Wenn plötzlich ein Fremder anhält

In Obfelden sorgt ein Vorfall zwischen einem Primarschüler und einem Unbekannten für Unruhe

Am vergangenen Donnerstagnachmittag wurde in Obfelden ein Primarschüler von einem unbekannten Mann angesprochen. Dieser sei mit einem ­weissen Van unterwegs gewesen und habe das Schulkind aufgefordert, ins Fahrzeug einzusteigen. Das Kind sei ­gemäss Angaben der Primarschule Obfelden sofort davongelaufen, kehrte zur Schule zurück und holte Hilfe.

Ein solcher Vorfall schreckt auf. ­Einige grosse Schweizer Zeitungen vermeldeten den Vorfall äusserst reisserisch und erwähnten auch weitere Fälle. Diese werden oft über die sozialen Medien verbreitet. Die Kantonspolizei schreibt dazu auf Anfrage, dass man «zurückhaltend mit eigenständigen Warnungen und Social Media Posts umgehen» soll.

Vorfall im Unterricht aufgegriffen

Auf Anfrage zum aktuellen Fall sagt die Kantonspolizei Zürich, dass weiterhin Abklärungen laufen. Auf die Fragen nach genauem Ort oder Zeugen des Vorfalls wurde nicht eingegangen. Auch zur, von der Schulleitung angekündigten verstärkten Präsenz in Obfelden, wurde keine Stellung genommen.

Die Primarschule Obfelden sagt, dass man nach Bekanntwerden des Vorfalls nach den internen Richtlinien gehandelt habe. Man habe umgehend zuerst die Polizei, dann die Mitarbeitenden und Eltern informiert. Weiter schreibt Schulpflegepräsident Markus Gysel: «Auch alle Schülerinnen und Schüler haben wir über das richtige Verhalten in einer solchen Situation informiert – dies gleich in der ersten Lektion nach dem Vorfall.» Auch die Eltern hätten einen entsprechenden Leitfaden erhalten. «Ferner hat die Schulleitung am Tag des Vorfalls sowie am Wochenende ­direkten Kontakt mit der Familie des betroffenen Kindes aufgenommen», ­erklärt Gysel.

Gemäss seinem Kenntnisstand wird das Thema aktuell bei den Schulkindern nicht mehr intensiv besprochen. Auch stelle man derzeit keine erhöhten Begleitdienste fest. Die Primarschule hält fest, dass der Schulweg in der Verantwortung der Eltern liege und man zu Beginn des Schuljahres auch die Eltern gebeten hatte, auf Elterntaxifahrten zu verzichten. Das liege aber in der Kompetenz der Eltern.

Ob solche Vorfälle häufig geschehen, ist nicht einfach festzustellen. Die Kantonspolizei Zürich sagt: «Zahlen, wie oft es zu einem verdächtigen Ansprechen kommt, liegen keine vor.» In der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik des Kantons Zürich für 2023 wird der Tatbestand Freiheitsberaubung/Entführung nur generell aufgeführt und nicht zwischen Kindern und Erwachsenen unterschieden. Im letzten Jahr gab es im Bezirk Affoltern sechs Fälle. Seit 2019 sind polizeilich 22 Fälle bekannt. Die Kantonspolizei weist auf Anfrage darauf hin, dass dieser Tatbestand in Bezug auf Kinder fast ausnahmslos durch Elternteile verübt wird, im Sinne der Entziehung (Entführung) von Kindern, meist ins Ausland.

Das heisst, Entführungen von Kindern geschehen in der Regel durch Elternteile, zum Beispiel bei einem Sorgerechtsstreit bei einer Scheidung und nur in seltenen Fällen durch unbekannte Personen. Die Primarschule Obfelden sagt, dass, soweit der Schulleitung und -verwaltung bekannt, solche Vorfälle nur sehr selten vorkommen.

Eltern sollen sich Zeit nehmen

Das Schul- und Sportdepartement der Stadt Zürich hat einen Leitfaden zum Thema «Kinder im Umgang mit Unbekannten» herausgegeben. Darin ist zu lesen, dass Eltern sich täglich Zeit nehmen sollen, mit ihren Kindern über deren Erlebnisse und Sorgen zu sprechen. Das Kind soll das Gefühl erhalten, dass es auch «komische» Dinge erzählen kann oder Sachen, vor denen es sich fürchtet. Auch soll man bedrohliche Situationen besprechen und üben.

Wenn ein Kind von einem Vorfall berichtet, soll man Ruhe bewahren und dem Kind vermitteln, dass es jetzt sicher ist. Es sollen keine Vorwürfe gemacht werden. In Akutsituationen soll sofort die Polizei über den Notruf verständigt werden. Der Leitfaden schlägt auch verschiedene Präventivmassnahmen vor (siehe Box).

Tipps für Kinder im Umgang mit Unbekannten

Hilfe holen

Eine Täterin oder ein Täter gibt sein Vorhaben schnell auf, wenn er gestört wird. Kinder müssen also wissen, wo sie sich Hilfe holen können: in einem Geschäft, auf einer belebten Strasse oder einfach an einer Haustür klingeln und dort den Vorfall erzählen.

Name nicht erkennbar

Kleidungsstücke, Schultasche usw. sollten nicht von aussen sichtbar beschriftet werden. Spricht ein Unbekannter ein Kind mit Vornamen an, vermutet dieses, dass er seine Eltern kennt, also eine bekannte Person ist.

Genügend Distanz

Kinder müssen lernen, Distanz zu Fahrzeugen zu halten, wenn sie angesprochen werden. Auf Zuruf dürfen Kinder auf keinen Fall an ein Fahrzeug herantreten. Sie sollten mindestens zwei Meter davon entfernt bleiben.

Weitergehen oder laut schreien

Besprechen Sie mit dem Kind, dass es sofort weitergehen soll, wenn es durch einen Täter bedrängt wird. Falls dies nicht möglich ist, soll es laut schreien oder andere Erwachsene um Hilfe ­bitten.

Nie in ein unbekanntes Auto steigen

Kinder sollen Aufforderungen oder Zurufe ignorieren und weitergehen. Sagen Sie dem Kind immer, wenn es von jemand anderem abgeholt wird.

Absprachen einhalten

Halten Sie Kinder zur Pünktlichkeit an! Treffen Sie Absprachen und seien Sie ein Vorbild, indem Sie sich selbst an Abmachungen halten.

Unbekannten nie die Türe öffnen

Kinder dürfen Wohnungstüren nicht öffnen, wenn sie allein zu Hause sind. Das gilt auch dann, wenn die Person, die klingelt, eine Uniform trägt.

Starkes Selbstbewusstsein

Kinder sollen im Alltag Respekt und Selbstvertrauen erfahren, damit sie Selbstbewusstsein entwickeln können.

Leitfaden Schul- und Sportdepartement der Stadt Zürich

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