«Bei Temperaturen von minus 50 Grad können die Augen zufrieren»

Temperaturen bis minus 20 Grad? Nasenwasser für RenéNüesch. Der begeisterte Alaska-Biker liebäugelt mit seiner nächsten Idita-Bike-Teilnahme. So nahe am Polarkreis können die Temperaturen auch mal auf minus 50 Grad fallen.

René Nüesch trainiert mit seinem speziellen Ballonreifen-Bike im Schnee.
René Nüesch trainiert mit seinem speziellen Ballonreifen-Bike im Schnee.

Von Martin Platter

Für durchschnittlich sportliche und durchschnittlich kälteempfindliche Menschen, die sich gerne zum Ausgleich mit dem Mountainbike oder Rennrad bewegen, sind die seit Tagen vorherrschenden Minustemperaturen eine Herausforderung. Bis etwa minus 15 Grad kann man sich mit entsprechender Kleidung noch gegen die Kälte schützen. Bei noch tieferen Temperaturen wirds jedoch schwierig. Vor allem die Hände und Füsse sowie das Gesicht sind die Problemzonen. Bei kaltem Wind wie derzeit die Bise sind die Extremitäten bei höheren Fahrgeschwindigkeiten im Handumdrehen unterkühlt – eine ziemlich schmerzhafte Spassbremse.

1000 Meilen durch die Eiswüste 

 René Nüesch lächelt milde. Der Obfelder ist ein Extremsportler der besonderen Art. Kein Rennen zu hart, kein Rennen zu extrem, kein Rennen zu kalt. Etwa so könnte man das sportliche Profil von Nüesch zusammenfassen. Das war nicht immer so. 1986 hörte der heute 52-Jährige mit Rauchen auf und verschrieb sich als Gegentherapie ganz dem Sport. Angefangen mit kurzen Volksläufen und Kurz-Triathlons steigerte Nüesch allmählich die Anforderungen. Nach drei Jahren nahm er an Halbmarathons teil, 1990 wagte er seinen ersten Extrem-Wettbewerb. Beim Ultraman auf Hawaii wurde er 18. Für die zehn die Kilometer Schwimmen, 421 km Radfahren und 84 km Laufen benötigte er 19:27 Stunden. Seither hat ihn das Langstreckenvirus infiziert. Immer wieder auch in extrem unwirtlichen Regionen der Welt wie Alaska. Als einziger Schweizer hat er mehrmals am Idita-Bike teilgenommen, jenem sagenumwobenen Bikerennen, das auf dem Trail des Iditarod-Schlittenhunderennens von Anchorage nach Nome führt. Zwei Strecken – 563 oder 1609 Kilometer – stehen zur Auswahl. Gefahren wird rund um die Uhr und beinahe bei jedem Wetter.

Exklusives Schneebike 

 Klar, dass eine solche Herausforderung auch spezielles Material erfordert. Nüesch hat sich deshalb 2006 vor Ort extra ein spezielles Mountainbike gekauft, dass für die Fahrt durch den Schnee konzipiert worden ist. Es verfügt über Felgen, die mit 70 Millimeter rund dreimal so breit sind wie an einem herkömmlichen Bike. Die Reifen sind mit vier Zoll rund doppelt so voluminös wie üblich. In Kombination mit einem geringen Luftdruck von lediglich 0,6 bis 0,8 Bar resultiert daraus eine extragrosse Auflagefläche, die sogar ein Vorwärtskommen im Neuschnee ermöglicht. Die riesigen Ballonreifen schwimmen richtiggehend auf.

Bei Temperaturen von bis zu minus 50 Grad Celsius ist aber vor allem die Kleidung überlebenswichtig. Als Vorbereitung testet Nüesch sein Material jeweils in der Kältekammer – und stösst dabei immer wieder auf erstaunliche Erkenntnisse. Jacken mit atmungsaktivem Obermaterial erwiesen sich bei sehr tiefen Temperaturen als ungeeignet, da der Wasserdampf an der Gewebeoberfläche gefriert. Die Membrane vereist und wird somit unwirksam. Der Effekt ist eine vollgeschwitzte Unterbekleidung, die ohne körperliche Betätigung sofort auskühlt. Nüesch schwört deshalb auf das bewährte Zwiebelschalenprinzip: Auf schweisstransportierende Thermounterwäsche folgt ein Faserpelz und eine Windstopperjacke. Diese ist aber nur vorne beschichtet, damit der Dampf am Rücken gut entweichen kann. Die Hände stecken in Fingerhandschuhen über die Fausthandschuhe gezogen werden – auch um Verletzungen vorzubeugen. Bei eisigen Minustemperaturen bleiben die Finger nämlich am kalten Metall des Bikes kleben.

Probleme mit Atmung und Sicht 

 Probleme bereiten bei derart tiefen Temperaturen auch die Atmung und die Sicht. «Beim Strassenradrennen Anchorage-Fairbanks, das jeweils am 1. Januar ausgetragen wird, habe ich einmal erlebt, wie einem Fahrer bei minus 55 Grad die Augen zugefroren sind, worauf er übel gestürzt ist», erinnert sich Nüesch. Er hat deshalb neben einer Gesichtsmaske, die er ab Temperaturen von minus 30 Grad nutzt, immer auch einen Radhelm mit Visier parat. Wie bereitet man sich auf derart extreme Einsätze vor, wenn man nebenher noch 100 Prozent Einsatz als Teamleiter auf der Post zeigen muss? Wieder lächelt Nüesch. Er lasse so oft wie möglich das Auto stehen und nehme stattdessen das Velo – auch wenn seine Aquafit-Lektionen in Birmensdorf, Dietikon oder Langnau seien.

So kommen selbst in der Winterzeit durchschnittlich 150 Trainingskilometer pro Woche zusammen. Im Sommer könne diese Summe während intensiven Phasen auf bis zu 600 Kilometer steigen. Klar, dass er ein Teil dieses Pensums bei Nacht abspult. «Eine gute Gelegenheit, um auch gleich noch die Beleuchtung auf ihre Praxistauglichkeit zu prüfen.» Mit dieser Haltung ist es nur logisch, dassNüesch die derzeitige Kälte nichts ausmacht. Alles ist eine Frage der Einstellung.

Weitere Informationen: nueschfitness.ch.

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