Mit Schuhen aus dem 3D-Drucker an die Paralympics

Die vierfache Welt- und Europameisterin Flurina Rigling aus Hedingen fährt erstmals um paralympische Medaillen

Flurina Rigling, links auf ihrem Rennrad auf einem offiziellen Plakat von Swiss Paralympic, rechts real an der Medienkonferenz in Nottwil.

Flurina Rigling, links auf ihrem Rennrad auf einem offiziellen Plakat von Swiss Paralympic, rechts real an der Medienkonferenz in Nottwil.

Spezialschuhe aus dem 3D-Drucker: Flurina Rigling am Freitag bei Vorbereitungen für ein Fotoshooting. (Bilder Daniel Vaia)

Spezialschuhe aus dem 3D-Drucker: Flurina Rigling am Freitag bei Vorbereitungen für ein Fotoshooting. (Bilder Daniel Vaia)

27 Athletinnen und Athleten werden die Schweiz an den Paralympics 2024 in Paris vertreten. So viele wie noch nie seit 2008. Das erklärte die Schweizer Behindertensportstiftung Swiss Paralympic bei der Bekanntgabe der Selektion am Freitag im Paraplegiker-Zentrum in Nottwil LU. Zur Schweizer Vertretung zählt die aus Hedingen stammende Para-Radrennfahrerin Flurina Rigling. Sie wird sowohl auf der Bahn als auch auf der Strasse zum «Kreis der Favoritinnen» gezählt, wie Swiss Paralympic in einer Medienmitteilung schreibt.

Die Erwartungen an Rigling sind aufgrund ihrer bisherigen Erfolge gross. Sie ist vierfache Welt- und Europameisterin, hat schon 18 WM-Medaillen geholt und ist überdies Weltcup-Gesamtsiegerin 2024. Nur olympische Medaillen besitzt sie noch keine – ganz einfach, weil sie bisher noch nie an Paralympischen Spielen teilgenommen hat.

Welcher Druck ist bei dieser Ausgangslage schwieriger auszuhalten, jener von aussen – von der Familie, den Fans und Sponsoren – oder jener von innen? «Es sind immer die eigenen Erwartungen, mit denen man vor allem umgehen können muss», sagt Rigling gegenüber dem «Anzeiger». «Die Ausgangslage in Paris ist eine andere als sonst, die Konkurrenz ist noch stärker. Ich kann mir nicht einfach sagen: ‹Du hast alles gewonnen, easy, mach einfach weiter.›»

Für sie gehe es in erster Linie darum, ganz bei sich selber zu bleiben und die eigenen Leistungen abzurufen. «Das ist das Einzige, das ich beeinflussen kann und auf das ich hin trainiere.» Für sie sei es wichtig, am Schluss sagen zu können: «Ich habe das gemacht, was ich machen kann.»

Schuhe und Lenker aus dem 3D-Drucker

Für den Medientermin in Nottwil am Freitag hatte die in Hedingen aufgewachsene und wohnhafte 27-Jährige ihr Höhentraining auf dem Säntis unterbrochen. Dort oben, auf 2502 m. ü. M., verbrachte sie mehrere Nächte, während sie tagsüber von der Schwägalp aus auf dem Rad unterwegs war. Ein weiteres, mehrwöchiges Höhentraining ist vor Paris im Engadin geplant.

Die körperlichen und mentalen Vorbereitungen sind für Paracyclerinnen wie Rigling das eine, das andere ist die Verbesserung des Materials. Zu den grossen Neuerungen zählen bei ihr, dass sowohl Teile des Rennradlenkers wie auch die Schuhe neu aus dem 3D-Drucker stammen. Rigling: «Das ist ein grosser Sprung nach vorn. Früher dauerte es Monate, bis ich ein paar neue Schuhe hatte, heute noch ein paar Tage. Dazu sind die neuen viel leichter.»

Von den allerersten Metern auf dem Velo als kleines Mädchen bis zur Teilnahme an den Paralympics mit Hightech-Ausrüstung und -Rennrädern war es ein langer Weg. «Wie jedes Kind hatte auch ich Stützrädli», erinnert sich Rigling. Doch weil sie ohne die vier Strahlen an Händen und Füssen geboren wurde (eingeschränkte Grifffähigkeit), habe sie Schwierigkeiten beim Schalten und Bremsen gehabt (zudem kann sie ihre Wadenmuskulatur nicht einsetzen). Ihr half damals ein versierter Velomechaniker in Affoltern, Marc Nägeli. «Er liess eine spezielle Schaltung aus Holland kommen, weil ich einen Rücktritt benötigte.» Die damalige Zusammenarbeit besteht bis heute. «Marc ist bis heute ein extrem wichtiger Begleiter und hilft mir mit dem Material», so ­Rigling. Auch sonst wird sie, neben nationalen Sponsoren, bis heute aus der Region unterstützt.

«Trainingsfleiss, Mut und Ehrgeiz»

Laurent Prince, Stiftungsratspräsident von Swiss Paralympics, bezeichnete am Freitag die Leistungen der Selektionierten als «Inspiration für alle Athleten» – und nicht nur für die Behindertensportler. Voraussetzungen dafür seien «viel Trainingsfleiss, Mut und sehr viel Ehrgeiz». Das Schweizer Team will in Paris «mindestens die Gesamtleistung der letzten Spiele in Tokio (2021) wiederholen», so Peter Läuppi, der Chef de Mission von Swiss Paralympics. Damals holten sie Schweizer Sportlerinnen und Sportler 14 Medaillen. Chancen auf Edelmetall sieht Läuppi neben der Leichtathletik, dem Paracycling und dem ­Rollstuhl-Badminton unter anderem auch im Schwimmen.

In einem wesentlichen Punkt werden die Spiele in Paris völlig anders sein als die letzten in Asien. «Tokio 2020» fand noch unter Covid-19-Restriktionen statt – weitgehend unter Ausschluss von Publikum (und ein Jahr später als ­geplant, 2021). In Paris dürften die Ränge in den Stadien oft voll sein – und unter den Zuschauerinnen und Zuschauern dürften sich viele Familienangehörige und Freunde der Schweizer Sportlerinnen und Sportler befinden. Läuppi: «Diese Nähe ist eine Chance – und eine Herausforderung zugleich.»

Und von was träumt Flurina Rigling – abgesehen vom Sport? «Ein ­erfülltes, gesundes Leben zu haben. Ich denke, im Moment ist meine Lebensqualität so hoch wie noch nie, auch durch den Sport. Mir geht es gesundheitlich extrem gut. Dazu habe ich ein tolles Umfeld, das mich unter-stützt. Und ­­ich habe kürzlich meine ­Masterarbeit (in Politikwissenschaften, Anm. d. Red.) abgeschlossen. Ich bin in vielen Bereichen meines Lebens sehr erfolgreich, das erfüllt mich sehr.»

Beste Voraussetzungen für die ­Paralympics in Paris. Und für die kurze Zeit später folgende Rad- und Para­cycling-WM in Zürich, von 21. bis 29. September.

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