Wo sind die Hasen geblieben?

Streifzüge durch die Natur (Teil 32): Meister Lampe im Säuliamt zu begegnen, ist äusserst schwierig geworden

Ausgewachsene Hasen haben nur noch wenige Feinde. (Bild Sven Ziegler/pixabay)

Im Säuliamt einen Hasen zu entdecken, gleicht der berühmten Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen: Nur noch 16 Feldhasen sollen im Jagdbezirk Amt leben, wie der Kanton Zürich vorrechnet. Der Jagdbezirk besteht aus den Bezirken Affoltern und Dietikon. Im ganzen Kanton Zürich leben insgesamt nur noch rund 600 Hasen.

Trotz dieser erschreckenden Zahlen konnte ich in den letzten Jahren schon dreimal einen dieser Langohren beobachten. Die Freude war jedes Mal riesig. Ansässig sind die Feldhasen sicher noch in der Maschwander Allmend, die allerdings schon im Kanton Zug liegt, und am Albis. An Letzterem hat es zum Glück noch viele ruhige Ecken, wo sich Fuchs und Hase sprichwörtlich gute Nacht sagen. Beliebt bei Hasen scheinen selten gemähte Ökowiesen in Waldnähe zu sein, oder auch extensiv genutzte Weiden.

Feldhasen waren bis vor einigen Jahrzehnten sehr häufige Tiere, die als Steppenart von der Landwirtschaft profitierten und Äcker und Wiesen besiedelten. Heute steht es jedoch im Mittelland schlecht um Meister Lampe: Die Bestände sind überall eingebrochen. So sehr, dass sie von den Jägerinnen und Jägern in vielen Kantonen längst freiwillig nicht mehr bejagt werden. In einigen Kantonen wurde die Jagd auch untersagt. Nur in einigen Bergkantonen kann man es noch verantworten, Meister Lampe ins Visier zu nehmen.

Besonders stark abgenommen haben die Populationen bei uns im Grünland, wo man gerade noch 1,3 Feldhasen auf 100 Hektaren zählt. Die Hoppeltiere benötigen nicht nur Nahrung in Form von Wildkräutern oder Gras, sondern eben auch Verstecke und Rückzugsflächen in Form von Hecken, Feldgehölzen oder Brachen. In den heutigen Normal-Wiesen, die alle paar Wochen gemäht werden, haben sie keine Chance: Die Jungen werden überfahren oder vermäht, da sie die Angewohnheit haben, bei Gefahr nicht zu fliehen, sondern sich reglos an den Boden zu ducken. Auch finden sie in den strukturlosen Acker- und Wiesenflächen kaum mehr Schutz vor Feinden wie dem Fuchs oder Greifvögeln.

Eigentlich sehr anspruchslos

Erwachsene Feldhasen sind sehr anspruchslos. Ihnen reicht schwer verdauliche Pflanzennahrung, die sie dank ­eines sehr grossen Blinddarms und Milliarden von Mikroorganismen verdauen können. Zudem schlucken sie einen Teil ihrer Kotballen nochmals, um die Nährstoffe noch besser herauszulösen: Etwa ein- bis zweimal pro Tag, während Ruhephasen, stossen sie nicht ihre üblichen harten Kotbällchen aus, sondern weicheren Blinddarmkot, den sie sofort wieder aufnehmen. Danach können sie den Nahrungsbrei ein zweites Mal aufschliessen, was überlebensnotwendig (und einfach genial, wie ich finde) ist.

Auch Feinde haben ausgewachsene Tiere praktisch keine mehr: Schleicht sich ein Fuchs zu nah heran, rasen sie hakenschlagend mit bis zu 70 km/h weg. Wenn es sein muss, springen sie bis zu 2 Meter hoch. Dazu haben sie enorm starke Hinterbeine und riesige Füsse entwickelt. Zudem sind Häsinnen nicht nur sprichwörtlich äusserst fruchtbar: Das Weibchen bringt pro Jahr drei bis vier Würfe mit bis zu fünf Jungen zur Welt. Bevor es den Nachwuchs geboren hat, kann es zudem parallel bereits wieder trächtig werden: Superfötismus nennt man diese zwei Generationen, die im selben Bauch heranwachsen.

Doch das Hauptproblem der Feldhasen ist, dass fast alle Jungen sterben, bevor sie ausgewachsen sind. Sie sind zwar typische Nestflüchter und ihre Augen sind schon bei der Geburt geöffnet. Reglos verharren sie perfekt getarnt an Ort und Stelle und werden nur ein- bis zweimal pro Tag von der Mutter gesäugt. Aber eben: Wenn der Traktor oder der Fuchs kommt, können sie der Gefahr nichts entgegensetzen. Was tun? Nötig wären mehr Ökowiesen, die erst ab dem 15. Juni gemäht werden. Guten Erfolg bringt es, wenn Landwirte ihre Getreidefelder dünner einsäen, das heisst grössere Abstände zwischen den Saatreihen wählen, so wie sie es früher machten. Denn erwachsene Hasen können nur in ein Feld eindringen, wenn die Abstände zwischen den Pflanzen nicht zu klein sind. In einem solchen Getreidefeld mit «weiter Saat» sind Hasen dann ziemlich sicher vor Fressfeinden, aber auch vor landwirtschaftlichen Maschinen. Auch Buntbrachen nützen viel.

Wer einmal einen wild lebenden Feldhasen zu Gesicht bekommen möchte, ist am besten abends oder frühmorgens unterwegs – Hasen sind dämmerungs- und nachtaktiv. Unabdingbar ist sehr viel Glück – wie bei vielen anderen Tieren des Kulturlands auch, die einst weit verbreitet waren und heute vor dem Aussterben stehen.

Weitere Artikel zu «Bezirk Affoltern», die sie interessieren könnten

Bezirk Affoltern16.09.2024

«Das Verbot ist begrüssenswert, aber zu wenig griffig»

Einwasserungsverbot nach Quagga-Muschelfund: Türlersee-Kenner sind nicht überzeugt
Bezirk Affoltern16.09.2024

Küchenpersonal besonders gefragt

Schwierig gewordene Personalsuche auch in Ämtler Gastrobetrieben
Ein Storchenpaar nistete auf einer Antenne in Bonstetten. Nun wurde das Nest unerlaubterweise entfernt. (Bild Daniel Stark)
Bezirk Affoltern12.09.2024

Und weg war das Storchennest

Sunrise entfernt Brutstätte auf Antenne in Bonstetten – ohne Bewilligung