Das Hausemer Pendant zu Fabian Cancellara
Erstmals seit Jahrzehnten nehmen keine Säuliämtler an den olympischen Sommerspielen teil!? Das stimmt nicht ganz: In Hausen wohnt die englische Radrennfahrerin Emma Pooley, die sich Chancen auf den Olympiasieg im Zeitfahren ausrechnet.
Von Martin Platter
Emma Pooley, das weibliche Pendant zu Fabian Cancellara, ist von ihrer Erscheinung her das genaue Gegenteil der Berner Olympiahoffnung. Während Cancellara mit einer Grösse von 1,86 Meter und einem Gewicht von 80 Kilogramm als Modellathlet gilt, der aber bereits zu schwer ist, um grosse Rundfahrten gewinnen zu können, bringt es Pooley gerade mal auf 1,57 Meter Körpergrösse und 50 Kilo Gewicht. Dennoch kann sie bedeutende Erfolge in den grossen Frauenrundfahrten Grande Boucle Féminin und Giro femminile sowie in Eintages-Klassikern und im Kampf gegen die Uhr vorweisen. Als bisherige Höhepunkte gewann sie die olympische Silbermedaille im Zeitfahren von Peking und holte 2010 in dieser Disziplin den Weltmeistertitel. Diesmal solls am 1. August sogar olympisches Gold im Zeitfahren werden.
Zierliche Erscheinung, wacher Geist
«Der Druck ist gross», sagt Emma Pooley denn auch. Die heute 29-Jährige wurde in der Olympiastadt geboren und wuchs in Norwich auf. Nach dem Studium an der renommierten Universität Cambridge wurde sie quasi zur akademischen Sportnomadin. Zuerst als Langstrecken-Läuferin und Triathletin, wechselte sie 2005 wegen einer Verletzung zum Radsport, wo sie auf Anhieb erfolgreich war. Klar, dass sie mit ihrem Palmarès im Fokus der Medien steht – auch wenn das erfolgreiche Sky-Team mit ihren Landsleuten wie Tour-de-France-Sieger Bradley Wiggins und Strassenweltmeister Mark Cavendish ungleich mehr Publizität generieren.
Ein Interview mit der zierlichen Frau ist dafür ungleich inspirierender als mit dem stets etwas ungehobelt wirkenden «Cav». Was nicht erstaunt in Anbetracht ihres akademischen Werdegangs und ihrer Einstellung. Pooley hat nie darüber gejammert, dass der Frauenradsport darbt. Sie hat ihr radsportliches Zigeunerleben stets auch für ihre intellektuelle Entwicklung genutzt. Sie beherrscht inzwischen sechs Sprachen fliessend. In die Schweiz hat sie die Ausbildung gebracht. Pooley studiert in Zürich Geotechnik. Nach Wohnorten in Zürich und Rüschlikon hat sie sich vor einigen Monaten in Hausen an der Heischerstrasse niedergelassen, wo in idealer Distanz zur ETH beste Trainingsgebiete vorfindet.
Weitere Fortschritte im Zeitfahren
Auf ihre Olympiachancen angesprochen, gibt sich Pooley realistisch. Im Wissen, dass vor allem im Strassenrennen, das am kommenden Sonntag, 29. Juli stattfindet, alles passieren kann: «Der eher flache Rundkurs entspricht ausserdem nicht meinen Fähigkeiten», schränkt sie ein. Aber es könnte sein, dass sie im Finale wieder eine wichtige Helferrolle übernehmen werde für Teamkollegin Lizzie Armitstead, die viel besser sprinten könne als sie selber. Schon 2008, hatte sie der damaligen Siegerin des Strassenrennens in Peking, Nicole Cooke, im Finale rennentscheidend geholfen. Macht es ihr denn nicht aus, für eine andere den Rücken zu krümmen? «Nein, solange wir gewinnen. Ich weiss es klingt komisch, denn am Schluss siegt nur eine. Aber Radsport ist ein Teamsport, das grosses gegenseitiges Vertrauen voraussetzt», erklärt Pooley. Im Zeitfahren seien ihre Chancen besser, denn sie habe seit ihren letzten Erfolgen weitere Fortschritte gemacht. «Gewinnt Emma Pooley tatsächlich eine Medaille, werden wir ihr in Hausen einen würdigen Empfang bereiten», hat Gemeindeschreiberin Nicole Baumann bereits in Aussicht gestellt.