Kunst im Kreisel: Zwischen Vorzeigeobjekt und Peinlichkeit
Das Buch «Kunst im Kreis» versammelt die Kreiselkunst in der Schweiz – Serienauftakt zu den Kreiseln im Amt

Rund 3500 Verkehrskreisel gibt es in der Schweiz. Viele sind unaufgeregt mit Bäumen, Büschen und Blumen begrünt, andere mit teils grossem Aufwand künstlerisch gestaltet. Über den Sinn und Unsinn der Kreiselkunst gehen die Meinungen weit auseinander. Der Langnauer Autor Hanspeter Buholzer hat in seinem soeben erschienenen Buch «Kunst im Kreis» alle künstlerisch gestalteten Kreisel in der Schweiz in Wort und Text zusammengefasst. 573 Kreisel hat er ausgesucht, zwei davon stehen im Säuliamt, beide in Affoltern.
Nicht alle aufgeführten Kreisel hat Hanspeter Buholzer persönlich umrundet, aber doch viele der 573 dokumentierten Objekte. Eine riesige Fleissarbeit, die er nur leisten konnte, weil er seit einigen Jahren pensioniert ist, wie Buholzer bei einem Besuch in seinem Wohnort Langnau i. E. erklärt.
Buchmässig umfahren beziehungsweise links liegen gelassen hat er die «gesamte Darstellung der ‹grünen Kunst›, sprich: der begrünten Kreisel». Es hätte den Umfang des Buchs gesprengt. «Alle Landschaftsgärtner, -designer, -architekten und andere Gestalter von begrünten Verkehrskreiseln bitte ich daher um Verzeihung – mea culpa!», schreibt Buholzer dazu im Klappentext.
Martigny als Zentrum der Kreiselkunst
Der leicht ironische Unterton ist nicht zufällig. Auf die Frage, ob denn die in seinem Buch aufgeführten Kreisel wirklich alle Kunst seien, schmunzelt Buholzer. Er kennt die bisweilen hitzigen Diskussionen, die darüber landauf, landab geführt werden. Und er weiss: «In ambitionierten Kunstkreisen rümpft man oft die Nase darüber.» Etwa ein Viertel der Kreiselkunst sei wirklich Kunst, meint er auf Nachfrage. Und der Rest? Der 72-Jährige, von Beruf Texter und Layouter, nimmt sein Buch zu Hand und zitiert mit Schalk in den Augen: «Die Auswahl erfolgte nach Kriterien wie ‹eindeutige Kunst›, ‹möglicherweise Kunst› und ‹Originalität› – sowie nach der reinen Willkür des Autors.» Alles klar. Oder doch nicht?
Blättert man durch die mehr als 270 Seiten, staunt man da und dort über die Originalität gewisser Objekte, den Ideenreichtum, den Witz und ja, den künstlerischen Wert. Buholzer erwähnt in diesem Zusammenhang die Gemeinde Martigny im Wallis, «das Mekka der Kreiselkunst in der Schweiz». Dort wurden alle 17 Kreisel mit einer Skulptur eines Schweizer Künstlers geschmückt. Die Idee geht auf Léonard Gianadda zurück, den Bauunternehmer und Kunstmäzen, der in Martigny die weit über die Landesgrenzen hinaus bekannte Gianadda-Stiftung gründete.
Originell – und durchaus auch künstlerisch bemerkenswert – die Idee, die man in Laax (GR) hatte, um ein weiteres Beispiel zu nennen. Dort stellte man, so Buholzer, in Erinnerung an den urzeitlichen Flimser Bergsturz einen mächtigen Steinblock in die Mitte des Kreisels, der auf der einen Seite bewusst nicht mit Beton unterlegt wurde, sondern mit Ästen. Die Idee: Der Steinblock sollte sich so langsam zur Seite neigen. Tat er aber nicht, zumindest nicht die ersten zehn Jahre, lacht Buholzer. Erst danach begann sich der Block wie gewünscht zu neigen.
Kreisel als Visitenkarte
Bei der Zusammenstellung seines Kreiselkunst-Buchs griff Buholzer auf die Datenbank von Bruno Ritschard zurück. Ritschard gilt als Kreisel-Jäger und «Kreisel-Papst» (Buholzer). Seit Jahren katalogisiert und fotografiert er die Kreisel in der Schweiz. Bei seinen Fahrten durch die Schweiz, so Buholzer, sei er auf der Suche nach Kreiseln immer wieder mit der lokalen Bevölkerung ins Gespräch gekommen. Dabei habe er festgestellt, wie stolz die Leute mancherorts auf ihren Kreisel sind. Und wie viele Geschichten damit verbunden sind. Viele Gemeinden sähen ihre Kreisel als Visitenkarte.
Letzte Frage an Buholzer: Wie würde er denn selber in seiner Wohngemeinde Langnau einen Kreisel gestalten, wenn er den Auftrag dazu erhielte? Buholzer lacht: «Ich würde eine Statue von mir reinstellen. Das habe ich schon lange verdient.»
«Kunst im Kreis – Kreiselkunst in der Schweiz». Autor: Hanspeter Buholzer. Verlag: Edition Salus, 3550 Langnau (www.edition-salus.com). ISBN 978-3-033-10906-3. Im selben Verlag ist von Hanspeter Buholzer auch das Buch «Historische Holzbrücken der Schweiz» erschienen