Ennet der Strasse liegt der Steuerfuss 21 Prozent höher
Bonstetten und Wettswil haben sich aufgrund der Politik und der ganz unterschiedlichen Charaktere individueller Akteure sehr unterschiedlich entwickelt. Die unterschiedlichen Bau- und Zonenordnungen haben dabei eine zentrale Rolle gespielt, wie auch die unterschiedliche Investitionsbereitschaft in der Bevölkerung.
Maschwanden – an der Reuss und der Lorze gelegen – war früher dank der Kiesgrube eine reiche Gemeinde. Bis heute gibt es in Maschwanden ein Freibad und ein Dorfmuseum. Beides gibt es weder in Bonstetten noch in Wettswil. Wer im Sommer Abkühlung sucht, findet diese erst im Schwimmbad in Birmensdorf oder im Hedinger Weiher. «Wir fragen Neuzuzüger jeweils, was ihnen an Bonstetten besonders gefalle und was sie vermissen. Ein Freibad steht bei den Wünschen ganz oben», erklärt der Bonstetter Gemeindepräsident Frank Rutishauser. In Wettswil sei ein Freibad nur vereinzelt ein Thema, erklärt Gemeindepräsident Hanspeter Eichenberger: «In Wettswil standen immer tiefe Steuern im Vordergrund und nicht möglichst viel Infrastruktur. Man hat sich auf das Nötige beschränkt. Obfelden beispielsweise hat immer mit der grösseren Kelle angerührt, mit dem Zentrum Brunnmatt und dem Schwimmbad. Durch den Finanzausgleich wurden diese Projekte teilweise auch durch die Gebergemeinden wie uns mitfinanziert.»
Aufgrund der daraus resultierenden finanziellen Belastung, wird auf jeden Fall weder in Bonstetten noch in Wettswil ein Freibad geplant.
Sehr zurückhaltend mit Investitionen
Die Wettswiler Bevölkerung war über Jahrzehnte relativ zurückhaltend mit Investitionen, was sich auch auf das Planungsverhalten des Gemeinderats auswirkte. Während in Bonstetten ein neues Gemeindehaus mit modernen Verwaltungsräumlichkeiten und Gemeindesaal realisiert werden konnte, lehnte die Bevölkerung in Wettswil eine Vorlage für einen Gemeindesaal mit Bibliothek vor 30 Jahren ab. Der Wettswiler Gemeindeschreiber Reinhold Schneebeli ist der mit Abstand dienstälteste Gemeindeschreiber im Bezirk: «Natürlich gab es immer Ideen für Infrastrukturbauten, doch grundsätzlich waren die Wettswiler immer genügsam. Das Lehrschwimmbecken der Schule war eines der wenigen grossen Infrastrukturprojekte, das von der Bevölkerung angenommen wurde.»
Wandel im Wettswiler Abstimmungsverhalten
In den vergangenen Jahren sind die Wettswiler Stimmberechtigten jedoch ausgabefreundlicher geworden. So konnte 2012 die Sportanlage Moos ausgebaut werden – auch, dank der finanziellen Unterstützung der Gemeinden Bonstetten und Stallikon. 2015 wurde der Baukredit über 19,36 Millionen Franken für den Neubau eines Primarschulhauses mit sechs Klassenzimmern, zahlreichen Nebenräumen, Kindergarten, Hort und Gemeindebibliothek mit 82,3 Prozent Ja-Stimmen angenommen. Im Dezember 2016 hat die Gemeindeversammlung Wettswil sogar eine Kostenbeteiligung über 700'000 Franken am Projekt TCW 2020 des Tennisclubs Wettswil angenommen – was auch ein klares Statement für die hervorragende Verankerung des Vereins mit seiner beispielhaften Jugendarbeit in der Bevölkerung ist.
Die Relevanz guter Infrastruktur erkannt
Ein klarer Standortvorteil für Bonstetten ist die Umfahrungsstrasse – während die Stationsstrasse in Wettswil einmal der Länge nach durchs Dorf führt. Die Stationsstrasse führt den Gleisen entlang und die Isenbachstrasse ins Reppischtal entlastet das Dorfzentrum zusätzlich. Frank Rutishauser erklärt: «Der ehemalige Gemeindepräsident Max Huber hat sich mit viel Herzblut für die Raumplanung und die Umfahrung des Dorfkerns eingesetzt und hat es geschafft, dass Bonstetten eine Umfahrungsstrasse erhielt. Er war in der Tradition der Gründerväter der Schweiz ein echter Liberaler, der die Relevanz guter Infrastruktur für den Standort Bonstetten erkannt hatte. Vor der Isenbachstrasse war der bis heute bestehende, extrem steile Züriweg die Hauptverbindung von Bonstetten ins Reppischtal. Dank Max Huber wurde dann die viel breitere und komfortablere Isenbachstrasse gebaut. Solche Entscheidungen haben sicher viel Geld gekostet. Doch unser sicheres und ruhiges Dorfzentrum macht Bonstetten zu einem attraktiven Wohndorf – gerade für Familien.»
Mietwohnungen geben weniger Steuerertrag
Der grösste Standortvorteil Wettswils sind die tiefen Steuern. In Bonstetten betragen die Steuerfüsse von politischer Gemeinde, Primar- und Sekundarschule 110 Prozent. In Wettswil sind es nur 89 Prozent – trotz Millioneninvestition ins neue Primarschulhaus. Hanspeter Eichenberger erklärt, wie es dazu gekommen ist: «Wettswil konnte sich seit der Nachkriegszeit über Neuzuzüger freuen, die auch gute Steuerzahler waren. In Wettswil gibt es viel Wohneigentum. Und, Menschen die sich Wohneigentum leisten können, haben auch oft ein gutes Einkommen. Dazu kommt der Kauf und Verkauf von Liegenschaften. Nur dank der sehr gut fliessenden Grundstückgewinnsteuern können wir unseren Steuersatz so tief halten. Auch bei den Baulandpreisen schwimmt Wettswil im Bezirksvergleich oben auf. Es werden bis zu 2300 Franken pro Quadratmeter bezahlt. Unser Finanzplan sieht aber auch für die kommenden Jahre grosse finanzielle Herausforderungen auf die Gemeinde zukommen.»
Bau- und Zonenordnung verhindert Flachdächer im Dorfkern
Ein zentraler Grund für die steuertechnisch sehr unterschiedliche Entwicklung der beiden Nachbargemeinden liegt möglicherweise auch in den unterschiedlichen Bau- und Zonenordungen. Aufgrund einer Bürgerinitiative sollten der Dorfkern von Bonstetten und Bonstetten Schachen nicht zusammenwachsen. Im Dorfkern verbietet die Bau- und Zonenordnung bis heute den Bau von Flachdächern, wie Frank Rutishauser erläutert: «Bei Personen der höchsten Einkommensklasse sind Häuser mit Flachdächern an Südhanglagen sehr beliebt. Wettswil ist etwas südlicher ausgerichtet und konnte durch weniger Restriktionen in der Bau- und Zonenordnung über die Jahre mehr Grösstverdiener anziehen. Bonstetten ist dabei eher ein Familiendorf für den Mittelstand geworden.»