Ein Einkaufszentrum um jeden Preis
Nach zähem Ringen stand der «Albis-Park» – nun schwächelt der Standort

«Hornbach» ist hungrig bei seinem Markteintritt in die Schweiz. Im Jahr 2002 eröffnet der deutsche Heim- und Gartenmarkt-Betreiber in Littau bei Luzern seine erste Schweizer Niederlassung. Weitere Standorte sind bald im Gespräch: Galgenen (SZ), Biel, Etoy (VD), Villeneuve (VD) oder Riddes (VS). Und Affoltern. Dort plant «Hornbach», direkt am zukünftigen Autobahnanschluss seine siebte Filiale zu eröffnen. Geschätzte 16 Millionen Franken legt Hornbach Schweiz bei der Credit Suisse auf den Tisch, um ihr das ehemalige Fibora-Areal an der Alten Obfelderstrasse abzukaufen. «Bau- und Gartenmarkt-Riese Hornbach kommt nach Affoltern», titelt der «Anzeiger» im Oktober 2006.
Es vergehen wenige Wochen, bis Ende Januar 2007 die nächste Investoren-Bombe platzt: Nun teilt die Genossenschaft Migros Zürich mit, dass auch sie im Industriequartier bauen wird, auf dem Land der Leuthard-Gruppe. Drei Jahre zuvor ist sie mit ihren Plänen für ein Einkaufszentrum beim Autobahndreieck in der «Filderen» Wettswil noch gescheitert, nun plant sie im Industriequartier das Hobby- und Freizeitzentrum «Albis-Park». Und zwar in fürs Säuliamt ungewohnt üppigen Dimensionen: Auf einer Nutzfläche von rund 45000 Quadratmetern schweben ihr ein OBI Bau- und Heimwerkermarkt, Sport-, Einrichtungs- und Heimelektronikangebote, Dienstleistungs- und Büroflächen sowie ein 9500 Quadratmeter grosser Wellness- und Freizeitbereich als «pulsierendes Herz» des Projekts vor. Investitionsvolumen: rund 180 Millionen Franken.
Die Migros selbst ist der Ansicht, Affoltern mit dem «Albis-Park» entlang der Autobahn ein «prägendes Gesicht» zu schenken. Die damalige Gemeindepräsidentin Irene Enderli (SVP) bewertet die Pläne insgesamt als positiv. Aus dem Nichts kommt die Projekt-Ankündigung für den Gemeinderat nicht; man sei schon länger im Austausch gewesen, sagt sie im Januar 2007 gegenüber dem «Anzeiger». Überraschend ist dagegen das Tempo, mit dem die Migros nun ihre Pläne vorantreibt. Auch 25 Kilometer Luftlinie weiter, im luzernischen Ebikon, dürfte sich zu dieser Zeit die eine oder andere Manager-Stirn in Falten legen: Dort ist mit «Ebisquare» (heute «Mall of Switzerland») nahe der zukünftigen A4 ein ähnliches Projekt in Planung: Die schweizweit zweitgrösste Einkaufs- und Freizeitdestination samt Wellnessbereich soll auf rund 65000 Quadratmetern Nutzfläche entstehen. Bei Ebisquare gibt man sich gegenüber der Presse betont locker, obwohl klar ist, dass sich die beiden Zentren bei lediglich 28 Autokilometern Entfernung nicht nur teilweise das Einzugsgebiet, sondern auch die Zielgruppe würden teilen müssen.
Dreijähriger Baustopp bremst die Goldgräberstimmung
Mit dem Bau der Raststätte (Spatenstich im April 2007) sowie mit «Hornbach» und dem «Albis-Park» sind in Affoltern nun drei Grossprojekte geplant und die Landreserven am Autobahnanschluss erschöpft. Nicht geklärt ist dagegen die Verkehrssituation: Würde der Autobahnanschluss in Affoltern den entstehenden Mehrverkehr aufnehmen können? Um das mit der gebotenen Sorgfalt zu prüfen, beantragt der Gemeinderat Affoltern beim Regierungsrat für das Gebiet Schwanden-Chalofen-Lindenmoos eine dreijährige Planungszone, die im Sommer 2007 bewilligt wird.
Die Planungszone bedeutet de facto einen Baustopp bis Sommer 2010. Spätestens jetzt ist klar, dass sowohl «Hornbach» als auch «Albis-Park» bei der Eröffnung der A4 im November 2009 noch nicht realisiert sein werden. Die «Mall of Switzerland» allerdings auch nicht; deren Bau kommt wegen fehlender Investoren zwischenzeitlich ins Straucheln.
Stimmvolk will weder starke Regulierung des Gewerbes noch Entlastungsspange
Unterdessen gerät die Affoltemer Politik wegen der Verkehrsthematik ins Diskutieren: Hans Läubli, damals Kantonsrat der Grünen, will den Verkehr mit Regulierungen in den Griff kriegen: In einer Initiative fordert er, «publikumsintensive Einrichtungen und Verkaufsflächen mit mehr als 500 Quadratmetern» in der gesamten Affoltemer Gewerbe- und Industriezone zu verbieten. Dies würde eine Änderung der Bau- und Zonenverordnung bedingen. Die Affoltemer Gemeindeversammlung lehnt das Ansinnen im Dezember 2008 wuchtig ab. Die beiden Investoren zeigen sich nach dem Entscheid erfreut und optimistisch, noch im Jahr 2010 mit dem Bau beginnen zu können.
Ihre Freude währt allerdings eher kurz: Ein Jahr später, im November 2009 und wenige Monate vor Ablauf der dreijährigen Planungszone, sagt die Gemeindeversammlung Affoltern erneut «nein». Diesmal weisen die Stimmberechtigten die Pläne des Gemeinderats ab, die Zone für verkehrsintensive Nutzung auf einen Teilbereich des Gewerbe- und Industriegebiets Schwanden-Chalchofen-Lindenmoos zu beschränken (also dort, wo der «Albis-Park» und «Hornbach» geplant waren) und die Verkehrslage mit einer Entlastungsspange zu entschärfen.
Die «Läubli-Initiative» ist dem Grossteil der Bevölkerung zu rigoros gewesen, doch den erhobenen und prognostizierten Daten zum Verkehrsaufkommen, die von der Gemeinde an jenem Abend präsentiert werden, trauen die Stimmberechtigten auch nicht. Man befürchtet eine grössere Verkehrsbelastung.
Im Mai 2010 wird die Planungszone um ein Jahr bis Ende Juli 2011 verlängert, und im November 2010 stimmt die Affoltemer Gemeindeversammlung der Teilrevision der Nutzungsplanung für die Zone mit verkehrsintensiven Bauten schliesslich doch noch zu. Ohne Spange.
OBI verabschiedet sich nach kurzem Gastspiel aus Affoltern
Im Februar 2013 ist das Hornbach-Projekt baureif: Der Gemeinderat erteilt die Baubewilligung. Im September 2015 ist die Baubewilligung für «Hornbach» rechtskräftig. Im April 2018 feiert Hornbach in Affoltern Eröffnung. Ein Verkehrschaos auf der Autobahnbrücke bleibt aus.
Für den «Albis-Park» braucht es mehr Geduld: Das erste Baugesuch von 2013 entspricht schon bald nicht mehr dem Retailverhalten. Nach einem Änderungsgesuch steht dem Bau 2015 nichts mehr im Weg. Doch die Bauherrschaft will nun zuerst über die Bücher, ehe sich die Migros im August 2017 wegen «veränderter Marktsituation» ganz aus dem Projekt zurückzieht. «Leuthard» baut auf eigene Faust und gewinnt später die Einrichtungshauskette XXXLutz (Eigentümerin von Möbel Pfister) und OBI als Mieter. Im Frühling 2019 startet der Bau des «Albis-Park», im Herbst 2021 feiert zuerst OBI und später Möbel Pfister Eröffnung (drei Jahre nach der «Mall of Switzerland» in Ebikon).
Knapp anderthalb Jahre nach der Eröffnung gibt die Migros Genossenschaft (Schweizer Franchisenehmerin von OBI) im Mai 2023 bekannt, dass sie den Standort Affoltern per Ende August schliesst. Der Bau-Fachmarkt habe sich nicht wie erhofft entwickelt. Die Schweizer Detailhändlerin verortete die Gründe für den Flop darin, dass die Baumarktbranche nach dem Boom während der Pandemie nun «eine Flaute» erlebe. Auch die negative Konsumentenstimmung «wegen Teuerung und der allgemeinen Wirtschaftslage» wurden als Gründe präsentiert.
Die Migros Genossenschaft Zürich sitzt nun auf ihrem 15-Jahres-Mietvertrag, den sie mit dem Unternehmen Quantus Real Estate Finance, der heutigen Besitzerin des «Albis-Park», hat. Zu allfälligen Nachmieterinnen gibt sie sich bedeckt. Man sei in Verhandlungen, heisst es auf Anfrage.
Geht auch Möbel Pfister bald der Schnauf aus? Wer weiss: Im Mai sagte die Medienstelle auf Anfrage des «Anzeigers», dass sich die Filiale in Affoltern «noch nicht ganz» nach den Erwartungen entwickle.