Auf dem Fundbüro gibt es nichts, was es nicht gibt
Schlüssel, Portemonnaie, Rucksack, Brille oder Kinderwagen. Die Liste der Fundsachen, die in den Fundbüros im Bezirk Affoltern ankommen, ist lang. Allerdings wird mehr gesucht, als abgegeben wird.
Zufall oder Vorsehung? Der Roman «Fundbüro» von Siegfried Lenz ist just meine Lektüre, als die Anfrage des «Anzeigers» kommt, ob ich einmal in den Fundbüros im Bezirk bezüglich Fundsachen recherchieren könne. Im Buch erzählt der deutsche Autor einnehmend, humorvoll und voller Anteilnahme von Menschen und ihren Schicksalen, von Verlorenem und Wiedergefundenem. Und beinahe identisch mit der Erzählung zeigt sich während der Recherche auch real: Auf den Fundbüros gibt es nichts, was es nicht gibt. Hier sammeln sich vermisste oder gefundene Alltagsdinge, gleichsam Werte, Träume und Gefühle.
Von 101 abgegebenen Genständen konnten 70 vermittelt werden
Es sind allerlei gewöhnliche, aber auch teilweise höchst ungewöhnliche Dinge, die verloren gehen und ins Fundbüro gebracht werden. Viktor Sandmeier vom Fundbüro der Stadt Affoltern kann ein Lied davon singen. Hier warten Schlüssel, Portemonnaies, Brillen, Uhren, ein Kinderwagen usw. darauf, dass sich deren Besitzer suchend melden. Und für die etlichen Fahrräder, die im Bauamt der Stadt aufbewahrt werden, gilt dasselbe. «Fast jeden dritten Tag bringt ein Finder etwas, das jemand verloren hat, bei uns vorbei», sagt Sandmeier. Im Jahr 2022 waren es total 101 Fundgegenstände, die bei der Stadt abgegeben wurden; davon konnten bis heute 70 Gegenstände vermittelt werden, 31 Effekten sind noch offen. Schlüssel sind die Spitzenreiter in der Liste der verlorenen und im Fundbüro in Affoltern abgegebenen Gegenstände; 40 Schlüsselbunde und Fahrzeugschlüssel waren es im letzten Jahr. Auch in anderen Gemeinden bestätigen sich Schlüssel an der Statistikspitze. Und die weitere Reihenfolge unterscheidet sich, verglichen mit jener von 2022 in Affoltern, von Fundbüro zu Fundbüro beinahe unmerklich: Führer- und Ausländerausweise (14), Kreditkarten (12) sowie Portemonnaies (10), gefolgt von Brillen, Regenschirmen, diversen Schmuckstücken wie Hals- und Armketten oder Ringen, einzelnen Banknoten sowie einigem mehr. In Affoltern sind dies je ein Mini-Scooter, Trottinett, Laptop, Drohne sowie ein Kinderwagen. Zudem sind 30 Fahrräder gefunden, davon drei vermittelt sowie 48 als gestohlen gemeldet worden.
Der Rucksack, der in Affoltern auf die griechische Studentin wartet
Fundsachen werden im Fundbüro zuerst sorgsam registriert, danach wird versucht, die Besitzerin, den Besitzer zu eruieren. «Bei Portemonnaies und Taschen gelingt dies in der Mehrheit der Fälle, bei weiteren Fundsachen birgt die Nachforschung einiges an Aufwand, etwa bei Schlüsseln, bei denen wir die Besitzer anhand der Nummer über die Hersteller zu erreichen versuchen», erklärt man im Fundbüro der Stadt Affoltern. In vielen Fällen allerdings sei es ein Ding der Unmöglichkeit, entsprechende Rückschlüsse zu erlangen, diese werden dann – registriert – im Fundbüro aufbewahrt. Nicht bis in alle Ewigkeit: Gemäss Schweizerischem Zivilgesetzbuch beträgt die Aufbewahrungspflicht fünf Jahre, wobei allerdings in der Praxis ein Gegenstand kaum länger als ein paar Monate oder allenfalls ein Jahr aufbewahrt wird. Dann geht die Fundsache entweder an den Finder zurück, wird verwertet oder vernichtet. «Das Eruieren der Besitzerinnen und Besitzer von Fundsachen kann manchmal ganz schön aufwendig und zeitraubend sein», hält Viktor Sandmeier fest und holt als Beispiel einen schlichten, mausgrauen Rucksack hervor. Dieser wartet im Fundbüro der Stadt Affoltern, dass die Besitzerin, eine Studentin aus Griechenland, ihn im Bezirkshauptort abholt. Man habe sie nach Sichtung des Inhalts aufgrund von Zufälligkeiten eruieren und schliesslich auch kontaktieren können.
Mehr als das Doppeltean Suchmeldungen
Wer etwas auf der Strasse findet, für den sehen hierzulande Gesetz und Moral vor, die Fundsache abzugeben – wobei Gegenstände bis zu einem Wert von 10 Franken nicht als Fundsache behandelt werden, weshalb eine Abgabe im Fundbüro nicht erforderlich ist. Allerdings stellt man in den Fundbüros fest, dass heute vieles nicht mehr abgegeben wird, was andere verloren haben. Ein Befund, den man in Affoltern, in weiteren Ämtler Gemeinden sowie im Fundbüro der SBB in den letzten Jahren ebenfalls ausmachen konnte: «Grundsätzlich erhalten wir mehr Suchmeldungen, als wiedergefundene Dinge abgegeben werden», weiss Luca Contino von der Gemeindeverwaltung Stallikon, und im Fundbüro der Stadt Affoltern gingen 2022 telefonisch oder persönlich am Schalter 250 Verlustmeldungen ein; mehr als das Doppelte an der Zahl, als jene der abgegebenen Fundgegenstände.
Bei den SBB gehen Fundsachen an die Fundzentrale in Bern
Die Diversität der abgegebenen Fundsachen wird auch für das Fundbüro der SBB bezeugt: «Jeder Fundgegenstand, welcher gefunden wird, wird grundsätzlich an die Fundzentrale in Bern versendet. Einen SBB-Fundbüroschalter in Affoltern gibt es nicht», hält Bas Vogler, Mediensprecher SBB, fest und ergänzt: «Innerhalb des Bezirks werden Alltägliches wie Rucksäcke, Koffer, Handys, Schlüssel, Jacken, Portemonnaies, Brillen etc. abgegeben, aber auch mal ein Handörgeli oder ein Hörgerät.» Wo der Verlierer eruiert werden kann, nimmt man aktiv mit ihm Kontakt auf und diese reagieren freudig und teils auch überrascht». Gegenstände können anschliessend an einem bedienten Bahnhof abgeholt werden, ausser Kredit- und Bankkarten, die aus Sicherheitsgründen am Bahnhof vernichtet werden müssen.
Die Fundgegenstände werden auch in der Fundzentrale der SBB nach den gesetzlichen Regelungen aufbewahrt, und falls diese in dieser Zeit nicht an die Besitzerinnen und Besitzer übergeben werden konnten, werden sie bei www.fundsachenverkauf.ch feil geboten.