Polizei Affoltern: Mitarbeitende kritisieren Führungsentscheide

Nach der Kündigungswelle bei der Stadtpolizei schildern mehrere Insider ihre Sicht

Die Stadtpolizei Affoltern steht von Mitarbeitenden in der Kritik. Im Bild: Ein Auto der Kantonspolizei Zürich. (Symbolbild Kapo ZH)

Im Juli ist im «Anzeiger» ein Artikel über die Stadtpolizei Affoltern erschienen. Thema waren die Kündigungen, die sich im Korps seit Anfang Jahr auffallend gehäuft hatten. Sechs waren es im ersten Halbjahr – bei einem Gesamtbestand von etwas mehr als zwölf Vollzeitstellen. «Es stimmt, wir hatten in den vergangenen Monaten eine erhöhte Fluktuation», räumte Stadtschreiber Stefan Trottmann damals ein. Zumindest teilweise seien sie jedoch erklärbar. Bei einer Kündigung verwies er auf ein Strafverfahren, das die betroffene Person zum Abgang bewogen habe; zwei weitere Abgänge seien darauf zurückzuführen, dass diese Mitarbeitenden bei der Besetzung der neuen Führungsfunktionen nicht berücksichtigt worden seien. Und schliesslich, sagte Trottmann, sei das «Jobkarussell» gerade bei kommunalen Korps ständig in Bewegung: «Manch ein Mitarbeiter nutzt die Gelegenheit, wenn er an einem anderen Ort 150 Franken mehr Lohn erhält.»

«Das ist Schönrederei», entgegnen nun mehrere Insider des Korps, die entweder bei der Stadtpolizei gearbeitet haben oder dies bis heute tun. Sie haben nach der Publikation des Artikels zunächst gezögert und sich nach längerem Abwägen dann doch beim «Anzeiger» gemeldet, um bei einem Treffen oder am Telefon ihre Sicht zu schildern. Weil alle dem Amtsgeheimnis unterstehen und eigentlich nicht befugt wären, öffentlich über Interna zu reden, bleiben sie anonym.

Die Aussagen des Stadtschreibers hatten sie verärgert und ja: auch ein wenig in ihrer Berufsehre gekränkt. «Diese ehemaligen Angestellten haben nicht wegen 150 Franken die Stelle gewechselt», betonen sie. Das sei «Unsinn». Wahr ist aus ihrer Sicht eine andere Tatsache: «Der Laden wurde in den letzten Monaten an die Wand gefahren.»

Auf Patrouille nonstop überwacht

Um die Anfänge dieser Geschichte zu verstehen, lohnt sich eine Rückblende in den Sommer 2023. Damals erfuhr das Korps, dass ihr Kommandant Martin Ott schwer erkrankt war. Bald darauf musste er sich aus dem Arbeitsleben zurückziehen. Sein Stellvertreter übernahm interimistisch.

Das, sagen die Insider, sei der Moment gewesen, als das Schiff in Schieflage geraten sei: «Ab da ging es abwärts.» Und zwar wegen des neuen Kommandanten, der schon bald begonnen habe, «das Team mit zwanghaftem Kontrolldrang und herrischem Vorgesetztenverhalten kaputtzuführen». Und wegen der Stadt, die ihn darin nicht gebremst, sondern stattdessen noch zum Kommandanten befördert habe.

Die Informanten sprechen von einem «krankhaften Kontrollbedürfnis» des Kommandanten. «Das Vertrauen in die Mannschaft war klein. Selbst wenn er keinen Dienst hatte, kam es vor, dass er den Standort der Patrouillenfahrzeuge von zu Hause verfolgte und sich per Telefon einmischte. Ohnehin seien die Dienstfahrzeuge eine gläserne Zone gewesen: «Wir waren während der Patrouille vollständig überwacht», sagen die Informanten. «Die Aufnahmefunktion der Kamera, die eigentlich gedacht wäre, um im Ernstfall beispielsweise eine Verfolgungsfahrt zu dokumentieren, lief nonstop, und es war uns nicht erlaubt, sie auszuschalten.» So wurden durchgängig auch Tonaufnahmen im Auto erstellt. Eine interne Regelung, wer diese abhören darf und wer nicht, habe es nicht gegeben. Die Kameras in den Fahrzeugen liefen zwar schon unter Martin Ott, «doch beim neuen Kommandanten befürchteten wir aufgrund des grossen Misstrauens erstmals, dass die Aufnahmen zu Kontrollzwecken tatsächlich abgehört werden. Er hatte nämlich einmal bereits das elektronische Schliesssystem auswerten lassen, um zu kontrollieren, wer wann welches Büro betreten hat».

Gängig ist diese Praxis mit den Tonaufnahmen nicht: Sowohl Kantons- als auch Stadtpolizei Zürich teilen auf Anfrage mit, dass in ihren Fahrzeugen keine Aufnahmen gemacht werden.

Früher einstempeln durfte nur der Chef

Bereits früher, als Stellvertreter von Martin Ott, habe der heutige Kommandant teilweise ein Verhalten an den Tag gelegt, mit dem er sich nach Aussagen der Informanten beim Team in Misskredit gebracht habe: Er habe sich Privilegien gegönnt, während er dasselbe Verhalten beim Team sanktioniert habe. Es sind Kleinigkeiten, die so nicht verboten sind, die von den Informanten jedoch als «Machtdemonstration» empfunden wurden. Wer vor dem offiziellen Schichtbeginn bereits gearbeitet habe, habe diese Zeit nicht aufschreiben dürfen. Ein Tabu sei das gewesen – ausser für den heutigen Kommandanten selbst. «Im System war ersichtlich, dass er die Zeit als Arbeitszeit erfasste.»

Wer in der Pause mal ein paar Minuten länger sitzen geblieben sei, habe einen Rüffel kassiert. «Überziehen durfte nur der Chef.» Und auch in den Dienstfahrzeugen sei es nur ihm erlaubt gewesen zu essen. «Für ihn galt das Verbot nicht. Seine Begründung: Er sei schliesslich der Chef.» Sie sagen: «Wir haben nichts gegen strenge Regeln, doch in einem Korps sollten sich alle daran halten.»

Personalnot gegen aussen kaschiert

Dass ein «bedeutender Teil» des Korps persönlich Mühe mit dem früheren Stellvertreter und später auch mit ihm als Interims-Kommandanten bekundete, sei der Stadt bekannt gewesen, sagen die Informanten. In Gesprächen, die im Herbst 2023 während der Übergangsphase mit allen Mitarbeitenden geführt wurden, hätten mehrere Personen Vorbehalte geäussert. Doch statt die Bedenken ernst zu nehmen, sei er nach dem Tod von Martin Ott ohne weitere Eignungsabklärungen zum Kommandanten ernannt worden. So habe sich die anfängliche Missstimmung bald verstärkt. Während ein, zwei Mitarbeitende weiter zu ihm gehalten hätten, habe der Grossteil der Mannschaft den Sozialkontakt mit ihm bald gemieden. Es kam zu ersten Abgängen.

Nach aussen hin habe man versucht, die Personalnot zu kaschieren. Tatsächlich aber sei das Korps nicht mehr in der Lage gewesen, seinem Sicherheitsauftrag nachzukommen. «Kommuniziert wurde das der Öffentlichkeit aber nicht. Die Bevölkerung erhielt weniger Polizeileistungen, ohne dass es jemand wusste.»

Die Stadt Affoltern stellt die Geschehnisse grösstenteils anders dar. Dass das Korps zu wenig Personal hatte, um die gewünschte Abdeckung aufrechtzuerhalten, räumt sie ein. Einen Grossteil der Vorwürfe gegen ihren Kommandanten weist sie dagegen zurück.

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