Wettswil ist nach dem Zweiten Weltkrieg förmlich explodiert

In den 1960er- und 1970er-Jahren ist das Säuliamt ähnlich stark gewachsen, wie es bis 2050 prognostiziert wird

Das Schachen-Quartier beim Bahnhof Bonstetten-Wettswil 1970. Mit den ersten Mehrfamilienhäusern kamen viele Familien mit Kindern aus Zürich und Zug ins Knonauer Amt. (Bild zvg/ETH Archiv)

Im Jahr 1950 hatte Wettswil 389 Einwohnende, 1980 waren es 3366. In 30 Jahren hat sich die Einwohnerzahl von Wettswil verzehnfacht. 1950 stand beim Bahnhof Bonstetten-Wettswil nur die Ziegelei, an der Stationsstrasse gab es nur wenige Gehöfte, erst an der Ettenbergstrasse drängten sich einige Gebäude aneinander. Mit der Eröffnung des Pumpwerks Maschwanden der Gruppenwasserversorgung Amt konnte Anfang der 1950er-Jahre der limitierende Faktor für das Wettswiler Gemeindewachstum beseitigt werden: das knappe Quell­wasser. Dies führte in den kommenden ­Jahrzehnten zu einer Verdoppelung der ­Einwohnerzahlen.

«Ich wäre lieber in der Stadt geblieben»

Einer dieser Zuzüger war Urs Bregenzer, langjähriger Lehrer und später Schulleiter an der Sekundarschule Bonstetten. Für die letzten zehn Berufsjahre wechselte er als Schulleiter an die Sekundarschule Mettmenstetten und ist heutiger Präsident der Sekundarschule Affoltern-Aeugst: «Wir waren die typischen Zugezogenen. Meine Eltern wollten aufs Land ziehen, haben lange nach einem geeigneten Einfamilienhaus gesucht und sind schliesslich in Wettswil fündig geworden. 1968 bin ich als 14-Jähriger mit meinen Eltern von Altstetten nach Wettswil gezogen. Ich war gar nicht erfreut über den Wegzug, denn alle meine Freunde und meine Schule waren ja in Altstetten. Zum Glück hatten unsere Nachbarn eine hübsche Tochter, mit der ich mich schnell angefreundet hatte. Sie war ein Jahr jünger und wir sind zusammen mit dem Fahrrad in die Schule gefahren. Daraus entstand eine langfristige Freundschaft – wir sind bis heute verheiratet.»

«Früher standen auf jedem Feld Dutzende Obstbäume»

Wie sich das Säuliamt von der bäuerlich geprägten Landregion zur Agglomeration von Zürich und Zug entwickelte, erlebte der Bonstetter Landwirt Werner Locher hautnah. Als er 1953 zur Welt kam, hatte Bonstetten knapp 1000 Einwohnende und die Landwirtschaft war immer noch von den Regulierungen des Zweiten Weltkrieges geprägt: «Als ich ein Kind war, haben wir das Getreide in Säcke abgefüllt, mit dem Pferdefuhrwerk zum Bahnhof gebracht und dort in Bahnwagen umgeladen, denn Käufer war der Bund. Die Milch haben wir bei der Genossenschaft abgeliefert und alle anderen Erzeugnisse haben wir nach Zürich gebracht und in Altstetten und Albisrieden von Tür zu Tür verkauft. Dies war im Unteramt anders als in den meisten Säuliämtler Gemeinden, welche ihr Obst in der OVA verarbeitet haben.»

In den 1960er-Jahren brach der Konsum von Gärmost ein. Weil es nicht mehr rentierte und die Alkoholverwaltung die Alkoholproduktion reduzieren wollte, gab es eine Abwrackprämie für Obstbäume. Diese hat in den 1970er-Jahren die Landschaft des Säuliamts radikal verändert. Plötzlich gab es grosse Felder, die einfacher bewirtschaftet werden konnten. «Für mich war diese radikale Veränderung der Natur viel einschneidender als die Vergrösserung der Siedlungsgebiete. Früher standen auf jedem Feld Dutzende Obstbäume», erinnert sich Werner Locher. Er erinnert sich auch daran, dass es in seiner Kindheit in Bonstetten noch 56 Milchbauern gab, heute noch einen.

Rückkehr als Lehrer an der Sekundarschule Bonstetten

Das starke Bevölkerungswachstum hatte auch grosse soziale Folgen. Während sich Anfang der 1960er-Jahre noch die gesamte Wettswiler Bevölkerung mit Namen kannte, wurde Wettswil mit den ersten Mehrfamilienhäusern für einige Anwohnende auch zum Schlafdorf. Andere Zugezogene brachten ihre Ideen für ein attraktives Dorfleben ein und wurden Teil der sozialen Struktur des Dorfes. Urs Bregenzer: «In den Jugendraum mussten wir immer mit dem Fahrrad nach Stallikon fahren. Mein erstes politisches Engagement war der Einsatz für einen Jugendraum in Wettswil. Als das Paradiesli in Mettmenstetten renoviert wurde, hatte man dort eine Baracke aufgestellt, und ich setzte mich beim Gemeinderat Wettswil dafür ein, dass wir diese Baracke nach dem Umbau kriegen konnten. Diesen Holzbau haben wir Jugendlichen gemeinsam mit den Gemeindearbeitern in Wettswil wieder aufgebaut. Ich war anschliessend jahrelang Präsident des Jugendvereins, bis ich mit 21 Jahren das Lehrerseminar abschloss und eine Stelle als Lehrer an der Sekundarschule Bonstetten-Wettswil annahm.» Diese Geschichte ist exemplarisch für den Zuzug der 1970er-Jahre – bis heute. Wer sich zeigt und im Dorf engagiert, wird herzlich aufgenommen und gehört dazu.

Weitere Artikel zu «Bezirk Affoltern», die sie interessieren könnten

Bezirk Affoltern15.04.2025

Auch das Amt spürt die US-Zölle

Nur wenige Firmen haben direkt mit Amerika zu tun, doch es gibt auch indirekte Folgen
Bezirk Affoltern15.04.2025

Kantonsrat Marc Bochsler blitzt bei Regierung ab

Der SVP-Politiker kritisiert eine Auskunft zu einem umstrittenen Werbevideo
Bezirk Affoltern15.04.2025

In Ottenbach steht eine grosse Sanierung an

Die Gemeinde Ottenbach stimmt am 18. Mai über einen Kredit zur Sanierung des Lehrschwimmbeckens ab.