Die Verbindung zwischen Stallikon und Engelberg hält seit 900 Jahren
Jedes Haus sei Stürmen ausgesetzt, führte der Engelberger Abt, Christian Meyer, am Jubiläumsgottesdienst der Feier «Stallikon – 900 Jahre Kloster Engelberg» mit Bezug auf Prophet Ezechiel aus, entscheidend sei, ob das Haus auf Fels oder Sand gründe. Die Beziehung zwischen Stallikon und dem Kloster jedenfalls hat neun Jahrhunderte überdauert.
Mit seinen Vergabungen um 1120 legte Freiherr Konrad von Sellenbüren den Grundstein für das Kloster Engelberg. Er habe von seiner Burg auf dem Ofengüpf den Titlis gesehen, heisst es in der Legende, und sich von einem Ochsen von seinen Besitzungen in Buochs zum Standort des Klosters oben im Engelberger Tal führen lassen.
In seiner Begrüssung ging Gemeindepräsident Werner Michel auf die Geschichte dieses Jubiläumsfestes ein, das bedingt durch die Pandemie mit zwei Jahren Verspätung am Sonntag über die Bühne ging: «Da wir aber bereits 900 Jahre auf diesen Tag gewartet haben, kommt es auf die beiden Jahre auch nicht mehr an.» Als ihn der berufliche Weg vor 45 Jahren zusammen mit seiner Familie von Kerns in den Kanton Zürich verschlagen habe, fuhr Werner Michel fort, sei ihm nicht bewusst gewesen, dass hier der Gründer des Klosters Engelberg gelebt habe. Damals seien sie davon ausgegangen, möglichst bald wieder in die Innerschweiz zurückzukehren. Das Leben verlief anders, er wurde Gemeindepräsident in Stallikon. Erfreut stellte er fest: «Ich habe gehofft, dass wir das Festzelt zu zwei Dritteln füllen – nun sind es bedeutend mehr.»
Allen steht das Recht gleichermassen zu
Regierungsrätin Jacqueline Fehr trat in ihrer Ansprache auf die Verbindung von Religion mit Feiern ein. Dieser Tage habe sie mit dem ersten muslimischen Seelsorger der Schweizer Armee seine Ernennung gefeiert. Heute in Stallikon werde die Verbindung des katholischen Klosters Engelberg mit dem protestantischen Knonauer Amt gefeiert. Zürich halte sich in religiösen Fragen heute an die Ringparabel Lessings, wonach der Streit der monotheistischen Religionen Christen-, Judentum und Islam zur Lösung führe: Allen steht das Recht gleichermassen zu. Dies gelte auch zwischen den Konfessionen.
In der Geschichte der Schweiz sei dies längst nicht immer so gewesen. Die Kriege zwischen Katholiken und Protestanten hätten weit über den letzten, den Sonderbundskrieg von 1847, hinaus nachgewirkt. Heute lebe die Ökumene. Der historische Kulturkampf zwischen den Konfessionen, der unzählige Menschenleben kostete, sei überwunden.
Der Schweizer Philosoph Hans Saner habe von «Differenzverträglichkeit» gesprochen. Diesen Begriff habe er im Sinn von Lessings Ringparabel verstanden: Alle, die sich an der Gesellschaft beteiligen wollen, sollen dies können und dürfen. Differenzverträglichkeit schaffe Raum zum Zuhören, für den Austausch. Dies sei das Schlüsselthema unserer Zeit. Jubiläen bezeichnete Jacqueline Fehr als Momente des Innehaltens: «Dies tun wir heute, indem wir den Religionsfrieden feiern, damit auch künftige Generationen in all ihrer Verschiedenheit zusammenleben können.»
«Selbst der Tod kann den Fluss des Lebens nicht stoppen»
Der anschliessende Gottesdienst stand unter diesem Geist der Differenzverträglichkeit: Die beiden Pfarrer Antonio Lee der katholischen Pfarrei St.Mauritius, Bonstetten, und Otto Kuttler der reformierten Kirche Stallikon-Wettswil feierten diesen gemeinsam mit Abt Christian Meyer von Engelberg.
Der Prophet Ezechiel zeichne sich durch seine starken Bilder aus: Das Leben fliesse unaufhaltsam, selbst der Tod könne den Fluss nicht stoppen. Ezechiels Berufungsvision fasste Abt Christian zusammen: «Er musste eine Buchrolle mit dem Wort Gottes essen, die beim Essen süss wie Honig wurde. Doch das Wort Gottes ist nicht immer süss.» Dennoch solle dieses Wort zur Quelle werden, aus der sich immer wieder von Neuem schöpfen lasse, als Fundament für das Leben. Dies verbinde die drei grossen monotheistischen Religionen: Das Fundament des Glaubens halte allen Stürmen stand. Auch das Kloster Engelberg selbst habe viele Höhen und Tiefen, viel Schönes und Unschönes erlebt. Und manchmal fliesse beides zusammen, etwa, als das Unwetter von 2005 das ganze Tal von der Umwelt abgeschlossen habe, seien in der Klosterküche tagelang Mahlzeiten für 600 Menschen aufbereitet worden.
Zum Abschluss bedankte sich Abt Christian beim reformierten Pfarrer Otto Kuttler für die unkomplizierte Zusammenarbeit. Die Verbindung zwischen Stallikon und Engelberg hat in 900 Jahren viele Stürme erlebt. Am Sonntag war an einem fröhlichen gemeinsamen Fest nur die Verbindung spürbar.