Wo Holzschnitzel für wohlige Wärme sorgen
Die HEA AG betreibt das Fernwärmenetz der Stadt Affoltern – es hat Potenzial für einen Ausbau des Leitungsnetzes
Es ist nur eine leichte Wärmestrahlung, die einem entgegenschlägt, wenn man die Heizzentrale der HEA Holzenergie AG am Kronenplatz in Affoltern betritt.
Clemens Grötsch, der Präsident des Verwaltungsrates, führt den Besucher sogleich zu zwei grossen orangefarbenen Blöcken, die frei im Raum stehen und unschwer als Quelle der etwas erhöhten Temperatur in der Halle auszumachen sind. «Dies sind die Öfen, das Herzstück unserer Anlage», erklärt Grötsch und deutet auf eine kleine Trittleiter, die an einem der Öfen auf das Niveau eines kleinen Sichtfensters führt. «Steigen Sie hinauf und werfen Sie einen Blick in die Flammen», lädt der Hausherr den Besucher ein und öffnet mit einer Hand die dicke Metallklappe vor dem Spezialglas. «Dies ist stets das unbestrittene Highlight, wenn Leute hier zu Gast sind», fügt der VR-Präsident mit einem leichten Schmunzeln an. Tatsächlich, es ist beeindruckend, welches Feuerspektakel sich im Inneren des von aussen doch eher wie eine «gewöhnliche» technische Anlage wirkenden Verbrennungsofens abspielt. Die Temperatur im Brennraum beträgt zwischen 850 und 950 Grad Celsius, wie man erfährt, und diese Hitze wird ausschliesslich mit Holzschnitzeln als Brennstoff erzeugt.
Die Holzschnitzel kommen direkt aus dem Wald in die Anlage
Um zu verdeutlichen, welchen Weg diese Schnitzel nehmen, bevor sie hier verheizt werden, lotst uns Clemens Grötsch durch ein Gewirr von Treppenhäusern und Räumen mit grossformatigen Rohrsystemen sowie dem gewaltigen 130-Kubikmeter-Arbeitsspeicher für das Heisswasser hin zu einem Sichtfenster. Wird dieses geöffnet, blickt man nicht etwa ins Freie, sondern ins Halbdunkel des an eine Scheune erinnernden Holzschnitzellagers. Ein Geruch nach feuchtem Wald breitet sich aus, und man fragt sich als Laie, wie dieses offenbar mit Wasser gesättigte Material überhaupt brennen kann. «Es ist so, dass wir die Holzschnitzel direkt aus dem Wald beziehen, ohne Zwischenlager», holt der VR-Präsident aus und berichtet, dass dieser natürliche Rohstoff von den Wäldern im Umkreis von gerade einmal 20 Kilometern bezogen werde. Zu diesem Zweck hätten sich Waldbesitzer in der Interessengemeinschaft Energie (IGE) zusammengeschlossen, die eine stete Versorgung der Fernwärmezentrale mit Brennmaterial sicherstellt. Wegen dieser «direkten» Versorgung und der kurzen Wege weise das zu Schnitzeln gehäckselte Waldholz die Feuchtigkeitsklasse W30 bis W60 auf, die Zahlen geben dabei den Wassergehalt in Prozent an. «Dieses Material, das auch bei Holzschlägen in Frostperioden aus dem Wald angeliefert wird, könnte man im Cheminée zu Hause nicht verfeuern, es ist nicht gelagert und mit Feuchtigkeit gesättigt, es würde nicht brennen», bestätigt Clemens Grötsch. Die Öfen im Heizwerk seien aber dafür ausgelegt. Wir wenden uns um und stehen vor einem langgezogenen Metallkanal, der durch den Raum führt. «Dies ist der Holzschnitzelschacht, darin wird der Brennstoff automatisch zu den Brennkammern befördert», lautet die Erklärung für diese Einrichtung, und noch während wir uns darüber unterhalten, dringt ein dunkles Rumpeln und Schaben aus dem Inneren des Kanals. Offenbar leistet gerade der Kratzkettenförderer seinen Dienst. «Es ist eine Win-win-Situation mit den Holzschnitzeln, wir haben den Brennstoff, und der Aufwand für die Waldpflege wäre weitaus grösser, wenn wir das Waldholz nach der Durchforstung nicht herausholen würden, was wiederum Kosten für die Öffentlichkeit nach sich zöge», umschreibt der Präsident des Verwaltungsrates die Zusammenhänge.
Ein Ausbau mit dem bestehenden Netz wird ins Auge gefasst
Im Büro der HEA AG wird der Fokus des Gesprächs dann auf die Zukunft der Fernwärmeversorgung in Affoltern gelegt. Der VR-Präsident erklärt, dass das Leitungsnetz x-förmig aufgebaut ist, mit vier Strängen, die vom Heizwerk aus in die Richtungen Seewadel, Hedingerfeld, Butzen und Oberdorf ausstrahlen. «Man sollte sich, wenn immer möglich, an unsere Hauptleitung anschliessen können, um die Fernwärme zu nutzen, sonst macht es keinen Sinn», weiss der Fachmann. Es sei aber beispielsweise möglich, in Nachbarschaften ein kleines Netzwerk zu bilden, das von der Hauptleitung abzweige, der Abstand sei also nicht fix. «Viele sagen, wir wären als Wärmelieferant für Private zu teuer, darauf antworte ich jeweils, ihr rechnet falsch, es ist mit Fernwärmeanschluss im Haus kein Heizkeller nötig, zudem fällt keine Heizungsrevision an, und den Kaminfeger könnt ihr euch auch noch gleich sparen», führt Clemens Grötsch aus.
Für den Zeithorizont 2026/2027 strebe man nun an, zu den bestehenden Öfen, die aus dem Jahr 2013 stammen und fünf respektive zwei Megawatt leisten, eine weitere Anlage mit vier Megawatt Leistung hinzuzubauen. «Wir haben jetzt keine Bankschulden mehr, daher ist es ein guter Moment, eine Erweiterung ins Auge zu fassen», so der Hintergrund. Insgesamt bedeutete ein solcher Ausbau eine Erhöhung der Wärmeleistung von 15,5 auf 19,5 Megawatt, dies deshalb, weil nicht jeder Abnehmer immer gleichzeitig Wärme benötige und deshalb mehr Kapazität zur Verfügung stehe, als man mit einer einfachen Addition errechnen würde. «Das Energieleitbild der Stadt Affoltern gibt vor, dass bis zum Jahr 2050 alles dekarbonisiert sein muss, dieser Ausbauschritt könnte unser Beitrag zu diesem Ziel sein», blickt VR-Präsident Grötsch in die Zukunft. Müsste dazu auch das Leitungsnetz ausgebaut werden? «Nein, ein Netzausbau ist nicht angedacht, wir wollen stattdessen mehr Anschlüsse an unserem bestehenden Netz generieren», lautet hier die Antwort. Eine zusätzliche Hauptleitung lohne sich bei einzelnen neuen Siedlungen nicht, wenn aber zum Beispiel ein ganzer neuer Stadtteil entstünde, könnte man einst auch diese Möglichkeit ins Auge fassen, ergänzt Clemens Grötsch.
Bei der aktuellen Generalversammlung, die am 18. November im Ulmensaal der reformierten Kirchgemeinde stattgefunden hat, stand die geplante Erweiterung der Produktionskapazität nicht auf der Traktandenliste. Sie müsste vom Verwaltungsrat beschlossen werden. «Unter Vari haben wir jedoch nochmals unsere Strategie aufgezeigt, wie wir einen Beitrag zur Dekarbonisierung der Stadt leisten können», lässt der VR-Präsident unsere Zeitung wissen. Die Generalversammlung sei in geordneten Bahnen verlaufen, und alle traktandierten Geschäfte seien von der Versammlung teils einstimmig, teils mit grossem Mehr angenommen worden.