Zürcher Regierung will Wohnungsbau ankurbeln

Starthilfe-Initiative wird befürwortet, andere Wohn-Initiativen abgelehnt

Regierungsrätin Carmen Walker Späh an der Medienkonferenz am vergangenen Donnerstag. (Bild Daniel Vaia)

Regierungsrätin Carmen Walker Späh an der Medienkonferenz am vergangenen Donnerstag. (Bild Daniel Vaia)

Entwicklung der Leerstandsquoten seit 2018: Mit einer Quote von aktuell 0,76 Prozent herrscht auch im Bezirk Affoltern statistisch gesehen «Wohnungsnot» (Kanton: 0,56 Prozent, Stadt Zürich: 0,07 Prozent). (Bild Daniel Vaia/Statistisches Amt Kanton Zürich)

Entwicklung der Leerstandsquoten seit 2018: Mit einer Quote von aktuell 0,76 Prozent herrscht auch im Bezirk Affoltern statistisch gesehen «Wohnungsnot» (Kanton: 0,56 Prozent, Stadt Zürich: 0,07 Prozent). (Bild Daniel Vaia/Statistisches Amt Kanton Zürich)

Im Wohnungsmarkt ist die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage in den letzten Jahren immer grösser geworden. Das liegt unter anderem an der unterdurchschnittlichen Bautätigkeit, auch im Kanton Zürich. Die Folge: stark steigende Preise, sinkende Leerstandsquoten. So standen beispielsweise im Bezirk Affoltern im letzten Jahr nur gerade 0,76 Prozent der Wohnungen leer. Das ist zwar minim mehr als in den beiden Vorjahren, aber nicht weit weg von der letzten grossen Mangellage in den Jahren 2000 bis 2003. Gemäss Definition des Bundesamts für Wohnungswesen (BWO) herrscht damit aktuell auch im Bezirk Affoltern «Wohnungsnot» (alle Leerwohnungsziffern unter 1 Prozent). Der kantonale Durchschnitt lag letztes Jahr bei 0,56 Prozent.

Der Zürcher Regierungsrat will nun Gegensteuer geben, «um den Wohnungsbau insgesamt anzukurbeln und mehr erschwinglichen Wohnraum für die Zürcher Bevölkerung zu ermöglichen» (Medienmitteilung). Er setzt dabei auf veränderte Rahmenbedingungen und Anreize.

Künftig soll einfacher, höher und schneller gebaut werden können, sagte Regierungsrätin und Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh (FDP) am Donnerstag an einer Medienkonferenz in Zürich. Als konkrete Massnahmen genannt wurden unter anderem eine «Flexibilisierung der Zonenordnung bei der Umnutzung von Gewerbe- und Industrieräumen in Wohnraum», «weniger Auflagen bei der Nachrüstung bestehender Bauten», eine «Interessenabwägung im Lärm- und Denkmalschutz zugunsten des Bauens», «Ermöglichung höherer Ausnutzung», «mehr Anreize für sub­stanzielle Aufstockungen», «Einschränkung der Rekurslegitimation – weniger Verhinderungspotenzial».

«Wohnungsbau-Politik am Scheideweg»

Dass die Zürcher Regierung aktiver werden will, liegt nicht zuletzt am politischen Druck. Derzeit sind im Kanton gleich fünf Volksinitiativen zum Thema Wohnen pendent: Drei stammen aus linken Kreisen, zwei hat der Hauseigentümerverband HEV angestossen (siehe Kasten). Zu allen fünf hat Walker Späh im Namen der Regierung Stellung bezogen. Die «Wohnschutz-Initiative» (Ablehnung) und die Volksinitiative «Mehr bezahlbare Wohnungen im Kanton Zürich» (Gegenvorschlag) wurden allerdings nur am Rande erwähnt, da sich der Regierungsrat schon früher dazu geäussert hatte.

In ihrer Stellungnahme stützte sich Walker Späh auch auf eine von der Volkswirtschafts- und der Baudirektion in Auftrag gegebene Studie des Unternehmens Wüest Partner. Dieses hat die Auswirkungen verschiedener wohnbaupolitischer Massnahmen analysiert, einschliesslich der fünf Volksinitiativen.

«Wir stehen in der Wohnungsbau-Politik an einem Scheideweg», stellte Walker Späh fest. Die einen forderten starke staatliche Eingriffe und weniger Markt, die anderen mehr Anreize für mehr Markt, damit mehr Wohnraum entsteht. Die Regierung sei für die zweite Variante, «weil mehr Regulierung das Problem nicht löst».

Wohnungsinitiative: Gegenvorschlag

Die von linker Seite (Grüne, SP, AL) lancierte «Wohnungsinitiative» lehnt der Regierungsrat ab. Allerdings stellt er ihr einen Gegenvorschlag gegenüber, wie am Donnerstag erklärt wurde. Die Initiative verlangt die Schaffung einer öffentlich-rechtlichen Anstalt, welche mit mindestens 500 Millionen Franken ­ausgestattet werden soll. Mit dem Geld ­sollen Kanton und Gemeinden für ein ausreichendes und bedarfsgerechtes Wohnraumangebot sorgen und die ­nachhaltige und treibhausgasneutrale Bauweise gefördert werden. Die neue Anstalt soll neben dem Bauen auch den Unterhalt und die Vermietung übernehmen.

Für die Regierung keine gute Idee: «Die Anstalt würde eine Art neues ‹Zentralbüros für Wohnungsbau› im Kanton Zürich», so Walker Späh. Private Unternehmen, Genossenschaften und Vorsorgeeinrichtungen würden konkurrenziert und teilweise verdrängt. Und der Staatshaushalt würde stark belastet, was andernorts zu Einsparungen und/oder zu Steuererhöhungen führen müsste. Der Gegenvorschlag des Regierungsrates: Ein neuer Verfassungsartikel soll Kanton und Gemeinden verpflichten, günstige Rahmenbedingungen für ein ausreichendes und bedarfsgerechtes Wohnraumangebot zu schaffen. Anders als die Initiative setzt der Gegenvorschlag auf Rahmenbedingungen und Anreize, um den Wohnungsbau insgesamt anzukurbeln – durch weniger Regulierung, die Beschleunigung baurechtlicher Verfahren und durch die Förderung einer verdichteten Bauweise an geeigneten Orten, beispielsweise durch Aufstockungen. Der Gegenvorschlag würde die Regierung verpflichten, innerhalb von drei Jahren konkrete Massnahmen zu prüfen und Gesetzesänderungen vorzuschlagen.

Ja zu Starthilfe-Initiative

Von den fünf Volksinitiativen unterstützt der Regierungsrat einzig die Volksinitiative «Starthilfe für Junge und Familien» (Starthilfe-Initiative) des HEV. Diese verlangt, dass der Kanton eine Bürgschaft von maximal 15 Prozent des Kaufpreises für den erstmaligen Erwerb von selbst genutztem Wohneigentum übernimmt. So sollen mehr Menschen in die Lage kommen, Wohneigentum im Kanton Zürich zu erwerben. Derzeit liegt die Wohneigentumsquote im Kanton Zürich bei 26,8 Prozent und damit weit unter dem Schweizer Durchschnitt (36 Prozent). Walker Späh bezeichnete die Bürgschaft als «sinnvolle Massnahme», sie sei zudem relativ kostengünstig, da keine oder kaum Mittel fliessen. Allerdings, räumte sie ein, sei die Wirkung wohl begrenzt.

Tatsächlich zeigen Berechnungsbeispiele, dass aufgrund der Vorgaben der Banken wohl nur sehr gut Verdienende (Jahreseinkommen 250000 Franken und mehr) profitieren würden.

Nein zur Wohneigentums-Initiative

Abgelehnt wird von der Regierung die Volksinitiative «Wohneigentum wieder ermöglichen (Wohneigentums-Initiative)» des HEV. Diese verlangt mittels Anpassung des kantonalen Wohnbauförderungsgesetzes, dass mindestens gleich viel selbst genutztes Wohneigentum wie Mietwohnraum entsteht, wenn der Kanton oder Gemeinden Wohnraum selbst erstellen, erwerben oder durch Dritte fördern.

Die Initiative schränkt aus Sicht der Regierung den Handlungsspielraum von Kanton, Gemeinden und privaten Akteuren unverhältnismässig ein und berücksichtigt den lokalen Bedarf nicht. Eine Annahme würde dazu führen, dass sich viele staatliche und private Akteure aus dem Wohnungsbau zurückziehen, was das Angebot an preisgünstigem Wohnraum verringern und die Wohnungsknappheit verschärfen würde.

Erwartbare Reaktionen

Die Reaktionen der Parteien auf die Ankündigung der Regierung fielen unterschiedlich aus – und erwartungsgemäss. SVP, FDP, Mitte und GLP begrüssten das Vorgehen, während SP und Grüne Kritik üben. Der Hauseigentümerverband zeigte sich im Falle seiner «Starthilfe-Initiative» erfreut, im Fall der «Wohneigentums-Initiative» enttäuscht.

Die fünf kantonalen Wohn-Initiativen

«Wohnungs-Initiative» (Kantonale Anstalt): Urheber: Grüne, SP, AL. Kernanliegen: Der Kanton betreibt eine öffentlich-rechtliche Anstalt, die Wohnraum erstellt, unterhält oder vermietet. Benötigte Summe: mindestens 500 Millionen Franken. Entscheid Regierung: Gegenvorschlag.

«Starthilfe-Initiative» (Bürgschaft): Urheber: Hauseigentümerverband. Kernanliegen: Der Kanton übernimmt Bürgschaften von bis zu 15 Prozent des Preises für selbst bewohnte Liegenschaften. Entscheid Regierung: Annahme.

«Wohneigentums-Initiative» (1/2 Eigentum): Urheber: Hauseigentümerverband. Kernanliegen: Die kantonale und kommunale Wohnbauförderung muss mindestens zur Hälfte für die Erstellung von selbst genutztem Wohneigentum eingesetzt werden. Entscheid Regierung: Ablehnung.

«Wohnschutz-Initiative» (Mietdeckel): Urheber: Mieterverband, SP, Grüne, AL. Kernanliegen: Gemeinden können nach Renovationen etc. Höchstmieten festlegen und die Umwandlung von Mietwohnungen in Stockwerkeigentum beschränken. Entscheid Regierung: Ablehnung.

Initiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» (Vorkaufsrecht): Urheber: Links-Mitte, Genossenschaften. Kernanliegen: Gemeinden erhalten die Möglichkeit eines Vorkaufsrechts auf Grundstücken. Entscheid Regierung: Gegenvorschlag. (dv)

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