Brennwald siegt im Sturm
Nur fünf Läufer erreichten am Ticino Trail über 115 Kilometer und 8400 Höhenmeter das Ziel. Der Ultra-Berglauf musste wegen starken Gewitters abgebrochen werden. Zu dem Zeitpunkt war der Aeugster allerdings schon fast drei Stunden im Trockenen.
Bei Regen, Wind und völliger Dunkelheit erreichte Ultra-Sportler Adrian Brennwald frierend den Lago Naret auf 2200 Metern über Meer. 93 Kilometer und über 7000 Höhenmeter hatte der Aeugster zu diesem Zeitpunkt bereits in den Beinen. Um wieder warm zu bekommen, beschloss er, sich komplett auszuziehen – in einem kleinen Verpflegungszelt mit drei weiblichen Helferinnen – und das Rennen in der mitgeführten langen trockenen Kleidung wieder aufzunehmen. «Das war der Knackpunkt», sollte der Aeugster nach dem Rennen bemerken. Das gute Gefühl in der warmen und trockenen Kleidung habe ihm wieder Schub gegeben. In den folgenden Abwärts-Passagen stürzte er bei Nebel und rutschigen Verhältnissen zwar zweimal, hatte allerdings Glück im Unglück und blieb unverletzt. Im happigen letzten Aufstieg zum Christallinapass gelang es ihm dann, den Vorsprung auf die Verfolger auszubauen. Airolo erreichte er schliesslich nach 18 Stunden und 33 Minuten um 2.33 Uhr. Das Ziel war zu diesem Zeitpunkt völlig ausgestorben. Es sollten noch über 40 Minuten vergehen, bis die Zweitschnellste eintreffen würde.
Richtig gelesen: Der stärkste Gegner von Adrian Brennwald war diesmal eine Frau. Bereits als er die Startliste studiert hatte, war dem Aeugster klar, dass mit Lizzy Hawker zu rechnen sein würde. Die Engländerin ist aktuell die Nummer eins, was Ultra-Bergläufe betrifft. «Am Start hat sie das Tempo bestimmt», verrät Brennwald.
Beim ersten Aufstieg konnte sich der Aeugster dann allerdings von der Dreier-Spitzengruppe absetzen. Der Vorsprung stieg und pendelte sich bei sechs bis zehn Minuten ein. Bei Rennhälfte gerieten die Spitzenläufer in Faido erstmals in ein Gewitter. Der Regen sollte sie in den kommenden Stunden stets begleiten.
Wegmarkierung und Kuhaugen
Nur die ersten fünf kamen ins Ziel, ehe der Wettkampf wegen Sturm und Hagel abgebrochen werden musste. «Diesmal war der Abbruch begründet», sagt Brennwald. Nach dem Irontrail im Bündnerland, an dem er an zweiter Position liegend aus dem Rennen genommen wurde, hatte er sich noch über den Entscheid der Veranstalter beschwert und die schlechte Wegmarkierung als eigentlichen Grund für den Rennabbruch genannt. Die Markierung gab diesmal keinen Anlass zu Kritik, war doch die Strecke mit Reflektoren bestückt. Schwierig sei es höchstens auf der einen oder anderen Kuhweide geworden, so Brennwald: «Die Kuhaugen haben das Licht der Stirnlampe auch reflektiert. So bin ich zum Teil auf eine Kuh losgelaufen», sagt er und lacht.
Für Adrian Brennwald war der Ticino Trail letzter Test vor dem Tor des Géants im Aosta-Tal. Dort geht es in der zweiten September-Woche nonstop über 330 Kilometer und 24000 Höhenmeter ...