Wo die Schiedsrichterurteile kommentarlos akzeptiert werden
Rund 300 Kinder und Jugendliche am Junior Karate League Turnier in der Schachenhalle in Bonstetten
Mami schaut, ob das Outfit sitzt, der blaue Gurt am richtigen Ort ist, Hand- und Zahnschutz vorhanden sind. Der Knirps, um die 10 Jahre jung, ist konzentriert, macht sich mit ein paar Bewegungen warm. Dann verneigt er sich vor dem Gegner, der das ebenfalls tut – und danach auch vor dem Richter, der die Fahne in der Hand hält und durch die schrille Trillerpfeife bläst. Dann gehts los. Für Aussenstehende sind es ruckartige, sehr schnelle Bewegungen, begleitet von «Schreien» der Wettkämpfer.
Wettkampf ohne Vollkontakt
Ja, es herrschte am Sonntag viel Betrieb in der grossen Bonstetter Schachenhalle: Das nationale Karateturnier für Juniorinnen und Junioren, organisiert vom Shukokai Karate Center Albis, war gut besucht – in der Mehrzahl wohl von den Angehörigen der rund 300 Wettkämpferinnen und Wettkämpfer aus der ganzen Schweiz, allesamt bis 14-jährig. Sie massen sich in der Kumite- und und der Kata-Klasse. Kumite ist der klassische Zweikampf zwischen zwei Karatekas. Diese prügeln aber nicht aufeinander los. Es ist ein Wettkampf ohne Vollkontakt. Mit der Technik deutet man den Effekt eines Schlages nur an. Ein Schiedsrichter vergibt Punkte. Die Kata ist ein Schattenkampf. Karatetechniken sind nach einem vorgeschriebenen Ablauf zu zeigen – im optimalen Fall stimmt jedes kleine Detail.
Am Schluss, nach weniger als zwei Minuten, zeigt der Schiedsrichter mit der roten oder blauen Fahne an, wer von den beiden Wettkämpfern die Kata besser interpretiert hat. Und schon hier sind die Unterschiede zu anderen Sportarten augenfällig: Im Gegensatz zum Fussball etwa werden Schiedsrichterentscheide immer vorbehaltlos und ohne jeglichen Kommentar akzeptiert, da mag die Enttäuschung noch so gross sein: Am Schluss verneigen sich die Wettkämpfer. Karate hat seine Ursprünge in China und wurde von Mönchen entwickelt, um Gesundheit und Vitalität zu erhalten.
Selbstwertgefühl steigern
Es ist so etwas wie Lebensschule. Weil ohne Körperkontakt und somit weitgehend frei von Verletzungsgefahr, können hier Kinder bereits ab drei Jahren mit dem Training beginnen. Es geht in erster Linie darum, dabei Freude zu entfalten, das Selbstwertgefühl zu steigern und Kräfte zu kanalisieren. «Wir haben gute Feedbacks von Eltern und Lehrpersonen. Kinder lernen, sich durchzusetzen, sich besser zu integrieren was ihnen auch in der Schule zugutekommt», sagt Andi Müller, Karatelehrer, Lifecoach und Träger des 4. Dan. Für ihn ist es pure Jugendförderung, mittlerweile auch J+S-unterstützt – und von Mitgliedern der Oberstufenschule Bonstetten bestaunt. Karate beinhaltet viel Bewegung, und die tut Kindern nur gut – ebenso die Möglichkeit, Selbstschutz zu erlernen und damit die Sicherheit im Alltag zu erhöhen.
Über 50 aus dem Säuliamt dabei
Die Anstrengungen des Shukokai Karate Centers in Affoltern scheinen sich auszuzahlen: Nach den Worten von Andi Müller hat sich die Zahl der Karatekas im Säuliamt in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt; unter den 300 Teilnehmenden am Sonntag waren auch über 50 aus der Region dabei. Ab 1. Oktober ist die Chance zu einem neuerlichen Schub vorhanden: Dann kann der Club an der Lindenmoosstrasse 10 in Affoltern neue Räume beziehen. Schon jetzt werden für Fortgeschrittene zusätzliche Trainingsstunden angeboten; Mädchen und Knaben werden gezielt gefördert. Der eingangs geschilderte Knirps hat im ersten Einsatz eine Niederlage einstecken müssen. Entsprechend ist sein Gesichtsausdruck. Er geht zurück in die Wartezone. Im Kreis der anderen Mädchen und Knaben findet er sein Lachen wieder. Die nächste Chance kommt ja bestimmt. Und dieses Lachen ist auch Andi Müller eigen. Er nimmt Siegerehrungen vor, überreicht Pokale und hat für alle ein freundliches Wort übrig. Da ist Herzblut spürbar. Und Herz zeigt der organisierende Club, der sein 20-jähriges Bestehen feiert, auch für solche, die sich kaum bewegen können: Der Gewinn der Veranstaltung kommt dem Paraplegiker-Zentrum zugut. Dank Grossaufmarsch vom Sonntag wird das ein «schöner Batzen» sein.
Weiterer Bericht folgt, Informationen unter www.karate-albis.ch