Er drückte auch dem Papst die Hand
Erich Rüfenacht, vor 35 Jahren höchster Zürcher, blickt auf eine vielfältige Karriere zurück
Shooting-Star – dieser Begriff figurierte nicht im Vokabular der 1960er-Jahre. Erich Rüfenacht fällt aber zweifelsfrei in diese Kategorie. 1967, im Alter von 28 Jahren, wählte ihn das Säuliamt in den Kantonsrat – eher eine Überraschung, denn er figurierte damals hinter dem aussichtsreichen Kandidaten auf der Liste der BGB (Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei), die ja heute SVP heisst. Seine Wahl nennt er «einen Zufall». «Ich hatte keinen besonderen Ehrgeiz, in die Politik einzusteigen», sagt er heute. Nun ja, immerhin interessierte er sich 1966 für eine BGB-Mitgliedschaft, erhielt die Unterlagen – und wurde Mitglied. Ein Jahr später figurierte er auf der Liste der Kantonsratskandidaten, überholte dort bei den Wahlen ein arriviertes Parteimitglied und schaffte die Wahl ins Zürcher Rathaus, damals als zweitjüngster der 180 Kantonsratsmitglieder. Den Namen eines Frühstarters sicherte sich Erich Rüfenacht zuvor schon im Berufsleben: Mit 21 Jahren wurde er Gemeindeschreiber in Hausen, wo er aufgewachsen ist. Und dieses Amt bescherte ihm vier Jahre nach seiner Wahl auch den Posten eines Ratssekretärs im Kantonsrat. Mit seiner Kandidatur als zweiter Vizepräsident des Kantonsrates, dem dann fast das Präsidium folgt, scheiterte Erich Rüfenacht 1979 fraktionsintern. Vorerst. «Für mich war das Thema damals erledigt, aber vom Präsidenten der Interfraktionellen Konferenz erhielt ich einen Anruf mit der Mitteilung, dass bei der Wahl im Ratsplenum mein Name gleichwohl auf den Wahlzettel stehen werde», erinnert sich Erich Rüfenacht. Er, damals auch noch SVP-Fraktionschef, erreichte exakt das absolute Mehr und liess damit den offiziellen SVP-Kandidaten Werner Nägeli hinter sich. Der zu dieser Zeit unmittelbar vor ihm sitzende Kantonsrat Christoph Blocher fragte: «Willst du diese Wahl tatsächlich annehmen?» Rüfenacht antwortete: «Warum sollte ich nicht?» Damit war der Weg frei zum Kantonsratspräsidium für das Amtsjahr 1981/82. Er ist seither der einzige Ämtler geblieben, der sich offiziell «höchster Zürcher» nennen darf. So musste er ein Jahr lang die Kantonsratssitzungen leiten, für gesittete Debatten sorgen, das Tagesgeschäft als «Neutraler» beiseite lassen – und einer Menge an Repräsentationspflichten nachkommen. Zum Beispiel in Rom, als das Kantonsratsbüro von Papst Paul VI empfangen wurde. Auch Erich Rüfenacht, reformiert, hat dem Vertreter Christi auf Erden die Hand gedrückt und eine Medaille erhalten. «Das war beeindruckend», sagt er, der vor dem Besuch im Kreise der Kollegen noch einen Witz gemacht hat. «Ich werde den Papst fragen, wie es seiner Frau und seinen Kindern geht…»
Sachlichere Debatten
In seiner Zeit als Kantonsrat (1967 bis 1984) sind ihm insbesondere die Debatten zum kantonalen Gesamtplan in Erinnerung geblieben. Als Spezialist für bestimmte Themen hat er sich nicht gesehen, als Gemeindeschreiber vielleicht noch am ehesten als Vertreter der Verwaltung, der auch gegen die schon damals grassierende Gesetzesflut kämpfte – in gesitteteren Debatten als heute. Einzelne Ratsmitglieder standen weniger im Mittelpunkt als die Sache, über die gestritten wurde. Auch Fraktionserklärungen, die heute wegen jedem «Hafechäs» abgegeben werden – waren eher selten. 1967 gehörten der BGB 31 Mitglieder an, ebenso viele dem (längst verschwundenen) Landesring der Unabhängigen (LdU). «Es war ausgeglichener», so Rüfenacht. Und auch die Kleiderordnung eine andere: Für männliche Ratsmitglieder galt Kittel-Zwang. Ob deswegen die Ratsdebatten weniger scharf und weniger polemisch daherkamen? «Anfänglich gabs im Ratssaal auch keine Lautsprecher und längst noch keine Laptops, ergänzt Erich Rüfenacht, der zu dieser Zeit mit Otto Schneebeli (SVP), Rolf Hegetschweiler (FDP) und Martin Lenzlinger (SP) die Ämtler Vertretung in Zürich bildete. Die Ratsdebatten verfolgt er heute aus der Distanz; einmal im Jahr sitzt er auf der Rathaustribüne und verfolgt das Geschehen live mit.
Zahlreiche Ämter, aber nicht alles klappte
Erich Rüfenacht wirkte nicht nur im Kantonsrat. Er bekleidete zahlreiche weitere Ämter – eines der wichtigen: Er sass von 1982 bis 2003 im Bankrat der Zürcher Kantonalbank und ist heute nicht mehr sicher, ob das mit seiner Ausbildung noch möglich wäre. «Immerhin müssen Bankräte heute von der Finma bestätigt werden», fügt er bei. Sein Nachfolger, der in diesem Jahr verstorbene Fredi Binder aus Knonau, war als Ing.-Agronom allerdings auch kein Banker.
Nach seiner Lehre mit 21 Jahren Gemeindescheiber in Hausen, mit 28 Kantonsrat, dann unter anderem auch Sekretär der SVP-Kantonalpartei, später Gemeindeschreiber in Mettmen-stetten und Horgen, Mitglied der Aufsichtskommission der Kanti Limmattal, Spitalpräsident in Affoltern, Präsident des Türlersee-Schutzverbandes und Präsident der TCS-Gruppe Amt, Gemeinderat in Hausen – eine beeindruckende Liste öffentlicher Tätigkeit. Dennoch machte Erich Rüfenacht auch mit Niederlagen Bekanntschaft: 2002 kandidierte er in Hausen als Gemeindepräsident, unterlag aber dem viel jüngeren René Hess und blieb dennoch vier Jahre Gemeinderat. Während seiner Gemeindeschreiber-tätigkeit in Horgen kandidierte er in diesem Bezirk auch als Statthalter. Vergebens. Der ebenfalls von den Linken unterstützte Bezirksratsschreiber machte das Rennen. Als Knick in seiner beeindruckenden Karriere sieht er das nicht.
Er sagt das in seiner grosszügigen und den Blick zum Lindenberg freigebenden Wohnung in Mettmenstetten. Zusammen mit Ehefrau Annemarie geniesst der rüstige Rentner das Leben, fährt in Obersaxen, wo die Familie ein Ferienhaus besitzt, regelmässig Ski, schwingt sich zwischendurch auch aufs E-Bike und fährt mit der Ehefrau durch die Gegend. Langeweile kennt Erich Rüfenacht nicht. Befreundete Familien berät er in administrativen Belangen und auch dann, wenn etwa ein Gang zum Notariat ansteht.