GP-Osterhas-Siegerin holt Olympia-Bronze
Dass eine Nation bei einem internationalen Titelkampf gleich sämtliche Medaillengewinner stellt, kommt sehr selten vor. Schweizer Mountainbikern ist das allerdings schon viermal gelungen – und am letzten Dienstag erstmals auch den hiesigen Crosscountry-Fahrerinnen an den olympischen Spielen.
Jolanda Neff, Sina Frei und die zweimalige GP-Osterhas-Siegerin Linda Indergand haben das olympische Bikerennen kurzerhand in Schweizer Meisterschaften umfunktioniert. Dabei spielte auch das nötige Quäntchen Glück für den sehr seltenen Grosserfolg eine entscheidende Rolle. Regenfälle vor dem Rennen schufen nämlich vollkommen neue Streckenverhältnisse, was den fahrtechnisch starken Schweizerinnen ganz besonders zusagte.
Das zeigte sich schon kurz nach dem Start im direkten Vergleich mit der favorisierten Pauline Ferrand Prevot. Seite an Seite rasten die spätere Goldmedaillengewinnerin Neff und die amtierende Weltmeisterin aus Frankreich auf unterschiedlichen Linien in eine mit Felsbrocken übersäte, 60 Grad steile Gegensteigung, die nur mit viel Tempo gefahren werden konnte. Während Prevot wegrutschte und entscheidend Zeit einbüsste, kam Neff durch. Es war gewissermassen der Startschuss für ihre Solofahrt zum Triumph, der nicht unbedingt zu erwarten gewesen war.
Wenn der Erfolg zur Bürde wird
In der Vergangenheit hatte sich die 28-jährige Ostschweizerin den Ruf einer Vorzeige-Bikerin eingehandelt, wurde ab 2012 dreimal in Folge U23-Weltmeisterin, 2014 jüngste Weltcup-Gesamtsiegerin, 2016 Marathon- und 2017 Crosscountry-Weltmeisterin. Beim Trubel um ihre Person und Schielen auf den bestdotierten Vertrag verlor sie jedoch ihre Freude am Sport und auch ihr Glück. Üble Stürze und Verletzungen warfen sie gleich mehrmals zurück. Doch sie gab nicht auf, besann sich ihrer Wurzeln und kämpfte auch bei Swiss Cycling für mehr Anerkennung für den Frauensport. Das Glück kehrte punktgenau in Tokio zurück und mit ihm die gute Leistung.
Die ebenfalls 28-jährige Linda Indergand stand in den letzten Jahren oft im medialen Schatten von Neff. Das war nicht immer so: 2011 als Juniorin hatte sie Neff an der Heim-WM in Champéry noch den Weltmeistertitel weggeschnappt. Doch danach wurden die Triumphe seltener. Neff überstrahlte alles. Doch Indergand gab nie auf, liess immer mal wieder ihr Talent aufblitzen und wurde 2015 und 2016 Eliminator-Sprintweltmeisterin. Ihre Sprintstärke demonstrierte die Urnerin auch am GP Osterhas, den sie 2017 und 2018 auf sich alleine gestellt souverän gewann.
Von der dritten und jüngsten im Olympia-Bunde, der 24-jährigen Sina Frei, die im Nachwuchsalter ähnlich erfolgreich war wie Jolanda Neff, hat man die Olympiamedaille auf dem auch bergauf überaus anspruchsvollen Rundkurs ausserhalb von Tokio wohl am ehesten erwartet. Nicht aber, dass gleich alle drei Schweizerinnen eine Olympiamedaille holen.
Weitere Schweizer Dreifacherfolge
Neu sind sie aber nicht, die Dreifacherfolge an Welttitelkämpfen, die bisher nur den Schweizer Mountainbikern gelangen. 2006 räumten erstmals drei hiesige Junioren in Rotorua alle WM-Medaillen ab: Mathias Flückiger vor Martin Fanger und Pascal Meyer. Flückiger, der Olympia-Silbermedaillengewinner von Tokio, doppelte 2010 bei den U23 (vor Thomas Litscher und Patrik Gallati) und 2012 bei der Elite (hinter Nino Schurter und seinem Bruder Lukas Flückiger) nach. 2008 gelang das Kunststück ausserdem den Elitefahrern Christoph Sauser vor Florian Vogel und Ralph Näf. Dass aber bei den Frauen gleich sämtliche Medaillen an Schweizerinnen gehen, das ist ein absolutes Novum.
Die Olympia-Einsätze der Säuliämtlerinnen
Erstmals an Sommerspielen ausgetragen wird in Tokio ab Mittwoch, 4. August, die Disziplin Sportklettern. Am 5. August folgt das Finale. Sie besteht aus einer Kombination aus Speedklettern (eine 15 Meter hohe Wand muss in möglichst kurzer Zeit bezwungen werden), Bouldern (es gilt vier Kletterrouten möglichst fehlerfrei zu absolvieren) und Lead, auch Schwierigkeitsklettern genannt. Medaillenchancen kann sich Petra Klingler ausrechnen. Die 29-jährige Bonstetterin wurde 2016 Weltmeisterin im Bouldern und zählt zu den Schweizer Hoffnungsträgerinnen.
Mit ein bisschen Glück kommt die in Affoltern wohnende Annina Fahr am Donnerstag, 5. August, als Läuferin der 4x400-Meter-Frauen-Staffel zum Einsatz. Am Samstag, 7. August, wäre dann der Final. Die SM-Bronzemedaillengewinnerin über 400 Meter Hürden bestritt in diesem Jahr bereits zwei internationale Einsätze mit der 4x400-Meter-Staffel und fiel durch ihre schnellen Abschnittszeiten auf, die letztlich zur Olympia-Selektion geführt haben. Ob sie tatsächlich zum Einsatz kommt, gibt Swiss Athletics, der sechs Läuferinnen selektioniert hat, erst kurz vor dem Wettkampf bekannt. (map.)