«Es braucht auch Mitglieder, die nicht Juristen sind»
Bezirksrat, 2. Wahlgang: Peter Wehrli im Porträt

Er bringt Erfahrung mit als Behördenmitglied, als Rektor der Berufswahlschule Bezirk Horgen und aus anderen Führungsfunktionen: Peter Michael Wehrli, Mitglied der FDP und seit rund einem Jahr in Obfelden wohnhaft, will im zweiten Wahlgang am 18. Mai 2025 Bezirksrat werden.
Was das Amt eines Bezirksrats erfordert, macht Peter Wehrli im Gespräch schnell klar: Lebenserfahrung und Führungsfähigkeit, eine starke Persönlichkeit, Verständnis für die diversen Anspruchsgruppen, auch Empathie und die Fähigkeit, in konfrontierenden Situationen vermittelnd zu agieren. All dies nennt er die «weichen Faktoren», derweil für ihn die harten Faktoren im Gesetzbuch stehen. Die bilden zwar die Leitschnur für die Tätigkeit im Bezirksrat. Dass es dazu aber ausschliesslich ausgebildete Juristinnen und Juristen bedarf, verneint Wehrli: «Dazu existiert ja in Affoltern eine Art Servicezentrum. Ein Bezirksrat benötigt auch Mitglieder, die ausserhalb der Juristerei stammen und dadurch viel andere Erfahrung einbringen können.» Natürlich müsse ein Bezirksratsmitglied im Rahmen der regelmässigen Visitationen von Gemeindebehörden Jahresrechnung und Budget lesen können und wissen, wie ein Gemeinderat, eine Schulpflege funktioniere oder wie behördliche Entscheide zustande kommen. Als ehemaliger Gemeinderat von Buch am Irchel kennt Wehrli dieses «Innenleben». Und er betont, fast sein ganzes Berufsleben an der Schnittstelle zur Politik verbracht zu haben. Unter anderem als Geschäftsführer der Genossenschaft Theater Kanton Zürich (TZ), wo die Zürcher Gemeinden mehrheitlich Mitglieder sind – und natürlich aktuell: Seit fünf Jahren ist der 62-jährige Rektor der Berufswahlschule des Bezirks Horgen.
Sachwalter bei grossem Konflikt
Gestählt hat sich Peter Michael Wehrli aber auch als Sachwalter und leitendes Organ bei einem grossen Konflikt in der Primarschulgemeinde Bachenbülach. Der Regierungsrat setzte die Schulpflege vor ein paar Jahren nach einem grossen internen Zerwürfnis zwischen Lehrkörper, Schulleitung und -pflege ab. Innerhalb eines halben Jahres mussten der Konflikt bereinigt und Neuwahlen aufgegleist werden. «Da habe ich gesehen, was ein Bezirksrat bewegen kann», hält er fest. Gerade die Rolle als Mediator, der für Deeskalation sorgen kann, findet Wehrli spannend. Als Bezirksrat mit einer gewissen Autorität sei es möglich, Situationen zu entschärfen und Schaden abzuwenden, bevor es zur Eskalation komme. Da sei breite berufliche Erfahrung ein Vorteil. Natürlich brauche es Juristinnen und Juristen – aber eben: nicht nur, sagt Wehrli, der Ökonomie und Wirtschaftspädagogik studiert hat.
Eine Institution, die «nahe bei den Leuten» ist
Auch – oder vor allem – sei es wichtig, den Bürgerinnen und Bürgern Gehör zu verschaffen, sagt Peter Wehrli und bringt dabei auch die Glarner Landsgemeinde ins Spiel, die er mit seinen Schülern als Rektor der kaufmännischen Berufsschule Glarus erlebt hat. «Gelebte Demokratie mit Voten aus dem Volk und manchmal überraschenden Entscheiden» nennt er sie.
Den Bezirksrat nennt er eine «geniale Institution». Deren Mitglieder seien «nahe bei den Leuten», im Grunde genommen gut ausgestattet und gut aufgestellt. Veränderungen seien hier nicht nötig, aber eventuell die eine oder andere Sitzung mehr als bisher – im Sinne auch von Teamgeist. Der Bezirksrat ist nicht nur erste Rekursinstanz, sondern auch zuständig für Aufsichtsbeschwerden. Wehrli nennt diese ein «formloser Rechtsbehelf», eine Art Ventil für die Bevölkerung, um gewissermassen Dampf abzulassen – oder einem Kontrahenten mit einer solchen Beschwerde zu drohen. Dem Bezirksrat steht es frei, sich damit zu befassen. «Aber wenn er sich äussert, dann wird er in der Bevölkerung gehört, zumal er ja auch scharf schiessen kann», so Peter Wehrli. Ja, die Nähe zur Bevölkerung wäre für ihn dann nicht mehr gegeben, wenn der Bezirksrat als erste Instanz Entscheid im Kindes- und Erwachsenenschutz (Kesb) wegfallen würde und direkt das Obergericht zuständig wäre – wie das eine Kesb-Teilrevision vorsieht und noch vom Kantonsrat beraten werden muss. «Das wird niemals effizienter. Da handelt es sich um Menschliches und erfordert ein sorgfältiges Abwägen. Da ist das Obergericht in Zürich zu weit weg», findet Wehrli.
Zusammenlegen, aber eigenständig bleiben
Der Hang zu grösseren Gebilden manifestiert sich auch in Diskussionen über die Zusammenlegung von Gemeinden – im Säuliamt mit dem Beispiel Maschwanden, das als einzige Zürcher Gemeinde individuellen Sonderlastenausgleich bezieht und notwendige Investitionen kaum noch stemmen kann. Ein Rezept kann Peter Wehrli nicht aus dem Ärmel schütteln, macht aber einen Hinweis auf die Strukturreform im Kanton Glarus, wo aus 23 drei Gemeinden wurden. Zusammenlegen, aber die Eigenständigkeit trotzdem behalten, lautet dort die Formel. Glarus Süd sei eine Verwaltungsgemeinde; bei Verwaltungsfragen müsse zum Beispiel Braunwald nach Schwanden, sei aber – vom Selbstverständnis her betrachtet – Braunwald geblieben, sagt Peter Wehrli zu diesem Thema.