Stadtpolizist plauderte in E-Mails Amtsgeheimnisse aus

Obergericht bestätigt bedingte Geldstrafe des Bezirksgerichts Affoltern

Der Stadtpolizist zog das Urtel des Bezirksgerichts Affoltern weiter ans Obergericht. (Bild Werner Schneiter)
Der Stadtpolizist zog das Urtel des Bezirksgerichts Affoltern weiter ans Obergericht. (Bild Werner Schneiter)

Ein Polizist, der bisher über einen tadellosen Leumund verfügte, stand am Freitag vor dem Obergericht. Dort musste er sich wegen mehrfacher Verletzung des Amtsgeheimnisses verantworten, weil er an zwei Angestellte derselben Gemeinde in fünf E-Mails Interna aus seiner Polizeiarbeit preisgab.

Da steht zum Beispiel: «Habe noch keine Info, ev. interessant für Dich (8-tung, vertraulich). Gestern Mittag hatten wir ein Raserdelikt in … mit dem Auto und der Lenker wohnt auch in der … Kennst Du ev. den Portugiesen …? Er fuhr einen … grau und hatte die ganze Fam. Im Auto (man glaubts nicht, innerorts wurde er mit 124 km/h geblitzt Wahnsinn … u. hatte noch 3 Kleinkinder im Auto» (die Gemeindeangestellte wohnte damals in der Nähe).

In einem weiteren E-Mail schrieb er der Gemeindeangestellten: «Am letzten Mittwoch, ca. 18.15 Uhr musste ich anl. der Patr. an die ...strasse in O. ausrücken. Kennst du das Paar im 1. Stock? Die haben sich anfangs März das Natel an den Kopf geworfen, sodass die Frau ein Loch im Kopf hatte und ins Spital musste. Am letzten Mi. hatten sie wieder Streit. Die Frau schlug mit einem Messer gegen den linken Arm, sodass durch die Lederjacke hindurch am Ellbogen ein ca. 7 cm langer Schnitt entstand … für Dich einfach als Info; ich hoffe nicht, dass Du im Nahbereich der Streithähne Deine Wohnung hast. Beide trinken offenbar sehr gerne, sehr viel (+2 Promille). Ich glaube, beide sind von der Ukraine. Beide kamen danach ins Spital.»

In einem E-Mail plauderte er aus: «Heute morgen war ich ab 5.30 Uhr in Obfelden. Ich sass im schwarzen Skoda, bei der Garagen-Ausfahrt rechts, mit E. in Zivil. Wir überwachten den Volg … deshalb topsecret …ps.» Es ging dabei um die Fahndung nach einem Raubstraftäter, weshalb der Laden polizeilich überwacht wurde.

Dafür kassierte er einen Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis und eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 120 Franken, entsprechend 4800 Franken. Probezeit: zwei Jahre. Dazu bekam er eine Busse von 1000 Franken aufgebrummt.

Das liess der Polizist nicht auf sich sitzen und verlangte eine gerichtliche Beurteilung. Das Bezirksgericht Affoltern reduzierte mit Urteil vom 13. Juli 2023 die Strafe auf 20 Tagessätze à 100 Franken und strich die Busse. Dies bei einer Probezeit von zwei Jahren.

«Am Stammtisch würde ich das nicht tun»

Der Mann ist sich aber keiner Schuld bewusst und ging ans Obergericht. Nie habe er das Amtsgeheimnis absichtlich verletzen wollen, beteuerte er. Er stellte sich auf den Standpunkt, nur interne Kommunikation betrieben zu haben, schliesslich seien Verwaltung und Polizei hier eine Verwaltungseinheit. «Es ist einfach meine Art, so zu kommunizieren – hier an zwei Arbeitskolleginnen, mit denen ich gut auskomme und ein Vertrauensverhältnis besteht. An einem Stammtisch oder in einem Verein würde ich das natürlich nicht tun», beteuerte er, räumte aber ein, vorliegend vielleicht «zu viel geplappert» zu haben.

Er verstehe nicht, weshalb sein damaliger Vorgesetzter nicht mit ihm darüber gesprochen und hinter seinem Rücken Anzeige erstattet habe, darüber sei er geradezu schockiert gewesen. «Er hätte mir ja einen Rüffel erteilen können», sagte er.

Auch der Verteidiger verlangte in seinem kurzen Plädoyer einen voll­umfänglichen Freispruch. Es sei nie gerichtlich geklärt worden, ob hier ­tatsächlich eine Amtsgeheimnisverletzung vorliege. Infos seien ja innerhalb derselben Verwaltungseinheit geflossen. Er zitierte ein Gutachten, wonach der Austausch von Interna innerhalb einer Verwaltungseinheit keine Amtsgeheimnisverletzung darstelle. Sein Mandant müsse deshalb freigesprochen werden.

Polizei ist keine Verwaltungseinheit

Oberrichter Christoph Spiess, Präsident der II. Strafkammer, sah es komplett anders und sprach von einem klaren Fall. Die Polizei sei eine Verwaltungseinheit, die Gemeindeverwaltung eine andere. Der Beschuldigte habe schliesslich in den E-Mails von «Topsecret» und «Vertraulich» geschrieben, Polizeitaktisches und Personendaten weitergegeben. «Bösartig war das nicht, aber leichtfertig – zu viel geplappert halt. Ist solche Interna draussen, so gibt es keine Kontrolle mehr», stellte Spiess klar. Es handle sich um Amtsgeheimnisverletzung; nur ein Rüffel des Vorgesetzten wäre heikel gewesen. Denn das hätte man dann auch als Begünstigung auslegen können.

Der Vorgesetzte habe nicht anders handeln können, als Strafanzeige zu erstatten. Es sei zwar ein leichtes Verschulden, erschwert aber dadurch, dass es mehrfach vorkam und an zwei Personen ging. Der Strafrahmen liege hier bei drei Jahren. Spiess machte klar, dass das Obergericht die Strafe auf 45 Tagessätze erhöht hätte. Das war nicht mehr möglich, weil die Staatsanwaltschaft das Urteil des Bezirksgerichts akzeptiert hat.

Das Obergericht bestätigte den Schuldspruch des Bezirksgerichts Affoltern und kommt zum gleichen Schluss: mehrfache Verletzung des Amtsgeheimnisses. Das Verdikt: eine bedingte Geldstrafe von 20 Tagessätzen à 100 Franken. Die Probezeit beträgt zwei Jahre. Für die Verfahrenskosten von rund 6000 Franken muss der Beschuldigte aufkommen, ebenso für die (noch unbekannten) Kosten des Verteidigers seiner Wahl. Noch offen ist, ob der Verurteilte den Gang ans Bundesgericht wagt. Der Gang nach Lausanne wäre mit weiteren Kosten verbunden.

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