilen. Dabei kommt es auch sehr auf das konkrete Tiny House und seine Umgebung an», heisst es dazu aus Affoltern. Wettswil betont hier die Zuständigkeit: «Einsprachen beziehungsweise Rekurse sind nicht bei der Gemeinde einzureichen, sondern beim Baurekursgericht innert 30 Tagen ab Zustellung des Baurechtsentscheides. Über mögliche Rekurse entscheidet das Baurekursgericht.»

Für Gebäude mit Rädern gelten die­selben Regeln wie für feste Bauten

Macht es für die Behörden einen Unterschied, ob das Gebäude vom Konstruktionsprinzip her mobil ist, also theoretisch verfahren werden könnte? Die Stadt Affoltern verneint dies. Wenn die Absicht bestehe, das Gebäude über eine längere Zeit (mehr als 3 Monate) an einem Ort stehen zu lassen, sei eine Baubewilligung notwendig. «Jedoch ist auch bei kürzeren Stelldauern eine Bewilligung für die Einleitung der Abwässer einzuholen.»

Gleiches gelte etwa auch für den Anschluss an die Wasserversorgung. Ähnlich die Antwort aus Wettswil: «Auch mobile Anlagen beziehungsweise Fahrnisbauten, welche dauerhaft bewohnt werden und für einen längeren Zeitraum aufgrund ihrer Zweckbestimmung am selben Ort stehen sollen, bedürfen einer baurechtlichen Bewilligung.» Als Quelle dieser Formulierung ist angegeben: «Fritsche/Bösch/Wipf/Kunz: Zürcher Planungs- und Baurecht, 7. Auflage.» (mwe)

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